K3 No. 1 - Februar 2022

| 01 | 2022 5 Kommentar Wie nennen wir unsere Zielgruppe in der Jugendarbeit? Warum sprechen wir von Kindern und Jugendlichen oder von Klienten/Klientinnen, Kunden/Kundinnen, Nutzern/Nutzerinnen, Besuchern/Besucherinnen oder Adressaten/ Adressatinnen? Auch in der Sozialen Arbeit wird, wie in allen Berufen der modernen Gesellschaft, auf Nachfrage mit Leistung reagiert. Im Gegensatz zu anderen Arbeitsfeldern wird in der Sozialen Arbeit die Leistung vom Kunden bzw. der Kundin jedoch nicht direkt bezahlt. Im Sinne eines unschlüssigen Tauschverhältnisses (Zahlende sind nicht Kunden bzw. Kundinnen) kommt in der Regel der Staat für die Gegenleistung auf. Im Feld der Sozialen Arbeit hat sich daher in den letzten Jahren der Begriff „Klienten und Klientinnen“ für die Adressaten und Adressatinnen sozialer Dienstleistung etabliert. Klient*in sozialer Dienstleistung zu sein, bedeutet daher in der Regel, sich in einer defizitären Situation zu befinden, die der Staat als auszugleichend betrachtet. Die Folge davon ist, dass das Bild von Klienten bzw. Klientinnen gesellschaftlich mit defizitären Merkmalen umschrieben wird. In den letzten Jahren wird es nun auch in der Jugendarbeit zunehmend üblich, von den Klienten und Klientinnen zu sprechen, wenn die Nutzer*innen der Einrichtungen und Dienste der Jugendarbeit (§11 SGB VIII) gemeint sind. Dies hat auf der einen Seite seine Wurzeln in der Ausbildung der Sozialarbeiter*innen und pädagogischen Fachkräfte an den Hochschulen, wo infolge der Theorieentwicklung der Sozialen Arbeit und der gleichzeitig stattfindenden Professionalisierung der Sozialen Arbeit eine eigene Berufssprache entstanden ist. Auf der anderen Seite haben sich die Träger der Jugendarbeit neue Arbeitsfelder der Jugendhilfe erschlossen (z.B. Schulsozialarbeit, Jugendsozialarbeit), in welchen der Begriff „Klient*in“ üblich ist. Das Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz, die UN-Kinderrechte, aber vor allem das Selbstverständnis der Jugendarbeit in Deutschland mandatiert junge Menschen als Rechte-Inhaber*innen. Junge Menschen haben das Recht auf eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit und sollen die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung gestellt bekommen. Diese Angebote sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, so das SGB VIII. Die Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse, sprich der KJR, werden von jungen Menschen selbst bestimmt und verantwortet. Daher ist es Aufgabe der Jugendarbeit, als Ort der Selbstbestimmung junger Menschen, dazu beizutragen, „dass junge Menschen zur Entfaltung und Selbstverwirklichung ihrer Persönlichkeit befähigt werden und junge Menschen zur aktiven Mitgestaltung der freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft zu befähigen, insbesondere durch Förderung des verantwortlichen und selbständigen Handelns, des kritischen Denkens sowie des sozialen und solidarischen Verhaltens“, so die Satzung des Bayerischen Jugendrings. Dieser Auftrag ist nicht problem- oder defizitorientiert, sondern soll Chancen auf positive Aneignung der Lebenswirklichkeit eröffnen und ein Recht auf ein glückliches Leben ermöglichen. Junge Menschen in der Jugendarbeit sind Rechte-Inhaber*innen und selbstbestimmte Auftraggeber*innen im Feld der Jugendarbeit. Oder wollen wir als Profis der Jugendarbeit etwa bestimmen, wie glückliches und selbstbestimmtes Leben aussieht? Sie als „Klienten“ bzw. „Klientinnen“ zu bezeichnen, negiert dies grundsätzlich und schwächt die Rolle der jungen Menschen erheblich. Es macht sie zu Problemträgern. Am besten passt „Kinder“, „Jugendliche“, „junge Erwachsene“ und zusammengefasst „junge Menschen“. Das ist die einzig angemessene Bezeichnung der Adressaten* und Adressatinnen* unserer qualifizierten Leistung als Fachkräfte der Jugendarbeit. Gerhard Wagner, Abt. Junges Engagement, KJR Unsere Zielgruppe: Klienten, Kunden oder junge Menschen?

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