| 01 | 2025 19 Schutz vor (sexualisierter) Gewalt Schwerpunkt Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendarbeit Warum braucht es Schutzkonzepte? Sexualisierte und andere Formen der Gewalt gegen Kinder und Jugendliche haben viele Ausprägungen und können überall dort vorkommen, wo diese sich aufhalten – also auch in der Jugendarbeit. Präzise Angaben zur Häufigkeit von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind aufgrund der unzureichenden Datenlage zwar bisher nicht möglich, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht allerdings für die europäische Region von einer Häufigkeit von 9,6 Prozent für sexuellen Missbrauch (Mädchen 13,4 Prozent, Jungen 5,7 Prozent). Statistisch gesehen bedeutet dies, dass es in einer Gruppe von 20 Kindern und Jugendlichen ein bis zwei Betroffene gibt. Alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen also davon ausgehen, dass sie deutlich mehr von (sexualisierter) Gewalt betroffenen jungen Menschen begegnen, als ihnen bekannt ist. Jugendarbeit bietet Nähe und Vertrautheit und zeichnet sich dadurch aus, dass sie jungen Menschen Freiräume bietet, in denen sie weitgehend selbstbestimmt und ohne die Bevormundung durch Erwachsene handeln, Erfahrungen sammeln und ihre Persönlichkeit entwickeln können. Gleichzeitig sollen Kinder und Jugendliche hier bestmöglich vor sexualisierter Gewalt geschützt sein. Schutzkonzepte in der Jugendarbeit sollen … … junge Menschen beteiligen und ihre Rechte schützen … geschützte Orte schaffen und Zugang zu Hilfe ermöglichen … praxistauglich und funktional sein … dabei die Balance zwischen Sicherheit und Freiräumen halten Was sind die gesetzlichen Grundlagen? Neben dem allgemeinen Schutzauftrag in § 1 Abs. 3 Nr. 3 enthält das SGB VIII in den Paragraphen §§ 8a, 8b, 72a und 79a Regelungen zum Schutz (auch) vor sexualisierter Gewalt, welche für die Jugendarbeit relevant sind. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang noch das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und hier insbesondere § 4 Abs. 3 KKG wichtig. Das SGB VIII verwendet den Begriff „Schutzkonzept“ nicht ausdrücklich. Der Begriff kommt aus der Praxis und meint ein Konzept zum Schutz vor (sexualisierter) Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Für Einrichtungen der Jugendarbeit besteht keine Vorlagepflicht für ein solches Konzept, denn sie sind nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB VIII erlaubnisfrei. Unter bestimmten Bedingungen können allerdings Standards der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung vom Jugendamt zur Fördervoraussetzung gemacht werden (§ 74 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Allgemeine, rechtlich verbindliche Standards, Kriterien oder Prozesse für solche Schutzkonzepte gibt es bisher nicht. Welche Bestandteile hat ein Schutzkonzept? Das Schutzkonzept umfasst alle Maßnahmen zum Schutz junger Menschen in der Jugendarbeit vor (sexualisierter) Gewalt und zur Stärkung ihrer Rechte auf Beteiligung und Beschwerde. Schlüsselprozesse der Entwicklung sind Analyse, Prävention, Intervention und Aufarbeitung. Es gibt nicht das eine Schutzkonzept, das für alle passt. Jede Organisation oder Einrichtung ist unterschiedlich, z.B. bezüglich ihrer Angebote, Arbeitsformen, Räumlichkeiten, Zielgruppen etc. Jede weist eigene Schutz- und Risikofaktoren für Übergriffe auf und deshalb braucht es jeweils individuell zugeschnittene Konzepte. Gerade in der Jugendarbeit, die auf Freiwilligkeit, Selbstorganisation und Partizipation Jugendlicher ausgerichtet ist, darf Prävention nicht paternalistisch „von oben herab“ gedacht werden, sondern Schutzmaßnahmen sollen gemeinsam mit den jungen Menschen erarbeitet und an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden. Zur Darstellung von möglichen Elementen innerhalb eines Schutzkonzeptes hat der Bayerische Jugendring die Illustration vom „Schutzbaum“ entwickelt: Es geht dabei nicht darum, alle genannten möglichen Maßnahmen „abzuhaken“, sondern – entsprechend der Analyse – die im jeweiligen Kontext erforderlichen Elemente auszuwählen: „Eine Klärung der Frage, was jetzt gerade wichtig ist, entlastet von dem Gefühl, alle möglichen Präventionsbaustellen in Angriff nehmen zu müssen (nur weil diese in Broschüren und Arbeitshilfen aufgelistet sind)“ Dr. Peter Caspari BEATE STEINBACH, Dipl.-Pädagogin, Sozialbetriebswirtin (TWT-FHM), Fachkraft nach §8a SGB VIII, Referentin der Fachberatung Prätect im Bayerischen Jugendring Schutzkonzept in der Kita Von klein auf Im Kinder- und Jugendhilfegesetz des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) ist der Schutzauftrag geregelt und verpflichtet uns dazu, tätig zu werden, wenn der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorliegt. Kindeswohlgefährdung ist ein sehr komplexes Thema. Es erfordert u.a. Einfühlungsvermögen und eine hohe Aufmerksamkeit. In manchen Situationen mag eindeutig Handlungsbedarf vorliegen, weil die seelische, geistige oder körperliche Gesundheit eines Kindes gefährdet ist, andere Situationen wiederum lassen sich nicht so einfach einschätzen. Die Grundlage dafür, dass jede unserer Kitas ein sicherer Ort für Kinder ist, ist ein wirksames Schutzkonzept. Es ist mehr als nur eine formale Anforderung, sondern die Gewährleistung für das Kindeswohl. In den
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