K3 No. 3 - Mai 2024

Dachzeile 28 das kommt | 03 | 2024 Politische Bildung und Rechtsruck in der Gesellschaft Schwerpunkt Wenn sich Politik radikalisiert ... In einigen Ländern (in Europa, aber auch woanders) erleben wir, dass „rechtsgerichtete“, nationalbewusste Parteien größeren Zuspruch erhalten und teilweise die Regierung bilden. Wir haben junge Erwachsene aus unseren Freizeitstätten103er und Intermezzo gefragt, was das bei ihnen bewirkt und ob sie Befürchtungen haben, dass sich solche Mehrheiten auch in Deutschland durchsetzen werden … „Ich habe etwas Angst, dass bei einer Regierungsbildung einer solchen Partei in Deutschland für mich und meine Freunde und Familie krasse Einschränkungen durchgesetzt werden.“ (Eli, 19 Jahre) „Wenn die Menschen ihre Meinung nicht mehr frei sagen dürfen, dann macht mir das Sorgen.“ (Selin, 24 Jahre) „Angst oder Befürchtungen habe ich keine, obwohl es in einigen Bundesländern durchaus realistisch sein kann, dass diese Parteien immer mehr Wähler gewinnen. Allerdings beruhigt es mich gleichzeitig, wie viele Anti-Rechts-Veranstaltungen es jetzt schon gibt und in der Zukunft geben wird. Die Rechten werden zwar mehr, aber die Gegenstimmen werden es auch und das ist richtig und wichtig.“ „Personen, die AfD oder ähnliches wählen, haben sich nicht wirklich damit beschäftigt, was doof ist. Oder sie sind tatsächlich kleine Nazis, was auch doof ist. Ganz nach Bela B: doof bleibt doof, da helfen keine Pillen, nicht beim allerbesten Willen.“ Reden über Beteiligung Kann Schule demokratisch? „Wie sollen wir Demokratie erlernen, wenn wir nicht mitreden dürfen?“ – einer der vielen Sätze, der auf einer Podiumsdiskussion der StadtschülerInnenvertretung (SSV) zu dem Thema „kann Schule demokratisch sein?“ gefallen ist. Wie sieht der Weg zu mehr Teilhabe aus? Zwischen Stadtschulrat, BLLV-Vertreter und einer Schulrektorin saß Hans Cahn, Schüler des Pestalozzi-Gymnasiums, und erläuterte, dass gewisse Schulstrukturen undemokratisch seien und negative Folgen für die Demokratie mit sich brächten. Wie skizzieren also Schüler*innen den Weg hin zu mehr Demokratie im Schulalltag? Vorab die wichtigste Erkenntnis seitens der SchülerInnenvertretung: Die Macht liegt bei den Schulen. Notenvergabe, Entscheidungshoheit im Schulalltag, Lehrplan, Schulhierarchie. All diese Komponenten führen zu weniger Mitbestimmung und zu mehr Top-down. Diese Faktoren können zwar aufgeweicht, aber wahrscheinlich nicht abgeschafft werden. Und selbst kleine Veränderungsmöglichkeiten von starren Lehrsystemen liegen im Zweifel nicht in der Hand der Schüler*innen. „Die Schulen, die Politik, die Entscheider*innen müssen die Weichen stellen, sie sind in der Bringschuld!“, so Hans Cahn während der Podiumsdiskussion. Dieses Machtgefälle beschreibt auch seine Folgefrage: „Wie kann Schule demokratisch sein, wenn der größte Teil der Schulfamilie am wenigsten zu sagen hat?“ Die Antwort auf diese Frage gibt Stadtschulrat Florian Kraus. Er betont, dass das hierarchische Konstrukt Schule samt Notenvergabe nie vollständig partizipativ sein können wird. Dennoch kann Schule demokratischer werden – darauf konnte sich schließlich das Podium verständigen. Die einzelnen Bereiche sind vielseitig, das Potential zur Verbesserung scheint endlos zu sein. Mitbestimmung bei der Unterrichtsgestaltung und Themenschwerpunktsetzung, Selbstbestimmung bei Hausaufgaben, keine unangekündigten Leistungsnachweise oder eigene Projekte außerhalb des Unterrichts sind hierfür Ansatzstellen. Nehmt uns ernst! Doch bevor kreative Partizipationsmodelle ausprobiert und viel Geld in Vorzeigeprojekte investiert werden kann, müssen an allen Schulen die Grundlagen der Partizipation funktionieren. Schüler*innenräte, eine funktionierende SMV samt Räumlichkeiten und finanzieller Handlungsspielräume und eine konstant tragfähige Kommunikationsstruktur zwischen Schulleitung und Schüler*innen sind essentiell für funktionierende Partizipation. Diese Grundlagen sind aber nicht überall Standard, werden unterschiedlich ausgelegt und führen dadurch zu weniger Bildungsgerechtigkeit, politischer Bildung und letztlich zu weniger schulübergreifender Meinungsbildung. Zu dieser Erkenntnis gelangt auch die StadtschülerInnenvertretung. Denn auch dort hängen funktionierende SMV-Strukturen und ein Engagement bei der SSV zusammen. Welche Schulen beteiligen sich regelmäßig bei unseren Aktionen, welche Schulform hat mehr Möglichkeiten, wo wird schulisch mehr gefördert? Eine Diskrepanz zwischen den Schulformen und einzelnen Schulen gleicher Schularten in München ist erkennbar. Diese wichtigen Stellschrauben gilt es zu drehen, um eine „Grundversorgung“ an struktureller Partizipation an Schulen zu gewährleisten. Ohne geht’s nicht. Zurück zu Hans: zum Abschluss der Podiumsdiskussion wird er gefragt, ob – mit Blick auf den Ausgang der U18-Wahl – in der Schule die Demokratiefeindlichkeit ansteigen würde. Zwei Sachen gehen ihm durch den Kopf: Scheindemokratie und Demokratiebildung. Er beschreibt die Wahlen an Schulen als prinzipiell gute Möglichkeiten, Demokratie zu erleben. Jedoch fehlen meistens der nötige Vorlauf und die Vorbereitung zu diesen Wahlen. „Welche Wirkung hat meine Wahlentscheidung? Was entscheide ich mit? Nichts.“ Welche Erkenntnisse bleiben also von der Podiumsdiskussion über Demokratie an Schulen? Vielleicht, dass junge Menschen sehr wohl und sehr früh verstehen, ob und wie sehr sie wirklich was zu sagen haben – oder eben auch nicht. Es bleibt der Appell: Hört auf die Betroffenen, nehmt ihre reflektierten Gedanken ernst und nutzt eure Macht in Strukturen, um sie nachhaltig zu verändern. CHRISTOPH ARZ, geb. 1996 in Altötting, Studium Politikwissenschaften, hauptamtlicher Leiter der StadtschülerInnenvertretung München, KJR

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