K3 No. 3 - Mai 2024

| 04 | 2024 37 Veränderte Jugendarbeit Schwerpunkt Trotz aller Unterschiedlichkeit ist der Beweggrund, zum Jugendtreff zu kommen, oft der gleiche: außerhalb vorgegebener Strukturen Gleichgesinnte kennenzulernen. An einem nicht-kommerziellen Ort Freizeit zu verbringen und diese selbst zu gestalten, ihren Blick auf die Welt durch jugendkulturelle Interaktion umzusetzen – die Möglichkeiten, die der Jugendtreff bietet, zu nutzen und mitzugestalten. Im Offenen Treff entstehen offene Angebote wie Peer-to-PeerWorkshops. Hier sind junge Menschen selbst Expert*innen, die diese Angebote in die Breite tragen. Wie gelingt Partizipation? Jugendliche bringen ihre Lebenswelt mit in den Offenen Treff. Hier werden ihre Anliegen unterstützt und umgesetzt. Ihnen stehen Räume und Ressourcen zur Verfügung, Regeln und Strukturen werden gemeinsam festgelegt. Jugendliche sind interessiert an Bildung. Sie erwerben selbständig mediale Kenntnisse, lösen Fragestellungen im Internet, nutzen digitale Kommunikation zur Vernetzung und Umsetzung ihrer Interessen. Sie lernen Musikinstrumente durch gegenseitige Unterstützung, für Aktionen und Events gestalten sie Flyer und Plakate. Und – Jugendliche fordern Platz im öffentlichen Raum ein. Objekte (Fußgängerunterführung), Plätze (Pündterplatz) oder Wände (Münchner Freiheit) werden für ihre Verwendung legitimiert. Jugendliche können diesen Raum für Graffiti-Projekte nutzen und werden Teil des öffentlichen Raums. Das Engagement wird von der Bevölkerung wertgeschätzt und fördert ein positives Bild in der Öffentlichkeit. Die Zeichen der Zeit sind im Offenen Treff stets schnell zu erkennen. Die sichtbar gewordene Offenheit für LGBTIQA*-Themen verlangte nach mehr Platz und Struktur. Im Offenen Treff und bei jugendkulturellen Events waren Mädchen* und junge Frauen* früher in der Minderheit in dominant männlich besetzten Jugendkulturen. Das verlangte nach mehr Unterstützung und Raum für die Zielgruppe. „Girlz4Girlz“-Projekte waren die Folge. Hier unterrichten Mädchen* und junge Frauen* im „Peer-to-Peer-Modell“ in verschiedenen jugendkulturellen Sparten. Es entstand zudem ein safe space. Fazit: Wenn es verstärkt zu gesellschaftlichen Umbrüchen kommt, braucht es neue demokratische Formen der Mitbestimmung. Konzepte müssen neu gedacht und vor allem gemeinsam mit den Zielgruppen erprobt und verändert werden. Fertige Lösungen hierzu stehen in keinem Fachbuch der Pädagogik. Patricia Herzog, Jugendtreff am Biederstein, KJR Selbstöffnung als Mittel zur Attraktivitätssteigerung Partizipation reloaded Durch die Entgrenzung des Jugendalters rücken junge Erwachsene immer mehr in den Fokus der Jugendarbeit. Partizipation ganz praktisch. OK – es macht Arbeit, ist aber ein echter Gewinn für junge Menschen. Freiraum spielt als wichtiger Parameter für den Entwicklungsprozess von Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine große Rolle. Durch verschiedene Prozesse und gesellschaftliche Entwicklungen wird dieser Freiraum jedoch immer mehr begrenzt; Freiraum für die Selbstgestaltung des eigenen Lebens, als Orientierungshilfe, zum Erlernen von sozialen Kompetenzen und zur Ausprägung der Fähigkeit, Verantwortung übernehmen zu können, sind in der Arbeit mit jungen Erwachsenen die Ziele. Vor diesem Hintergrund und als Konsequenz einer Bedarfsanalyse im Sozialraum erweiterte der Freizeittreff (FZT) Au 2023 seine Zielgruppe auf junge Erwachsene bis 27 Jahre und bot diesen die eigenverantwortliche kostenfreie Nutzung von Räumlichkeiten außerhalb der regulären Öffnungszeit an. Eigenes Haus, eigene Verantwortung Grundvoraussetzung und Herausforderung für diese Form der partizipativen Einrichtungsnutzung ist hierbei für die pädagogischen Teams, eine gemeinsame Haltung zu finden. Zu diesem Zweck wurde der Prozess zur Etablierung von Selbstöffnungen durch ein Coaching der Fachstelle Partizipation des KJR München-Stadt begleitet. Wichtige Fragen waren hierbei, inwieweit das Team bereit ist, Macht und Verantwortung zu übergeben, wie viel Vertrauensvorschuss gegeben werden kann oder wie viel Sicherheit wir als Team brauchen. Nicole Syr, Einrichtungsleitung des Freizeittreff Au, plädiert vor allem für eine positive Fehlerkultur: „Was könnte im schlimmsten Fall passieren? Kann ich den Vertrauensvorschuss geben? Können wir es verantworten, die Einrichtung einer kleinen Gruppe für einen begrenzten Zeitraum zu übergeben?“ In regelmäßig stattfindenden Treffen mit der Zielgruppe wird reflektiert: „Was funktioniert gut, wo braucht die Gruppe oder der/die Foto: Freizeittreff Au Foto: Nicolás auf Pixabay

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