K3 No. 4 - September 2022

Dachzeile 38 das kommt | 04 | 2022 Alle(s) inklusiv!? Schwerpunk Erfolg ist, wenn sich die Fachstelle überflüssig macht … Mit mehr geht auch mehr Inklusion ist als ein Gesellschaftsmodell zu verstehen, das die Anerkennung und Wertschätzung der menschlichen Vielfalt zugrunde legt, sagt Katharina Jürgens, Leiterin der Fachstelle für Inklusion beim KJR. Was bedeutet Inklusion? Im Verständnis von Inklusion wird der gesellschaftliche Rahmen so weit gesetzt, dass er niemanden ausschließt, Teilhabe in allen Bereichen ermöglicht und die Stärken bzw. Fähigkeiten der Individuen berücksichtigt. Daraus resultiert, dass Inklusion eine Haltung ist, mit der ich Menschen offen begegne und sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten einbinde. Das Erleben von Partizipation ist ein wesentlicher Bestandteil von Sozialisationsprozessen, und diese „Scharnierfunktion“ ist ein wichtiger werdender Bestandteil der inklusiven Sozialen Arbeit. Leider erlebe ich immer wieder die Enge und Inflexibilität dieses Rahmens und die damit einhergehende Exklusion von Menschen mit Behinderung. Um Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit gesetzlich zu verankern, kam es zur Novellierung des SGB VIII. Seit Juni 2021 sind damit Träger der Kinder- und Jugendhilfe explizit aufgerufen, ihre Angebotspalette zu evaluieren, auf den Inklusionsgedanken hin zu prüfen und ggf. anzupassen bzw. neu auszurichten. Das betrifft natürlich auch den KJR. Dem Kreisjugendring war der Grundsatz der Inklusion schon früher wichtig, sodass er 2002 die Fachstelle für Inklusion gründete. Ziel und Aufgabe ist, über gemeinsame Freizeitgestaltung Kontakte zwischen Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen zu fördern und die Interessen und Belange junger Menschen mit Behinderung gezielter in die Angebotspalette der Offenen Kinder- und Jugendarbeit einzubringen. Es kristallisierte sich die Umsetzung von inklusiven Ferienfreizeiten in Kooperation mit OKJA-Einrichtungen als Schwerpunkt heraus. Trotz der Erfolge war und bleibt es eine Herausforderung, junge Menschen mit Behinderung in die Offene Arbeit einzubinden. Der KJR versucht, mit den ihm zugewiesenen Mitteln möglichst inklusiv zu arbeiten. Würde man mich fragen, ob diese Mittel ausreichend sind, um die Kinder- und Jugendarbeit wirklich inklusiv zu gestalten, müsste ich verneinen. Was lief bislang gut? Inklusion wird als Thema für die Jugendarbeit verstanden, das aktiv angegangen und begleitet werden muss. Daher gibt es eben seit 2002 die Fachstelle, die es jungen Menschen mit und ohne Behinderungen ermöglicht, über eine gemeinsame Freizeitgestaltung miteinander in Kontakt zu treten und voneinander zu lernen. Diese Interaktion gestattet allen Beteiligten, Vorurteile zu überprüfen und zu korrigieren sowie Barrieren abzubauen. So können sie in ihrer Sozialisation die Diversität unserer Gesellschaft als Bereicherung erfahren und die daraus resultierenden Stärken erkennen. Außerdem wurde Inklusion in Einrichtungen als Ziel formuliert. So konnten Pilotprojekte, wie etwa der inklusive Freitag „fridays for inclusion“ in der Oase Neuhausen gestartet werden. Die Niederschwelligkeit soll gezielt Barrieren abbauen und ermöglichen, dass ein Teil der diversen Gesellschaft Zugang zum Regelangebot findet. Muss Inklusion nicht stärker als Querschnittaufgabe gedacht werden? Inklusion bedeutet auch, dass die Fachstelle Inklusion überflüssig, das Thema Inklusion selbstverständlich in allen Bereichen mitgedacht und zur Querschnittsaufgaben wird. An dieser Stelle befinden wir uns allerdings noch lange nicht. Bis sich die Fachstelle überflüssig macht, verstehe ich meine Aufgabe darin, immer wieder Impulse zu setzen, um so jungen Menschen mit Behinderungen den Zugang zu den Angeboten des KJR zu ermöglichen. Als zielführend hat sich herausgestellt, Strukturen zu etablieren. Dies ermöglicht die Fachstelle, indem Assistenzen die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen auf Freizeiten begleiten und über die gleichen Einrichtungen mitfahren. So wird ermöglicht, dass sowohl die Einrichtungen als auch die Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung in eine vertraute Gruppendynamik reinwachsen. Schauen wir insgesamt auf München: viel erreicht oder viel zu tun? Beides. Ich denke, dass der KJR an sich gut mit Angeboten für Kinder und Jugendliche innerhalb und außerhalb der Ferien aufgestellt ist. Es gehört unter anderem zu meinen Aufgaben, dieses breite Spektrum an Maßnahmen und Angeboten bei der Zielgruppe der jungen Menschen mit Behinderungen bekannt zu machen und die Kinder und Jugendlichen zu ermutigen, die Angebote auch wahrzunehmen. Die Annahme, dass 10 Prozent der Bevölkerung eine Behinderung haben, hat zur Folge, dass die Angebote und Maßnahmen des KJR wachsen und ausgebaut werden, dass sich diese Quote auch in unseren Angeboten widerspiegelt. Selbstverständlich müssen die daraus resultierenden Mehrkosten für Material und Personal von einer zentralen Stelle sichergestellt werden. Aktuell ist das durch die Budgetverteilung nicht gewährleistet und die Fachstelle stößt an ihre Grenzen – finanziell und personell. Wie soll Inklusion so (nachhaltig) ausgebaut werden? Ein weiteres Problem ist, dass es für die Zielgruppe der jungen Erwachsenen mit Behinderung kaum inklusive Maßnahmen gibt. Das ist besonders tragisch, da der weitere Bildungs- und Wohnweg meist noch „inklusionsferner“ verläuft. Hier gibt es noch sehr viel zu tun! Wie schafft man ein gesellschaftliches Bewusstsein – eine positive Haltung zum Thema? Für mich ist der Schlüssel für eine positive Haltung zum Thema das eigene Erleben von gelingender Inklusion im Rahmen der Maßnahmen des KJR. Dies betrifft auf der einen Seite die jungen Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen, die ihre Erfahrungen häufig weitertragen und die beste Werbung für unsere Arbeit sind. Auf der anderen Seite können auch die pädagogischen Fachkräfte, Assistenzen und Teilnehmer*innen unserer Angebote hautnah erleben. Wie geht es weiter? Mein persönliches Anliegen ist es, das Thema Inklusion nicht nur im Rahmen der Ferienmaßnahmen anzugehen, sondern auch im Alltag der verschiedenen Einrichtungen des KJR zu verankern und dort Impulse für die Einbindung von Menschen mit Behinderungen zu setzen. Um dabei langfristig planen und arbeiten zu können, wäre es wünschenswert, die städtische Finanzierung der Fachstelle im notwendigen Umfang sicherzustellen. Dann könnten auch wichtige Aufgaben wie Einrichtungsbesuche und Begleitungen oder das Wiederbeleben des Netzwerks Inklusion weiterverfolgt werden. Interview: Marko Junghänel KATHAR I NA J ÜRG E N S, Jahrgang 1994 aus Dortmund, Studium der Sozialen Arbeit (B.A.) in München, Fachbeauftragte für Inklusion, KJR » Ein festes Angebot mit einem Kampfsporttrainer wäre super. (Mädchen, 19)

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