K3 No. 3 - Mai 2024

| 04 | 2024 33 Veränderte Jugendarbeit Schwerpunkt Mit der Einführung des schulischen Ganztags stehen die Jugendverbände ab 2026 vor einer Vielzahl an Herausforderungen: Welche Folgen wird es haben, wenn Grundschüler*innen erst um 17.00 Uhr nach Hause kommen? Werden die Kinder dann noch in den Sportverein gehen? Gibt es in den Vereinen Kapazitäten, erst um 18.00 Uhr mit dem Training zu starten? In Ballungsräumen wie München sicherlich nicht. Langfristig müssen wir uns auch fragen: Was wird also passieren, wenn Grundschulkinder keinen Bezug zum Verein aufbauen können? Das könnte letztlich einen dramatischen Mitgliederrückgang mit sich bringen, der sich mittel- und langfristig negativ auf die gesamte Vereinslandschaft niederschlagen wird. Ein Mangel an Sportflächen und ein Wettbewerb um pädagogische Betreuungspersonen kommen hinzu. Fair Play im Umgang mit Vereinssport Wir als Münchner Sportjugend setzen uns dafür ein, dass die Vielfalt unserer Vereinslandschaft erhalten bleibt und wir wollen auch die Vielzahl der ehrenamtlich agierenden Vereine befähigen, Partner auf Augenhöhe im schulischen Ganztag zu werden. Denn Sport im Klassenverband kann nicht die Vielfalt des Sportangebots aller Vereine abbilden. Diese Breite an Sportarten kann im schulischen Kontext nicht dargestellt werden. Zudem würden Bewegungsangebote ausschließlich im schulischen Raum das bestehende Sozialgefüge und damit die soziale Segregation verstärken, während diese in den Vereinen spielerisch aufgebrochen wird. Es liegt daher an uns, dieses Dilemma auf kreative Weise zu lösen – nicht nur im Interesse einer Handvoll Großvereine, sondern im Sinne der gesamten Vielfalt des Vereinssports. Doch leider werden die Sportvereine in dieser Mammutaufgabe weitgehend allein gelassen. Bisher wurde ihre Rolle als bedeutender Bildungspartner in der Gesellschaft kaum berücksichtigt. Deshalb fordern wir als Sportverband eine Neubewertung des Systems Sportverein, das für die ganzheitliche Entwicklung junger Menschen von entscheidender Bedeutung ist. Junge Menschen brauchen einen außerschulischen Bildungsraum, in dem sie ihre Persönlichkeit entfalten und Selbstbestimmung erfahren können. Deshalb werden wir uns in Politik und Verband dafür einsetzen, neben der Einbindung von Sportvereinen in den schulischen Ganztag (Kooperationsmodelle), ebenfalls das Bestehen des „Systems Jugendverband“ zu sichern und die gewachsene Vielfalt von Vereinen und Sozialräumen für junge Menschen zu gewährleisten. Der Sportverein ist viel mehr als Bewegung, aber kein Dienstleister für Schulen. Pascal Lieb, Bildungsreferent/Stellv. Jugendsekretär, Münchner Sportjugend Quo vadis Vereinssport? Keine Konkurrenz zum Ganztag! Trotz Digitalisierung und Prozessoptimierung – der Aufwand für Verwaltung oder Abfragen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Offene Einrichtungen und pädagogische Teams im Wandel Just do it … like we used to! Kerstin Hof ist seit 1992 in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig; Armin Schroth seit 2000. Als Einrichtungsleiterin und Fachbeauftragte Kinder beim KJR die eine – als pädagogischer Mitarbeiter und heute als Abteilungsleiter der andere, blicken beide auf zahlreiche Veränderungen im Arbeitsfeld. Welche Veränderungen habt ihr in all den Jahren besonders wahrgenommen? Kerstin Hof: Im Bereich Kinder hat sich der Einfluss der Eltern deutlich verändert. Wir müssen den Eltern immer wieder klarmachen, dass die Kinder ihre eigenen Räume brauchen, in denen Erwachsene erst einmal nichts zu suchen haben. Wann begann diese Entwicklung? Kerstin: Eine Ursache war sicher Corona. Eltern wollten ihre Kinder behüten. Heute höre ich aus allen Projekten, dass sich die Eltern regelmäßig in unsere Arbeit einmischen. Aber Kinder brauchen eben auch elternfreie Orte. Armin Schroth: Vielleicht hat diese Entwicklung mehrere Ursachen. In Italien wurde irgendwann die Helmpflicht beim Skifahren eingeführt. Man bringt Autos mit 400 PS auf die Straße und erklärt dann den Verkehr als gefährlich. Viele Eltern bekommen ein Bild von der Digitalisierung vermittelt, das ausschließlich von Gefahren besetzt ist. Man suggeriert also, dass die Umwelt potenziell und überall gefährlich für Kinder sei. Statistisch gesehen, bestehen diese Gefahren aber kaum. So entstehen aber omnipräsente Ängste. Kerstin: Ängste sind ein gutes Stichwort. Beim Spielhaus im Alten Botanischen Garten gibt es nun einen Biergarten als Teil einer städtischen Initiative, in diesem Bereich ein positiveres Umfeld zu gestalten. Eltern sorgen sich um ihre Kinder, weil sie fürchten, dass es zu Belästigungen oder gar Übergriffen kommt. Ja – die Gegend hat hässliche Stellen, aber das Spielhaus als offene Einrichtung bietet einen Schutzraum, einen sicheren Rückzugs- und Entfaltungsraum für Kinder. Ich sehe, dass Eltern heute dazu neigen, ihren Kindern den Blick auf die reale Welt vorzuenthalten – aus Angst, es könnte ihnen etwas geschehen Foto: MSJ Bild: Adrian auf Pixabay

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