K3 No. 3 - Mai 2024

Dachzeile 30 das kommt | 04 | 2024 Veränderte Jugendarbeit Schwerpunkt Eine Strategie zur Bewältigung von Polykrisen Weitermachen! Eine Kurz-Analyse der großen Herausforderungen, mit denen sich Kinder- und Jugendarbeit heute konfrontiert sieht, und wie wir ihnen begegnen sollten. wir qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen bzw. selbst qualifizieren? Wie kann Migration so stattfinden, dass keine Verteilungskonflikte entstehen? Wie können wir Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus begegnen? Die COPSY-Längsschnittstudie, die die Auswirkungen der COVID19-­ Pandemie auf die psychische Gesundheit 11- bis 17-Jähriger nachzeichnet, zeigt: Vor der Pandemie war jeder fünfte junge Mensch psychisch belastet oder erkrankt. Jetzt ist dieser Wert auf 25 Prozent angestiegen (vgl. Reiß et al., 2023). Die hier nur angerissenen Herausforderungen bedingen und verschärfen sich gegenseitig. Dieser Umstand wird auch als „Polykrise“ bezeichnet. „Die Welt erlebt derzeit eine sich verschärfende Polykrise, die durch eine Verflechtung und nichtlineare Verstärkung vieler weltweiter Krisen verursacht wird.“ (Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, 2024) Im Folgenden werden einige Ansätze für den Umgang der Kinder- und Jugendarbeit mit diesen komplexen Herausforderungen unserer Zeit skizziert. Denn: Sie lösen bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Mitarbeitenden massive Verunsicherungen aus. Dabei werden die individuelle/pädagogische Ebene, die Organisations-Ebene sowie die jugendpolitische Ebene unterschieden. Ein Diskurs über Lösungsansätze muss an vielen verschiedenen Orten und Gelegenheiten stattfinden. Individuelle/pädagogische Ebene Vorab: Es ist unser aller Aufgabe, uns gegenseitig Mut zu machen. Wir dürfen uns weder von der Polykrise noch von erstarkendem Rechtsextremismus einschüchtern lassen. Wir müssen junge Menschen stärken, sie empowern, sich zu informieren, aktiv zu werden, ihre Ideen und Bedarfe einzubringen, und wenn es sein muss, auf die Straße zu gehen und laut zu werden. Dabei müssen wir insbesondere diskriminierte und strukturell benachteiligte junge Menschen im Blick behalten. Wir müssen uns die Zeit nehmen, selbst seriöse Informationen zu recherchieren und sie entsprechend weitergeben. Gleichzeitig müssen wir ein offenes Ohr haben und uns aktiv in politische Debatten einbringen. Es reicht nicht, junge Menschen zu befragen. Wir müssen sie befähigen, selbst ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen und zu verteidigen (vgl. BMFSFJ, 2020). Nicht zielführend sind Zuschreibungen von Erwachsenen wie „Junge Menschen sollten nicht so überangepasst sein“, „Junge Menschen sollten sich mehr für die Demokratie einsetzen“ und „Junge Menschen sollten nicht so viel Zeit auf Social Media verbringen.“ Denn: Junge Menschen müssen hauptsächlich eins, und zwar jung sein dürfen. Wir müssen unbedingt am Ball bleiben, und auch offen und neugierig die (digitalen) Lebenswelten junger Menschen erforschen und verstehen lernen. Organisations-Ebene Als Organisation müssen wir weiterhin klar und unmissverständlich für unsere Vision und Ziele einstehen. Wir müssen eine faire und demokratische Debattenkultur fördern, Konflikte aushalten und nicht scheuen. Es braucht eine offene und ehrliche Kommunikation aller Verantwortlichen in der Organisation zu den komplexen Herausforderungen unserer Zeit. Wann kommt die nächste Krise? Jugendarbeit muss diese Herausforderungen für junge Menschen aufgreifen Die Welt dreht sich in einem rasanten Tempo: Dieser Artikel entstand unter dem Eindruck, dass gestern noch Joe Biden und Donald Trump um das einflussreichste Amt der Welt kämpften und heute mit Kamala Harris eine Person nominiert wird, die die Hoffnung vieler symbolisiert, dass erstmals eine schwarze Frau Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika werden könnte. Hoffnung und Beängstigung wechseln sich dieser Tage ab: Kriege und bewaffnete Konflikte, wie der Ukrainekrieg und der Krieg im Nahen Osten und das unermessliche Leid der betroffenen Menschen sind nicht nur aufgrund der geographischen Nähe und direkter Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und Wirtschaft, sondern auch durch soziale Medien extrem nah an uns gerückt. Die soziale Ungleichheit und der Kampf um Ressourcen verschärfen sich heute, auch in einer reichen Stadt wie München: Zugänge und Chancen sind extrem ungleich verteilt. Der Klimawandel hat uns fest im Griff, extreme Wetterereignisse sind auch für München und Umgebung keine Seltenheit mehr. „Die 14- bis 17-Jährigen sind besorgter denn je.“ (SINUS-Institut, 2024) Unsere Demokratie sieht sich mit existenziellen Gefahren, wie extremistischen Strömungen, Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus konfrontiert – durch die Wahlergebnisse der letzten Landtags- und Europawahlen auch in Stimmen sichtbarer geworden. Fake News kurbeln das Misstrauen gegenüber Autoritäten und demokratisch gewählten politischen Vertreter*innen an. Der demographische Wandel ist gegenwärtig: die sogenannten Babyboomer gehen in Rente, und es kommen nicht genügend qualifizierte Fachkräfte im sozialen Bereich (wie auch in anderen Branchen) nach. Es beschäftigen uns Fragen rund um das Thema Migration: Wie können Foto: ammy-Sander auf Pixabay

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