15 das kommt | 05 | 2024 das war Ausstellung TUKU TIKANGA in der Galerie 90 Schon das erste Bild macht klar: hier wird Tacheles geredet. „Unsere Generation ist am Arsch“ steht unter dem Portrait einer jungen Frau mit glattem, dunklem Haar und roter Baskenmütze. Es ist das erste Exponat, das Besucher*innen sehen, die die Galerie 90 im 1. Stock der KJR-Geschäftsstelle betreten. 18 Portraits erwarten sie, alle schulterfrei und mit einer markanten Kopfbedeckung. Vom Che-Guevara-Barrett über den Cowboyhut und Federschmuck bis hin zum ausladenden Damenhut, Stil „Pferderennen von Ascot“, ist alles vertreten. Und mit je einer deutlichen Aussage, mal explizit, mal genervt. „Tuku Tikanga“ heißt die Ausstellung, die am 10. Oktober eröffnet wurde – und deren Thema nicht Hutmode ist. Es geht um Kulturelle Aneignung, die immer wieder Diskussionsstoff birgt. Ist es zulässig, als hellhäutiger Mensch die Haut dunkel zu färben – das so genannte Blackfacing – um eine dunkelhäutige Person darzustellen, sei es im Fasching oder auf der Bühne? Oder eignet sich eine fremde Kultur unzulässig an, wer in ein „Indianer“-Kostüm schlüpft? In „Tuku Tikanga“ äußern sich nicht soziologische Fachleute oder leicht entflammbare politische Redner*innen, sondern Jugendliche. Genauer: Jugendliche aus dem Kinderhaus und Jugendtreff Harthof. 30 von ihnen haben erst in Kleingruppen über Fragen wie Teilhabe, Diskriminierung, die eigene Position im sozialen Miteinander und gelebte Individualität diskutiert. Und einige haben sich anschließend vor die Kamera des Fotografen Markus Hirner gestellt. 18 Portraits sind so entstanden, die nun in der Galerie 90 zu sehen sind. Und 18 Statements. „Es gibt keine weißen Menschen. Alle Menschen haben eine Farbe“, zum Beispiel. Die Aussagen spiegeln wider, wie junge Menschen über Kulturelle Aneignung denken und wie wichtig ihnen das Thema ist – oder nicht. „Es gibt ganz andere Probleme für uns, da brauchen wir nicht auch noch die Diskussion“, ist auf einem Exponat zu lesen. Andere bewegt Kulturelle Aneignung sehr wohl. „Nur weil eine Kim Kardashian […] Braids trägt, meinen jetzt alle weißen Mädchen, dass sie es nachmachen müssen. Das ist aber aus unserer Kultur!“ Braids, also die Flechtfrisur aus vielen dünnen Flechtzöpfen, sind gleich zweimal Thema. Was ist in Ordnung, was nicht, und ist es vielleicht „kultureller Austausch und nicht Aneignung“, wie ein weiteres Statement lautet? Die Statement-Portraits geben keine Antworten, aber Anstöße. Und sie sind absolut ehrlich. „Bei uns im Jugendtreff können sich die Jugendlichen frei äußern“, sagt Pädagogin Maro Nikolaidou-Murböck bei der Vernissage, „sie sind nicht in der Schule“. Was nicht auf Anhieb erkennbar ist: Die Aussagen stammen nicht von den jeweils abgebildeten Personen. „Denn nicht alle, die mitdiskutiert und sich geäußert haben, wollten sich fotografieren lassen“, erklärt Nikolaidou-Murböck. Und nicht alle, die vor der Kamera posiert haben, hatten mitdiskutiert. „Wir haben aber Foto und Aussage so kombiniert, dass sie zusammenpassen.“ Der Aussagekraft tut das keinen Abbruch. „Ich finde es gut, dass das Thema mal aus dieser akademischen Nische in den Alltag geholt wird“, sagt eine Besucherin der Vernissage, „diese Ausstellung macht klüger als so mache Diskussion“, ergänzt eine andere. Und alle loben die starken Portraits und den Mut der Jugendlichen. Was aber bedeutet der Ausstellungstitel „Tuku Tikanga“? Nikolaidou-Murböck weiß es: „Eine unserer Jugendlichen hat das eingebracht. Es ist Maori und heißt sowas wie ‚Kulturelle Aneignung‘!“ Die Ausstellung „Tuku Tikanga“ ist bis zum 30. März 2025 in der Galerie 90 in der KJR-Geschäftsstelle, Paul-Heyse-Str. 22, zu sehen, jeweils Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr und Freitag von 9 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung auch für Gruppen nicht notwendig. Gecko Wagner, Öffentlichkeitsarbeit, KJR Von Braids und Blackfacing Die Ausstellung „Tuku Tikanga“ holt die akademische Diskussion um Kulturelle Aneignung in den Alltag – durch Sprache und Portraits von Jugendlichen Keine Antworten, aber Anstöße: Die Portraits und Statements von Jugendlichen aus dem Harthof Manchen wichtig, für andere verzichtbar: Die Auseinandersetzung mit Kultureller Aneignung
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