K3 No. 3 - Juli 2023

| 03 | 2023 31 Fachkräftemangel Schwerpunkt Die Rückmeldungen zur Ad-hoc-Befragung betreffen derweil sowohl Frauen als auch Männer. Diskriminierungserfahrungen werden in allen Angebots- und Einrichtungsformen gemacht; Absender sind jeweils unterschiedliche Personengruppen – ein Muster lässt sich nur sehr schwer erkennen. Oder doch: Herabwürdigungen, Zuschreibungen oder offenen Diskriminierung sind im Alltag vorhanden – die Quantität spielt dabei keine wirklich wichtige Rolle. Das Ziel muss sein, jedwede Form von Benachteiligung aufgrund von geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung, Alter oder sozidemografischer Daten aus dem Arbeitsalltag zu verbannen – nicht nur, um damit Fachkräfte zu schützen, sondern vor allem deswegen, weil diese Form des Umgangs miteinander schlicht menschenverachtend ist. Und es bleibt dabei: Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung – ein kooperativer und wertschätzender Umgang miteinander sind nicht nur Dinge, die wir von anderen einfordern, sondern selbst leben müssen. Zusammengefasst von Marko Junghänel Vorurteile im Beruf High five – aber nur für Männer Frauen können keine schweren Gegenstände bewegen, Männer sollen Kindern in der Krippe lieber nicht zu nah kommen. Sind am Ende Stereotype Grund für den Fachkräftemangel? Die These scheint gewagt: Wir verscherzen es uns selbst mit dem Fachkräftenachwuchs, weil sich die Auswahl neuer Kolleg*innen an klischeehaften uZuschreibungen entlanghangelt. Die Eignung für bestimmte Aufgaben machen Arbeitgeber noch immer am Geschlecht fest: Männer dürfen – weil oft Eltern das nicht wollen – keine Kleinkinder in der Einrichtung wickeln; Frauen haben auf einem Abenteuerspielplatz nichts zu suchen, weil man es dort ggf. mit schwerem Gerät zu tun hat. Eine These, die untersucht werden sollte – nicht repräsentativ in der Auswahl der Grundgesamtheit der Befragten, aber zumindest beispielhaft und authentisch aus der Erfahrungswelt verschiedener Kolleginnen* und Kollegen* aus den Einrichtungen des KJR. Fazit: Ja, es gibt geschlechtsspezifische Vorurteile und daraus folgende Benachteiligungen in der täglichen Praxis. Und gleichzeitig nein, es handelt sich dabei vermutlich um kein grundsätzliches Problem. Die folgenden Aussagen können deshalb nicht als repräsentativ für den KJR gelten, sind zumindest jedoch Anlass, darüber nachzudenken, warum es weiterhin eine „vermutete Wahrheit“ zur Eignung für pädagogische/ erzieherische Aufgaben gibt. „Als Frauen sind wir nicht tough und stark genug, um beispielsweise große Autos zu fahren oder schwere Kisten zu transportieren. Verhandlungen können von Männern grundsätzlich erfolgreicher geführt werden. Frauen und Mädchen können nicht Fußball spielen bzw. für Jungs sportliche Angebote machen“, berichtet eine Kollegin aus dem Bereich schulbezogene Angebote. Sie fühlt sich nach eigenen Angaben zwar nicht grundsätzlich als Frau in dieser Funktion benachteiligt – die oben genannten Vorteile treffen sie aber immer wieder. Ihr Lösungsvorschlag: eine konsequent geschlechterparitätische Zusammensetzung der pädagogischen Teams und die Herstellung von Sprachfähigkeit der Betroffenen in solchen Situationen. Die Zuschreibung erfolgt in ihrer Wahrnehmung von mehreren Seiten – also auch aus Richtung der Kolleginnen* und Kollegen* Krankmeldung; sind sie schwanger? „Ich fühlte mich manchmal wie ein Boxsack aufgrund meines Geschlechts.“ Der Kollege aus der OKJA berichtet weiter, dass jedes Wort, jede Geste gegenüber Kindern und Jugendlichen deutlich kritischer von seinem Team wahrgenommen werde als das bei Mitarbeiterinnen der Fall wäre. Ein anderer bestätigt das: „Oft erlebe ich eine Täter-Opfer-Umkehr, d.h. bei bestimmten Gelegenheiten werde ich als Mann ausgegrenzt und habe das Gefühl, ich müsste erst beweisen, dass ich nicht übergriffig gegenüber den Besucher*innen unserer Einrichtung bin.“ Wie gesagt – Einzelfälle, deshalb aber nicht weniger ernst zu nehmen. Diskriminierend aufgrund der geschlechtlichen Zuschreibungen wirken verschiedene verbale Äußerungen und tatsächliche Handlungen. Auslöser können alle Seiten sein: das eigene Team, die Kinder und Jugendlichen, die Frauen bestimmte Kompetenzen absprechen oder Eltern, die Frauen demonstrativ den Handschlag verweigern – offenbar deshalb, weil sie denen eine solche verantwortungsvolle Tätigkeit nicht zutrauen. Ein Mann in der Kinderbetreuung – geht das überhaupt? Foto: Eduardo Quirante Sanchez auf Pixabay

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