K3 No. 2 - Mai 2025

Dachzeile 26 das kommt | 02 | 2025 So ungerecht! Schwerpunkt Kontrollen im öffentlichen Raum – für alle gleich? Redet zuerst mit uns! Ungerecht – ja oft sogar unbegründet – ist es, wenn Menschen lediglich aufgrund ihrer äußeren Erscheinung häufiger kontrolliert und damit stigmatisiert werden. „Racial Profiling? Das gibt es bei uns nicht!“, so die Antwort einer Mitarbeiterin der Polizei München unlängst bei einer Fachveranstaltung des KJR zum Thema Jugendgewalt. Die andere Seite – die Kontrollierten – sieht das naturgemäß anders, könnte man meinen. Wirklich? Denn so einfach ist die Sache offenbar doch nicht. Werden Männer* tatsächlich häufiger kontrolliert als Frauen*, geraten Menschen mit anderer Hautfarbe öfter anlasslos in Kontrollen von Polizei oder Mitarbeiter*innen der MVG? Oder alles nur Zufall? Nachgefragt in zwei KJR-Freizeiteinrichtungen ergibt sich ein differenziertes Bild. Frauen* sind weniger betroffen Racial Profiling – also ein Agieren von Polizei und Ordnungskräften, bei dem es nicht darum geht, Menschen auf der Grundlage von Verdachtsmomenten zu kontrollieren, sondern deshalb, weil sie eine andere Hautfarbe haben, ein Kopftuch tragen oder mit einem „irgendwie südländischen Akzent“ sprechen. In jedem Fall sehen Heranwachsende darin eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Und … haben sie selbst schon ein solches Verhalten erlebt? Ja und nein. „Ich habe so etwas schon mal bei meinem Bruder mitbekommen“, sagt eine junge Schwarze Frau*. „Aber bei mir noch nie.“ Ein zweites Mädchen* fügt hinzu, dass sie das bestätigen könne. Auch in der U-Bahn werde sie nicht häufiger kontrolliert als andere. Ein junger Mann* meint: „Ich hatte mal so ein Erlebnis, wo ich mich ausweisen musste. Aber ich habe nicht wirklich darauf geachtet, ob es nur deshalb war, weil ich ein junger Mann* bin und nicht so aussehe wie ein typischer Deutscher.“ Also alles in Ordnung – Aufregung, um ein Thema, das keines (mehr) ist? Ortswechsel – eine Einrichtung des KJR im Münchner Osten. „Ich habe das schon oft erlebt. Es passierte erst vor kurzem wieder auf meinem Heimweg. Da standen zwei Mannschaftswagen der Polizei und haben mich kontrolliert. Die haben wohl nach Drogen gesucht, und ich musste sogar meine Hose runterziehen – mitten auf der Straße. Ich glaube, dass meine Hautfarbe der eigentliche Grund dafür war,“ vermutet der junge Mann*. Dazu muss man wissen, dass die Polizei Kontrollen nach Drogen in der Form und in der Umgebung durchführen muss, in der sich die Kontrollierten sicher fühlen. Das ist auf offener Straße ganz sicher nicht der Fall. Solche Kontrollen sollen auch mit Zeugen gemacht werden. „Das passiert aber nicht immer so. Wenn ich allein unterwegs bin, werde ich auch allein und ohne Zeugen untersucht“, so ein anderer Schwarzer Jugendlicher. Er bestätigt, dass er sich in solchen Fällen vollkommen ausgeliefert fühle. Das Problem scheint auch darin zu liegen, dass sich sowohl Polizei als auch Kontrollierende im ÖPNV bei derartigen Stichproben im Ton vergreifen und mitunter beleidigend – mindestens aber respektlos – gegenüber den Jugendlichen sind. Respektvoller Umgang miteinander – in jeder Situation Bei Kontrollen, die die jungen Menschen nicht selten mit ihrem So-Sein ursächlich in Verbindung bringen, bleibt bei allen Befragten ein Gefühl der Unsicherheit. Alle bestätigen, dass sie immer die Vermutung hätten, verdächtigt zu werden: sie könnten Drogen besitzen, sie könnten bei Rot über die Straße gegangen sein, sie könnten keinen Fahrschein haben. „Ich habe sehr oft den Eindruck, dass ich etwas falsch mache. Und das nervt!“, so eine junge Frau*. Kommt dann noch ein Verhalten der Kontrollierenden hinzu, das eher von Distanz- und Respektlosigkeit gekennzeichnet ist, entsteht ein permanentes Misstrauen gegen „die da oben“. Das gipfelt, so die Aussage eines jungen Mannes*, darin, dass Polizist*innen ihnen die Frage gestellt hätten, ob sie denn schwul seien, weil er und ein Bekannter gemeinsam die Straße entlang spazieren würden. Und je länger diese Unterhaltungen mit den jungen Besucher*innen der KJR-Einrichtungen dauern, desto offener und schonungsloser bricht es aus ihnen heraus. „Ich habe einer Freundin in Berlin beim Umzug geholfen“, sagt die junge Schwarze Frau*, die am Anfang meinte, dass sie Racial Profiling oder eine ungerechte Behandlung noch nie erlebt hätte. „Zwei Polizistinnen haben uns kontrolliert und die ganze Zeit englisch mit uns gesprochen, obwohl wir gesagt haben, dass wir deutsch sprechen. Das fand ich extrem komisch. Ich würde jetzt schon sagen, dass es Benachteiligungen geben kann – aufgrund von Alter, von Hautfarbe, Religion oder Sexualität.“ Was aber tun? Die Jugendlichen berichten übereinstimmend, dass sie häufig öffentliche Plätze meiden – lieber in Freizeitstätten gehen, weil sie da nicht Gefahr laufen, kontrolliert zu werden. Und, so der Älteste aus der Gruppe: „Ich lebe echt gern in München. Aber ich wünsche mir, dass die Beamt*innen ein Gefühl dafür bekommen, wie man mit Jugendlichen auf Augenhöhe redet; nicht auf Autorität machen. Die sollen mal kurz Mensch sein, sie sollen uns erklären, was da passiert und warum sie uns kontrollieren; nicht aggressiv, sondern die Situation beruhigen. Dann wäre schon vieles besser.“ Aber auch darin sind sich letztlich alle einige: 80 bis 90 Prozent der Beamt*innen und Kontrolleur*innen sind eigentlich ok … Marko Junghänel aus Lichtenstein, Jahrgang 1968, Kommunikationswissenschaftler und Politologe, seit 2010 Mitglied der Redaktion des „K3“ Rassismus zeigt sich auch darin, ob und warum Menschen aufgrund ihres So-Seins in Kontrollen geraten. Bild: Walid Hamadeh auf unsplash.com So ungerecht, dass … » … Mädchen bei Regelverstößen weniger bestraft werden als Jungen (Junge, 14)

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