K3 No. 1 - Februar 2022

| 01 | 2022 13 Resilienz und psychische Gesundheit Schwerpunkt Was kann und muss getan werden? Jugendarbeit ist zwar kein therapeutisches Angebot, wirkt aber erwiesenermaßen präventiv. Jugendarbeit setzt an den Stärken der Kinder und Jugendlichen an. Sie schafft mit ihren Angeboten Räume, in denen Heranwachsende einfach „sein“ können. Wir sehen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, dass Kinder und Jugendliche Frei-Räume suchen, die ohne pädagogische Konzepte auskommen. Sie wollen gemeinsam Zeit verbringen, sich selbst erleben. Wie kann man pädagogische Fachkräfte der Jugendarbeit auf diese Situation vorbereiten? Unsere Fachkräfte haben per se die Kompetenz, Veränderungen an Kindern und Jugendlichen festzustellen. Es geht jetzt darum, diese Fachkräfte zu stärken und ihnen Sicherheit zu geben. Letztlich geht es immer um Beziehungsarbeit. Dabei kommt es sehr darauf an, authentisch über eigene Erfahrungen in der Pandemie zu sprechen, eigene Ängste zu artikulieren, sich als role model anzubieten. Das Thema scheint auch in der Politik angekommen zu sein … Im gesellschaftspolitischen Bereich stehen zwei Aufgaben an. Wir müssen darauf hinwirken, dass psychische Erkrankungen entstigmatisiert und die Betroffenen ernstgenommen werden. Zusätzlich müssen sich vor Ort in den Sozialräumen Akteure vernetzen. Es gibt beispielsweise keine Strukturen zwischen Jugendarbeit, Kinder- und Jugendpsychiatrien und den Gesundheitsämtern. Vernetzung ist aber eine zentrale Herausforderung. In der Landespolitik ist das Thema jedenfalls präsent. Der BJR will in diesem Kontext aber auch auf den Zusammenhang zwischen (Kinder-) Armut und psychischer Gesundheit hinweisen. Insofern darf das Interesse der Politik nicht eindimensional sein, sondern muss die gesamte Lebenswirklichkeit von Heranwachsenden beleuchten. Interview: Marko Junghänel I L ONA S CHUHMACHE R, Jahrgang 1977 aus Nürnberg, Diakonin, Soz.Päd. (FH), heute Referentin für Grundsatzfragen und Jugendpolitik der Evangelischen Jugend Bayern. Das Sinus-Institut hat im Oktober 2021 gut 2.000 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren zu ihrem persönlichen Befinden in der Pandemie befragt. Die Ergebnisse können als Bestätigung der Aussagen der Leopoldina gelesen werden, dass viele Kinder und Jugendliche über genug Resilienz verfügen, die Pandemie und ihre Folgen gut zu verarbeiten. Eine relevante Minderheit von rund 30 Prozent gibt jedoch an, dass es ihnen persönlich in der Pandemie schlecht oder sehr schlecht geht. Besonders gut gebildeten Jugendlichen geht es in der aktuellen Situation gut oder eher gut. Sie sind auch diejenigen, die unterdurchschnittlich an Zukunftsängsten leiden. Einsamkeit, Langeweile und Freiheitseinschränkungen sind die Begriffe, die nach Ansicht der Befragten das Leben in der Pandemie am besten beschreiben. Nach Geschlechtern betrachtet zeigt sich, dass vor allen Dingen Mädchen und junge Frauen von unterschiedlichen Ängsten betroffen sind; sowohl die Angst vor Einsamkeit, vor Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung als auch vor einer insgesamt negativen Zukunft belastet Mädchen stärker. Sie berichten auch öfter von schlechtem Schlaf. Das Computerspiel als sozialer Anker Das soziale Umfeld hilft bei der Bewältigung der Corona-Folgen, professionelle Unterstützung spielt fast keine Rolle. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass ein Drittel der jungen Menschen die eigene Familie nicht als Unterstützungsfaktor in der Pandemie benennt. Bei Jugendlichen mit einem niedrigen formalen Bildungsstand spielt die Unterstützung durch den Freundeskreis oder Mitschüler*innen eine deutlich unterdurchschnittliche Rolle, dafür erwähnen sie signifikant häufiger die Unterstützungskraft von Computerspielen.2 Es zeigt sich auch bei Unterstützung durch das familiäre und persönliche Umfeld eine deutliche Schieflage, die jungen Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau erhebliche Nachteile bringt. Dies belegt u.a. die COPSY-Studie des Universitätsklinikums Kinder und Jugendliche leider besonders stark unter den Beschränkungen der Pandemie – spätere Folgen sind noch wenig erforscht. Herausforderungen und Belastungen in der Pandemie Benachteiligungen im Kontext von Corona Sehr bald nach Beginn der Pandemie sind verschiedene Studien den Auswirkungen der Corona-Situation auf jungen Menschen nachgegangen. Mittlerweile liegen viele Ergebnisse vor und zeigen, dass die Auswirkungen einen Teil der Kinder und Jugendlichen und damit auch die Gesellschaft noch lange begleiten werden. Vor allen Dingen diejenigen, die bereits vor der Pandemie von Entwicklungsrisiken und ungleichen Bedingungen des Aufwachsens betroffen waren, werden noch länger mit den psychischen Folgen zu kämpfen haben. Die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina weist darauf hin, dass gerade benachteiligte Kinder und Jugendliche aller Voraussicht nach weniger gut die Belastungen und Defizite, die durch die Pandemie verursacht werden, im Gehirn verarbeiten und die eigenen Resilienz-Kräfte nutzen können.1 Für ohnehin belastete junge Menschen hat die Pandemie die langfristigen psychischen Folgen verschärft. Bild: Anthony Tran auf unsplash.com » Man weiß, welche Personen einem wirklich wichtig sind und etwas bedeuten.

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