K3 No. 1 - Februar 2023

| 01 | 2023 23 Frieden (und Krieg) Schwerpunkt 1) www.mdr.de/sachsenradio/programm/sendungen/ dienstags-direkt-krieg-maennlich-100.html männlich“ im pädagogischen Alltag nachdenken. Der Starke hat nicht mehr Rechte, weil er der Starke ist. Und Menschenrechtsverletzungen bleiben genau das, auch wenn man sie leugnet. Die pädagogische Frage ist: Wie wird man nicht zum Despoten? Wir sollten jetzt nach dem Ursprung im Alltag fragen, der so etwas begünstigt. Es ist der Aufruf zu einer Pädagogik gegen falsche Vorbilder. Wir sehen zurzeit viele Vaterlandsverteidiger und Rückeroberer. Dem gegenüber stehen Frauen in den Fürsorgepositionen in Lazarett-Zelten und beim Schieben von Kinderwägen über Grenzen. Dazu deutlich mehr männliche als weibliche Meinungen auf den üblichen Informationskanälen. Doch wir sehen auch Männer, die den ideologischen Fanatismus nicht teilen und fehlender Vaterlandsliebe bezichtigt werden. „Im Krieg müssen Frauen ihre Kinder zur Welt bringen und versorgen. Sie greifen zur Waffe oder fliehen, um ihre Familie zu schützen […] Oftmals sind Frauen und Kinder diejenigen, die übersehen und überhört werden.“1 – erklärt durch Scheindiplomatie mächtiger Männer, die sich an rein gar nichts halten müssen. Weder in der Ukraine noch in Afghanistan, weder im Iran noch in Syrien. Natürlich gab es eine Margaret Thatcher und auch Mädchen und Frauen haben eine Meinung zum Thema Krieg, die nicht frei von Vorurteilen oder Gewalt ist. Aber Jungs und Mädchen sehen auf eine Welt, in der vor allem Männer die großen Entscheidungen treffen – immer noch. Es sind oft Entscheidungen über Leben und Tod. Jugendliche sind auch woke und suchen letztlich Harmonie. Aber sie sehen, was sie sehen – und vor allem sind sie nicht doof. HE I KO NEUMANN, Jahrgang 1962 aus München, Studium der Sozialpädagogik, Magisterpädagogik und Psychologie. Lehrbeauftragter für Erziehungswissenschaften an der Hochschule München, Einrichtungsleitung Intermezzo Fürstenried, KJR Quellen ■ www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/priorities/ internationaler-frauentag-2022/20190712STO56961/ eu-parlament-engagiert-sich-fur-geschlechtergleichstellung ■ www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/ frauen-in-afghanistan-aufschrei-der-herzen Bundeswehr sucht Nachwuchs – auch in Bildungseinrichtungen Soldaten im Klassenzimmer Der Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, dass Militär- und Sicherheitspolitik keine abstrakten Themen, sondern lebensbestimmend für Alt und Jung sind. Notwendige Expertise zu komplexen Zusammenhängen der Friedens- und Konfliktforschung wird in diesen Tagen vielfach von Militärs in Uniform erläutert – meist in TV-Talkshows, manchmal aber auch in Schulen. Dabei sollten in Kriegs- wie auch in Friedenszeiten in der demokratischen Erziehung die pädagogischen Grundsätze des Beutelsbacher Konsens von 1976 beachtet werden: Um Lernende in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden, gilt ein „Auch die Bundeswehr sollte auf die Anwerbung 17-jähriger Mädchen und Jungen verzichten!“ (Oliver Welke, Moderator und Journalist) Überwältigungsverbot im Klassenzimmer. Gleichzeitig gilt das Gebot der Kontroversität, demzufolge gegensätzliche Ansichten dargestellt und diskutiert werden müssen. Es stellt sich also die Frage, ob speziell ausgebildete Jugendoffizier*innen der Bundeswehr die geeigneten Lehrkräfte für einen sicherheitspolitischen Exkurs im Sozialkundeunterricht sind oder ob der Karriere-Truck der Bundeswehr wirklich auf die Jobmesse – schlimmer noch auf die Spielemesse „Gamescom“ – gehört, wenn die Seite der zivilen Konfliktforschung dabei außen vor bleibt. Friedenspolitische Grundsätze leiten sich aus einem humanistischen Bildungsideal und Menschenbild ab. Sie dürfen nicht von der politischen Konjunktur abhängig sein. So bekräftigte die Bildungsgewerkschaft GEW in einer Resolution gegen den Krieg in der Ukraine: „Die GEW Bayern setzt sich weiterhin für Dialog und friedenspolitische Lösungen ein. Deshalb lehnt die GEW Bayern den Einsatz von Jugendoffizier*innen in Bildungseinrichtungen, wie ihn die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am 7. März 2022 forderte, weiterhin ab. Diese Militärangehörigen sind keine pädagogischen Akteur*innen, sondern treten als Werber*innen für die Bundeswehr auf.“ Bundeswehr raus aus den Klassenzimmern! Die in den letzten Jahren gesteigerte Präsenz von Militärs im öffentlichen Raum wirkt sich nicht nur auf die Rolle von Fachleuten der Bundeswehr in Talkshows oder im Schulunterricht aus. Auch für Hilfsarbeiten werden Soldat*innen vermehrt herangezogen: Ob in der Hochwasser-Hilfe oder zur Mitarbeit in der Schule bei akutem Mangel an Aufsichtskräften. So wurden an einem staatlichen Gymnasium in der Nähe der Bundeswehr-Universität studentische Offiziersanwärter*innen für „eine Art Praktikum“, so Kultusminister Michael Piazolo, defacto als Vertretungslehrkräfte angestellt. Ihr Einsatz erfolgte nach Informationen der GEW vor allem in den Jahrgangsstufen 5 bis 9. Die Rekrutierung von Minderjährigen widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Zu einem Anwerbeverbot bei Jugendlichen unter 18 Jahren haben sich bereits mehr als 150 Staaten weltweit – darunter 23 NATO-Staaten und 21 EU-Länder – verpflichtet. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Bundestags haben die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben. Bisher ohne Erfolg. (Zum Weiterlesen: www.unter18nie.de) MAR K E L LMANN, Studium Diplom-Politikwissenschaft, Assistent der Geschäftsführung beim Bayerischen Landesverband der DGB-Bildungsgewerkschaft, Koordination Bildungsarbeit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern, engagiert in der Friedensbewegung Foto: Netzwerk Friedenskooperative

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