K3 No. 1 - Februar 2025

| 01 | 2025 17 Schutz vor (sexualisierter) Gewalt Schwerpunkt Schutzkonzepte in der Jugendarbeit Sichere Orte Gewalt ist allgegenwärtig, findet in allen Lebensbereichen statt und zeigt sich in vielfältigen Formen. Körperverletzungen, Demütigungen, Beleidigungen – aber auch Eingriffe in die Intimsphäre ohne Einwilligung oder strukturelle Gewalt sind nur einige Beispiele von vielen. und Haltungen, um Einrichtungen zu Kompetenz- statt zu Tatorten zu machen. Schutzkonzepte sollten daher als konkrete Anwendung der UN-Kinderrechte, Maßnahmen von Organisationsethik sowie als Organisationsentwicklung verstanden werden. Sie sind viel mehr als nur Schriftstücke. Sie sind der organisationale Wandel von Bewusstsein und Wahrnehmung. Sie sind notwendig, um nicht nur schwerwiegende Vorfälle wie sexuellen Missbrauch zu verhindern, sondern auch alltägliche Grenzüberschreitungen und Übergriffe frühzeitig zu erkennen und angemessen zu bearbeiten oder aufzuarbeiten. Sie fördern eine Kultur der Achtsamkeit mit Fokus auf Beteiligung und offener Kommunikations- und Fehlerkultur. Voice, choice, exit Die Entwicklung von Schutzkonzepten in der Jugendarbeit erfordert eine klare Haltung gegen Gewalt, Transparenz und eine kontinuierliche Reflexion von Macht. Das Risiko für Machtmissbrauch ist bei Fachkräften aufgrund des strukturellen Ungleichgewichts erhöht. Im pädagogischen Alltag zeigt sich dies in der Betreuung, bei Entscheidungen über Regeln oder in der Vermittlung von Wissen. Fachkräfte verfügen über unterschiedliche Machtquellen, wie z.B. den ihnen entgegengebrachten Vertrauensvorschuss oder ihren Wissensvorsprung. Hinzu kommt, dass Organisationen generell übermächtig und stärker als die Rechte von Einzelnen sind. Daher ist es entscheidend, die Position junger Menschen zu stärken, sie zu ermächtigen: Junge Menschen haben das Recht, sich Gehör zu verschaffen, ihre Meinung zu äußern und ihre Rechte einzufordern. Dies umfasst auch das Recht auf Beschwerde und darauf, ernst genommen zu werden, wenn sie Veränderungen oder Schutz wünschen. Geeignete Beschwerdemöglichkeiten können ein Schlüssel sein, dass Kinderrechte in der Praxis gelebt werden (voice). Beteiligung setzt aber Wissen und Transparenz voraus. Damit junge Menschen aktiv mitgestalten können, müssen sie stets über ihre Rechte informiert sein sowie dazu motiviert werden (choice) und die Möglichkeit haben, sich jederzeit selbstbestimmt aus unangenehmen, belastenden oder gefährlichen Situationen zurückziehen zu können (exit). Schutz ist kein Selbstläufer Lebendiger Gewaltschutz ist machtsensibel und partizipativ, ohne die Grundsätze der Jugendarbeit zu gefährden oder paternalistisch zu werden. Dieser Schutz erfordert Veränderungen in der Organisation und die Mitwirkung aller, von der Leitung bis zu den Mitarbeitenden. Der entscheidende Moment ist aber, mit dem Thema zu beginnen, da Schutz entsteht, sobald dieser angesprochen wird. Eva von Peter, Sozialwissenschaftlerin Literatur ■ Wolff, Mechthild (2020): Schutzkonzepte als machtsensible und partizipative Lernprozesse. Verfügbar unter: www.awo-ww.de/sites/ default/files/2/dokumente/06032020-Schutzkonzepte-als-machtsensible-und-partizipative-Lenprozesse-neu.pdf (Letzter Zugriff: 02.01.2025) ■ FiPP e.V. (2021): Institutioneller Kinderschutz: Das partizipative Schutzkonzept – Praxishandbuch. Verfügbar unter: www.fippev.de/ fileadmin/IKS-Handbuch/iks_praxishandbuch_web.pdf (Letzter Zugriff 02.01.2025) ■ BJR (2022): Schutzkonzepte in der Jugendarbeit. Verfügbar unter: https://shop.bjr.de/media/pdf/d1/f1/5d/0730_Empfehlung-Schutzkonzepte.pdf (Letzter Zugriff: 02.01.2025) Menschen stark machen gegen Gewalt – lernen, Grenzen zu setzen Gewalt ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen menschlichem Verhalten und sozialen Strukturen. Sie umfasst sowohl individuelle Übergriffe als auch systemische Mechanismen. Häufig stehen der Missbrauch von Macht und das Überschreiten persönlicher Grenzen im Mittelpunkt. Gewalt kann von jedem Menschen ausgehen, in allen sozialen Beziehungen und Lebenslagen stattfinden und ist besonders dort denkbar, wo Machtgefälle bestehen – auch in der Jugendarbeit. Dort kann sie durch professionelle Fachkräfte oder Peers ausgeübt werden. Auch erlebte Gewalt außerhalb der Jugendarbeit kann in diese hineingetragen werden. Die Debatten um Schutzkonzepte wurden durch Fälle von sexuellem Missbrauch in Kirchen, Heimen oder Sportvereinen angestoßen und werden oft darauf reduziert. Viel häufiger jedoch sind alltägliche Grenzverletzungen und Übergriffe, die nicht als solche erkannt werden. Ohne Bewusstsein für diese wird sexueller Missbrauch schwerer deutlich. Fachkräfte sind in der Verantwortung, durch ihr Tun und ihre Haltung einen sicheren Ort zu schaffen und Risiken zu reduzieren. Eine Kultur der Achtsamkeit Es geht um die Etablierung, stetige Weiterentwicklung sowie Überprüfung eines Systems, das Gewalt erkennt, Involvierte adressiert, präventiv wirkt und einen konstruktiven Umgang der Verhinderung beschreibt. Schutzkonzepte kombinieren Maßnahmen, Strategien Bild: Nadine E, unsplash.com

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