| 03 | 2024 29 Politische Bildung und Rechtsruck in der Gesellschaft Schwerpunkt Rechte Propaganda auf Social Media Das Problem der rechten Maustaste Rechtsextreme bzw. rechtsnationale Parteien sind deutlich erfolgreicher und damit einflussreicher auf Social-Media-Plattformen: eine Minianalyse. Zwischen Fact und Fake ist es oft nur ein schmaler Grat – rechtsextreme Parteien und Gruppieren nutzen dieses Momentum für ihre Propaganda besonders intensiv So folgten der AfD auf der Plattform Facebook im Februar 2024 bundesweit mehr als doppelt so viele Menschen (530.000) wie den Linken (240.000) oder beispielsweise der CDU (199.000). Auch in anderen Ländern zeigen rechtsextreme bzw. rechtsnationale Parteien eine ähnlich starke Präsenz und Beliebtheit auf Social Media. Erfolgreich macht sie dabei eine Mischung aus Populismus, Emotionalisierung und Delegitimierung. Der Erfolg der AfD beispielsweise ist das Ergebnis der bewussten Entscheidung der Partei, auf Social Media eine eigene parallele Deutungsstruktur zu etablieren. Vorsätzlich nutzt die AfD soziale Medien, um ihre Perspektive als Wahrheit zu verkaufen und somit Deutungsmacht über Prozesse zu erringen. Sie pushen dort ihre eigenen Narrative, sie setzen Diskursimpulse und beeinflussen das, was für sie (ir-)relevant und (noch) sagbar ist. Rechtsextreme Parteien erreichen viele junge Menschen Laut dem deutschen Politikberater Johannes Hilje, der mit dem Buch „Propaganda 4.0“ dazu eine umfassende Analyse veröffentlicht hat, erreichten die Tiktok-Videos des offiziellen Kanals der AfD-Bundestagsfraktion zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 durchschnittlich 430.000 Menschen pro Video. Im Vergleich dazu kam die FDP auf rund 53.000 Impressionen, während die restlichen Parteien noch weiter zurücklagen. Damit verschieben sich der politische Diskurs und die gesellschaftspolitischen Perspektiven, die auf diesen Plattformen verhandelt werden, deutlich wahrnehmbar nach extrem rechts – ohne Alternativen. Die Gründe für diese Dominanz rechtsextremer bzw. rechtsnationaler Parteien auf Social Media sind vielfältig. Der digitale Raum wird von ihnen intensiv genutzt, indem einerseits regelmäßig und häufig entsprechende Inhalte gepostet werden: Einzelne Politiker*innen der AfD veröffentlichen oft mehrmals am Tag Beiträge, um ihre Zielgruppen kontinuierlich anzusprechen und zu mobilisieren. Die Grundstruktur ist dabei stets dieselbe: Es werden einfache Lösungen ohne Umsetzbarkeitsanspruch auf komplexe Sachverhalte angeboten und zudem emotional aufgeladene Botschaften verbreitet. Diese Taktik ist darauf ausgelegt, die Zielgruppe direkt anzusprechen und sie zu radikalisieren, indem man ein starkes „Wir-gegen-die-Gefühl“ erzeugt. Ob mit „den anderen“ etablierte politische Strukturen, vermeintliche feindliche Mächte oder als bedrohlich dargestellte Gesellschaftsgruppen gemeint sind, ist unerheblich bzw. bleibt in der Regel unerklärt. Propaganda aus dem politisch extrem rechten Spektrum verliert dabei keine Zeit mit Faktenchecks oder anderen journalistischen Grundprinzipien – Meinung und Polemik sind wichtiger als Wahrhaftigkeit oder gar Objektivität. Dabei werden häufig auch (KI-generierte) diskriminierende Bilder verwendet, die eine Belegbarkeit der Thesen suggerieren. Berichterstattung aus politischen Gremien wird mit persönlichen Botschaften, Meinungen und Behauptungen vermischt. So wird eine scheinbare Authentizität geschaffen – zudem Akzeptanz und Identifikation. Dabei ist es immer Strategie extrem rechter Online-Propaganda, sich auf eine gemeinsame „Wir-Identität“ zu beziehen. Diejenigen, die als fremd oder anders dargestellt werden, werden ausgegrenzt, abgewertet und oft sogar bedroht. Der Versuch, komplexe und oft globale Themen wie die Klimakrise, Migrationsbewegungen und kriegerische Konflikte durch vereinfachende Denkmuster zu erklären, ist weltweit erfolgreich unter populistisch agierenden Parteien und Gruppierungen; vor allem durch Propaganda in sozialen Medien, die dazu führt, dass sich Menschen in regelrechten Online-Parallelgesellschaften bewegen. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump – der als Social-Media- und Populismus-Experte gelten muss – ist erst im Juni 2024 Tiktok beigetreten. Nach nur 24 Stunden folgten bereits über 1,2 Millionen Menschen seinem Account – mehr als dreimal so viele wie bei seinem Konkurrenten Joe Biden, der schon seit Monaten auf Tiktok Videos ausspielt. Social Media zum Raum der Demokratie machen Die AfD hat sich in Deutschland als medienprofessionelle Partei etabliert, die ihre Follower*innen offenbar genau kennt und gezielt mit passenden Videos und Kampagnen steuert. Diese Strategien beeinflussen Meinungen, Sprache und das Sagbare in der Gesellschaft. Ein Beispiel dafür sind Videos von jungen Menschen auf Sylt, die zu einem Party-Hit rechte Parolen grölen. Solche Vorfälle verwundern kaum noch, wenn man bedenkt, wie geschickt die AfD rechtes Gedankengut über Social Media in den vorpolitischen Raum platziert. Dadurch wird das Sagbare immer weiter an den extrem rechten Rand des politischen Diskurses verschoben, Debatten werden damit bestimmt und dominiert, und dies alles in leicht verdaulichen, kurzen Häppchen. Die rechtsextreme und rechtsnationale Propaganda auf Social Media stellt eine ernsthafte Herausforderung für die demokratische Kultur dar. Die hohe Reichweite und das Engagement rechter Parteien auf diesen Plattformen zeigen, wie effektiv und gezielt sie diese nutzen, um ihre Botschaften zu verbreiten und ihre Anhängerschaft zu mobilisieren. Für die Pädagogik muss Social Media und der Umgang mit den dort gespielten Inhalten einen deutlich größeren Raum einnehmen, wenn wir junge Menschen und uns selbst besser rüsten wollen. Wir brauchen als Gesellschaft mehr Wissen und Werkzeuge und eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit und in diesem sozialen Raum. Das Internet und soziale Medien sind ein wichtiger und ernst zu nehmender Teil unseres Alltags – nutzen wir das im Sinne der Stärkung der Demokratie! Laura Pulz, Fachstelle Demokratische Jugendbildung, KJR Foto: charlesdeluvio auf Unsplash
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