| 02 | 2025 29 So ungerecht! Schwerpunkt Immer noch aktuell: Benachteiligung von Frauen* im Beruf Während Männer* eher Beförderungen erhalten, wird in der Geschlechterforschung von der „Gläsernen Decke“ für Frauen* gesprochen. Der Begriff beschreibt das Phänomen, dass Frauen* trotz gleicher oder besserer Qualifikation aufgrund unsichtbarer Barrieren seltener in Führungspositionen aufsteigen. Geschlechterstereotype führen z.B. dazu, dass Frauen* als weniger durchsetzungsstark wahrgenommen werden (vgl. Koenig et al., 2011). Mütter und Frauen* im gebärfähigen Alter werden oft als „Risiko“ betrachtet, Väter dagegen gelten oft als verantwortungsbewusst (vgl. Correll et al., 2007). Weibliche Sexualität und die gesellschaftliche Doppelmoral Frauen* werden für dasselbe Verhalten verurteilt, das bei Männern* akzeptiert oder sogar gefeiert wird, z.B. die Anzahl der Sexualpartner*innen. Die Doppelmoral hat historische Wurzeln – in patriarchalen Strukturen, die weibliche Sexualität kontrollieren wollten. Problematisch ist auch die falsche Annahme, eine bestimmte Kleidung würde Frauen* vor sexuellen Übergriffen schützen – eine Verschiebung der Verantwortung vom Täter* auf das Opfer. Denn: Die Schuld liegt immer beim Täter*. Natürlich, aber schön – ein ewiger Balanceakt Frauen* wachsen mit unrealistischen Maßstäben auf: Sie sollen „natürlich schön“ sein. Wer viel Make-up trägt, gilt als „künstlich“, wer keins trägt, als „ungepflegt“. Diese doppelten Standards erzeugen Druck, einem Ideal nachzueifern, das unerreichbar ist. Frauen* tragen Make-up aus verschiedenen Gründen: für sich selbst, aus Freude an Ästhetik oder um gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden (manchmal auch alles gleichzeitig). Sie dafür zu kritisieren, bedeutet, einzelne Frauen* für eine gesellschaftliche Problematik verantwortlich zu machen. Dass Frauen* selbst viele Vorurteile gegenüber dem eigenen Geschlecht haben, ist das Ergebnis der Sozialisation in einer stark durch Geschlechterstereotype geprägten Gesellschaft. Man nennt dieses Phänomen: internalisierte Misogynie – verinnerlichte Frauen*feindlichkeit. Es kann schmerzhaft sein, das zu erkennen, denn es bedeutet, sich einzugestehen, dass Gleichberechtigung in der Realität noch immer nicht erreicht ist. Ein Schlüssel zu mehr Gleichberechtigung ist Selbstreflexion – nur, wenn wir unsere eigenen Denkmuster hinterfragen, können wir als Frauen* miteinander solidarisch sein und die Strukturen überwinden. AMELIE SCHNELL, Studium Pädagogik/Bildungswissenschaft (B.A.) und Pädagogik mit Schwerpunkt Bildungsforschung und Bildungsmanagement (M.A.), Beauftragte für Mädchen*, junge Frauen* und LGBTIQA*, KJR Quellen ■ Correll, S. J., Benard, S., & Paik, I. (2007). Getting a Job: Is There a Motherhood Penalty? American Journal of Sociology, 112(5), 1297–1338. ■ Koenig, A.M., Eagly, A.H., Mitchell, A.A., Ristikari T (2011). Are leader stereotypes masculine? A meta-analysis of three research paradigms. Psychol Bull., 137(4), 616-42. ■ Rosenwasser, A. (2021). Internalisierte Misogynie. Die Frauenfeindlichkeit in uns drin. Goethe-Institut e.V., online verfügbar unter: https://www.goethe.de/prj/zei/de/art/22556586.html ■ Wittwer, T.-L. (2022). Drama Queen. Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung. Eden Books. (Un-)Gerechtigkeit und Social Media – am Beispiel von #MeToo Der Gerechtigkeit auf die Sprünge helfen Medien wird eine Wächterfunktion in demokratischen Gesellschaften zugeschrieben … Medien sollen sowohl mit Blick auf politische Organisationen und Prozesse (Parteien und Verfahren) als auch privatwirtschaftliche Organisationen (insbesondere Firmen, aber auch NGOs) und Personen des öffentlichen Interesses Informationen bereitstellen und damit nicht zuletzt ein kritisches Kommentieren ermöglichen. In dieser Sichtweise wird Medien über das Herstellen von Öffentlichkeit das Potenzial zugesprochen, Ungerechtigkeiten zu thematisieren und zur Herstellung von Gerechtigkeit beizutragen. Social Media thematisiert Ungerechtigkeiten Mit dem Strukturwandel der Medien durch das Internet und insbesondere das Aufkommen von Social-Media-Plattformen haben sich die Rahmenbedingungen grundsätzlich verändert. Drei Aspekte können dabei als zentral angesehen werden: Als Akteur*innen können sich nicht mehr primär nur Journalist*innen, sondern potenziell alle am Diskurs beteiligen. Durch die Vervielfachung an potenziellen Stimmen bekommen neue Formen der Aufmerksamkeitssteuerung und dabei insbesondere algorithmische Auswertungsverfahren eine herausragende Bedeutung für die Frage, wer oder was gesehen wird. Und schließlich sind die entsprechenden Plattformen ausschließlich unter privatwirtschaftlicher Kontrolle, was auch deshalb von Relevanz ist, da dadurch keine Transparenz hinsichtlich der eingesetzten Algorithmen möglich ist. Während also die potenzielle Offenheit für Partizipation zu einer größeren Gerechtigkeit der Stimmen im Diskurs beitragen kann, stehen die Notwendigkeit der Aufmerksamkeitssteuerung angesichts der Vielzahl an Stimmen und die privatwirtschaftliche Organisationsstruktur zumindest potenziell im Kontrast dazu. Dennoch sind diese Plattformen Räume und/oder Öffentlichkeiten, um auf Ungerechtigkeiten und Probleme aufmerksam zu machen. Ein prominentes Beispiel ist das Hashtag #MeToo, mit dem auf sexualisierte Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht wurde und wird. Ursprünglich 2017 in den USA gestartet wird das Hashtag mittlerweile global genutzt, wobei es auch ein deutschsprachiges #MeToo gibt – das bereits Gegenstand mehrerer Studien war. Eine davon soll im Folgenden herangezogen werden, um auf Dynamiken und Praktiken hinzuweisen, die relevant werden (können), wenn Social Media genutzt werden, um auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. So ungerecht, dass … » … ukrainische Flüchtlinge sofort arbeiten dürfen im Gegensatz zu anderen (Junge, 13) So ungerecht, dass … » … Palästina so schlimm dargestellt wird in den Medien (Junge, 13)
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