K3 No. 2 - Mai 2024

| 02 | 2024 25 Gendersensible Jugendarbeit Schwerpunkt Nie nur eins Ich verlasse das Haus, bin nie nur eine Frau. Ich verlasse das Haus, bin nie nur Schwarz. Ich verlasse das Haus als Schwarze Frau. Ich bin nie nur Schwarz. Nie nur Frau. Ich verlasse das Haus als Schwarze Frau. Ich bin nie nur eins. Wenn Du von mir verlangst, meinen Kampf nur feministisch zu führen – Wo bleibt mein Schwarzsein? Wenn Du von mir verlangst, meinen Kampf nur antirassistisch zu führen – Wo bleibt mein Frausein? Ich entscheide mich nicht für einen Teil. Ich entscheide mich für alle Teile. Ich bin kein Teil. Ich bin ganz. Ich bin eine Schwarze Frau. Gedicht von Aminata Touré (Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senior*innen, Integration und Gleichstellung von Schleswig-Holstein, Bündnis 90/Die Grünen) 1) vgl. www.lightup-movement.de/heroes/truth 2) vgl. „Là où l’Européenne se plaint d’être doublement opprimée, la Négresse l’est triplement. Oppression de par son sexe, de par sa classe, et de par sa race. Sexisme – Racisme – Existence de classes sociales (capitalisme, colonialisme ou néo-colonialisme).“ (Thiam 1978, p. 160) 3) vgl. www.50-50magazine.fr/2020/04/10/ndeye-fatou-kane-jevoudrais-insister-sur-la-pluralite-du-feminisme-en-afrique/ 4) vgl. https://greenwashingeconomy.com/a-quoi-ressemble-le-feminisme-en-afrique/#:~:text=L‘intersectionnalité*%2C%20l‘,sentent%20bienvenues%20en%20son%20sein 5) Genau genommen ist Intersektionalität ein Analyseschema, das vor allem in den Gender Studies (und im Aktivismus) verbreitet ist und auch in den Postcolonial und Decolonial Studies Einzug findet 6) vgl. https://open.spotify.com/episode/2p4qQVCpAswwedDJ10mFil 7) vgl. https://open.spotify.com/episode/5YQLQVWkp5eqEP0SIWm01M 8) vgl. https://taz.de/Debatte-weisser-Feminismus/!5867137/ 9) Als weiße Frau schreibe ich diesen Beitrag zu Schwarzem Feminismus mit dem Ziel, mein Privileg und meine Rolle als Abteilungsleitung beim KJR München-Stadt zu nutzen, um das Thema in meinem Radius publik zu machen. Es ist mir wichtig dabei klarzustellen, dass ich nicht die Deutungshoheit zu diesem Thema besitzen möchte. Ein Plädoyer für die Menstruation als Gegenstand von Jugendbildung Menstruation matters Die Natur des Themas Menstruation fordert mich geradezu auf, in den folgenden Text einige persönliche Anekdoten einfließen zu lassen. Denn: das Private ist oft höchst politisch. Vor zwanzig Jahren menstruierte ich zum erste Mal. Obwohl ich die Bedeutung der braun-roten Flecken in meiner Unterhose kannte, war ich sprachlos und wusste nicht, was ich tun sollte. Heute weiß ich, Noch immer gibt es Unwissen und Scham beim Thema Menstruation – das muss und kann Jugendbildung ändern dass es vielen jungen Menschen so ergeht: Einer 2022 veröffentlichten Studie1 zufolge fühlten sich etwa drei Viertel der Menstruierenden in Deutschland bei ihrer ersten Menstruation beunruhigt, überfordert oder hilflos. Vor acht Jahren blutete ich in meine weiße Arbeitshose und wäre am liebsten im Boden versunken. Heute weiß ich, dass ich mit meiner Scham nicht allein bin: Für nahezu 100 Prozent der Befragten der oben genannten Studie ist das Durchbluten mit enormen Schamgefühlen verbunden. Vor zwei Wochen menstruierte ich auf einer Berghütte. Es gab in der gesamten Toilette keinen Mülleimer, wo ich meinen Tampon entsorgen hätte können. Ich war wütend und hätte ihn am liebsten der Wirtin unter die Nase gehalten. Denn heute weiß ich: Dass ich angesichts meiner ersten Menstruation überfordert war, mich immer wieder für meine Menstruation schäme und viel zu oft vor der Frage „wohin nun mit dem blutigen Tampon?“ stehe, ist nicht mein persönliches Versagen, sondern vor allem ein strukturelles Problem. Raus aus der Scham-Ecke! Vom Alten Testament über die Medizin des frühen 20. Jahrhunderts bis zu aktuellen Werbekampagnen für „Hygieneprodukte“ zeigen sich dieselben Motive: Die Menstruation gilt als unrein, gefährlich und einschränkend2. Diese jahrtausendealte Stigmatisierung und Tabuisierung ist bis heute in subtiler(er) Form wirkmächtig und führt dazu, dass Menstruierende Einschränkungen und Benachteiligungen auf verschiedenen Ebenen erleben. Es gilt als gesellschaftlicher Konsens, dass die Menstruation versteckt werden muss. Um dieser Norm zu entsprechen, betreiben Menstruierende jeglichen Alters emsig Menstruationsmanagement: z.B. führen sie Tampons möglichst diskret mit sich oder verzichten auf Schwimmen und Sex. Anstatt die Menstruation beim Namen zu nennen, werden Begriffe wie „Erdbeerwoche“ oder „die Tage“ verwendet – letzteres auch oft in Verbindung mit abwertenden Kommentaren. Bild: Jonathan Borba auf Unsplash

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