Dachzeile 18 das kommt | 03 | 2024 Politische Bildung und Rechtsruck in der Gesellschaft Schwerpunkt Non-formale politische Bildung in der OKJA Vom Subjekt in der Gemeinschaft Die gesetzliche Verankerung von Jugendarbeit weist auf ihren politischen Bildungsanspruch hin: Sie soll „… an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen.“ (§11 Abs. 1 SGB VIII) und Partizipation (vgl. z.B. Dubiski et al. 2021), abgeleitet. Ziele einer so verstandenen politischen Bildungsarbeit sind „die Entwicklung von Urteilskraft, Kraft zur Reflexion und Handlungsfähigkeit in und gegen soziale Bezüge und gesellschaftliche Verhältnisse“ (Wenzler/Kusber 2024, S. 374). OKJA als Ort non-formaler politischer Bildung Die Besonderheiten der OKJA als Ort non-formaler politischer Bildung liegen u.a. darin, dass sie sich als Ort der Jugendkultur, z.B. des ‚Chillens‘ (Mengilli 2022), oder als ‚dritten Ort‘ (Oldenburg 2023) im Alltag junger Menschen neben Familie und Schule beschreiben lässt. „Frei(e) zeit und zweckfreie Kommunikation, Spaß, Geselligkeit und Nichtstun“ (Wenzler/Thimmel 2021, S. 76) werden in der OKJA anerkannt. Gleichzeitig können Fachkräfte hier junge Menschen in der Erfahrung von Selbstwirksamkeit hinsichtlich der Gestaltung der Verhältnisse, die sie in ihrem Alltag umgeben, unterstützen: Durch die GEBe-Methode können Themen der Kinder und Jugendlichen aufgegriffen und gemeinsam mit ihnen als politische Bildungsgelegenheiten bearbeitet werden (Sturzenhecker et al. 2015-2020). So kann Kinder- und Jugendarbeit auch durch junge Menschen selbst gestaltet werden und die Erfahrung demokratischen Handelns, Demokratiebildung, wird möglich (vgl. Sturzenhecker/Sting 2021, S. 686 f.). Dies kann sowohl auf Einrichtungsebene als auch darüber hinaus stattfinden, z.B. durch „Sichtbarwerdung und Sprechfähigkeit in öffentlichen Debatten im Stadtteil oder […] subversive[n] Verfahren der politischen Einmischung“ (Wenzler/ Thimmel 2021, S. 80). Hinzuzufügen ist, dass Kinder und Jugendliche im Sinne eines weitgefassten Politikbegriffs bereits alltäglich politisch denken, sprechen und handeln, dies aber häufig so nicht benennen (vgl. Schlindwein/Thomas 2021, S. 1324). Das Erkennen politischer Dimensionen in Äußerungen und Handlungen erfordert aufseiten der Fachkräfte einen Wissensbestand über politische Ereignisse und ihre historischen Hintergründe, welcher sich als politische Informiertheit (Thimmel 2022) fassen lässt. Außerdem wird non-formale politische Bildung in der OKJA, neben ihrem Aufscheinen in Alltagssituationen oder Partizipationsstrukturen, innerhalb von arrangierten Settings (z.B. Projekttagen) umgesetzt (Becker 2022). Gesellschaftspolitische Einflüsse Krisen der Gegenwart sind von Bedeutung für non-formale politische Bildung in der OKJA, z.B. bzgl. ihrer Inhalte und Kontexte: „Alltagsrassismus und Antisemitismus, Verschwörungserzählungen, Homo- und Transfeindlichkeit, Antifeminismus, extrem rechte Haltungen oder religiös und nationalistisch begründete Radikalisierungen sind Themen, mit denen sich sowohl junge Menschen in ihrem Alltag als auch Jugendarbeiter*innen auseinandersetzen müssen.“ (Wenzler/ Thimmel 2021, S. 73) Die in Krisen, etwa der Klimakrise oder Kriegen, verschärften Ungewissheiten und Ungleichverteilungen gehen mit Konflikten, Delegitimierungen von zivilgesellschaftlichen sowie demokratischen Organisationen und einer Zunahme von Populismus, Verschwörungsmythen sowie Ungleichwertigkeitsideologien einher. Non-formale politische Bildung kann auf eine kritische Auseinandersetzung mit diesen gesellschaftlichen Entwicklungen und ein Stärken bzw. Weiterentwickeln demokratischer Räume in dieser Situation hinwirken. (vgl. ebd., S. 73 f.) Es lässt sich eine „Politikimmanenz“ von non-formaler politischer Bildung nachzeichnen, wie sie auch allgemein für die Soziale Arbeit festgestellt wird (vgl. z.B. Rieger 2013, S. 60): Non-formale politische Bildung wird von Politik beeinflusst und fördert gleichzeitig politische Selbstbestimmung und Einmischung, wodurch sie auch über politikgestaltende Momente verfügt. Offen für alle – neugierig auf alles: Die Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit Dieser Beitrag befasst sich mit non-formaler politischer Bildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA). Settings und Felder Unter non-formaler Bildung sind pädagogische Settings zu verstehen, an denen freiwillig teilgenommen werden kann und in denen sich Bildungsprozesse entfalten können. Die Handlungsfelder non-formaler Bildung erstrecken sich von OKJA bis hin zu stärker strukturierten Feldern, z.B. internationaler Jugendarbeit, und sind insgesamt der Sozialpädagogik bzw. der Sozialen Arbeit zuzuordnen. Curricula und Zertifikate spielen je nach Feld eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Non-formale Bildung grenzt sich also von schulischen Bildungsnarrativen und arbeitsmarktorientierten bildungspolitischen Paradigmen ab. Organisationen und Einrichtungen non-formaler Bildung stellen Ressourcen (z.B. Räume, Materialien, Methoden) zur Verfügung und schaffen Gelegenheiten sowie Unterstützungsstrukturen für Bildungsprozesse. (vgl. Wenzler/Thimmel 2021, S. 74 f.) Ziele und Prinzipien Non-formaler Bildung geht es um die Ermöglichung kritischer Auseinandersetzung von Menschen mit sich selbst in der Welt. Sie versteht sich als kollektiver und zugleich subjektorientierter, erfahrungsbasierter und partizipativer Prozess. Theoretische Bezüge sind u.a. die Subjektbildung (Scherr 1997), die transformatorische Bildung (Koller 2018) und die soziale Bildung (Sting 2010), durch die sich eine Orientierung an Autonomie und Emanzipation begründet. Hieraus werden Prinzipien non-formaler Bildung, z.B. Freiwilligkeit, Ergebnisoffenheit Foto: Jeremy Thomas auf Unsplash
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