Dachzeile 22 das kommt | 02 | 2024 Gendersensible Jugendarbeit Schwerpunkt Sichtbar sein – wirkmächtig sein; das trägt zur Sensibilisierung und Aufklärung bei Gendersensible Jugendarbeit im Verband diversity München Schützen und stärken diversity München ist eine LGBTIAQ* Jugendorganisation. Wir betreiben ein Jugendcafé und ein Jugendzentrum und bieten niedrigschwellige Angebote für lesbische, schwule, bisexuelle, asexuelle, aromantische, nicht-binäre, trans* sowie HIV-positive Jugendliche und junge Erwachsene. Entstanden ist der Verein vor über 30 Jahren, als sich verschiedene ehrenamtliche Gruppen und Projekte zusammengeschlossen haben. Seitdem sind wir stetig gewachsen und bestehen aktuell aus 14 Gruppen und Projekten. Unser Angebot reicht von Freizeitaktivitäten wie Kochen oder Schwimmen über Freizeitfahrten und Partys bis zu Bildungsveranstaltungen und Beratungsangeboten für queere Jugendliche und junge Erwachsene. Gestaltet und durchgeführt werden die Angebote vom ehrenamtlichen Team nach dem Peer-to-Peer-Ansatz. Das heißt, die Gruppenleitungen haben die gleiche Identität wie die Besuchenden und sind auch unter 27 Jahre alt; sie sind also selbst Teil der Zielgruppe. Das eigene Erfahrungswissen zur Lebenssituation der Zielgruppe und ihren Bedürfnissen ermöglicht es, den Raum zu gestalten, den die Gruppe gerade braucht. Zudem nimmt man für jüngere Personen und Personen, die noch neuer in der Community sind, eine Vorbildfunktion ein. Queere Jugendliche erkennen damit nicht nur schmerzhafte Lebenssituationen von queeren Personen, sondern auch alltägliche Lebenssituationen von anderen queeren Personen wie beispielsweise Stress in Uni oder Ausbildung, erste Beziehungen und Ausziehen aus dem Elternhaus unter dem Blickwinkel queer-spezifischer Facetten. Offenheit und Schutz Viele Ehrenamtliche waren früher selbst Besuchende derjenigen Gruppen, die sie leiten, und wollen anderen die Räume und Möglichkeiten eröffnen, die für sie selbst so wichtig waren. Außerdem lernt man beim Ehrenamt viel dazu und übernimmt verantwortungsvolle Positionen, zu denen vor allem viele queere Jugendliche keinen Zugang bekommen hätten. Als selbstverwaltete Jugendorganisation tragen wir Verantwortung im Ehrenamt und werden von einem ebenfalls ehrenamtlichen Vorstand, bestehend aus unter 27-Jährigen, geleitet. Eine der wichtigsten Erfahrungen, die diversity den Besuchenden und Ehrenamtlichen gibt, ist das Gefühl von Zugehörigkeit zur Community – das Gefühl, so akzeptiert zu werden, wie man ist, und in niederschwelbenswelten queerer Jugendlicher. Insgesamt zielt eine queersensible Jugendarbeit darauf ab, inklusive und respektvolle Räume zu schaffen, in denen alle Jugendlichen die Möglichkeit haben, sich selbst zu entfalten; unter Berücksichtigung ihrer verschiedenen Identitäten und der damit verbundenen Herausforderungen. Mittels Betrachtung durch eine queersensible, intersektionale Brille, ergeben sich einige konkrete Konsequenzen für Fachkräfte in der Jugendarbeit: 1. Bewusstsein für Vielfalt und Inklusion: Fachkräfte sind sich ihrer eigenen Vorurteile, Privilegien und unreflektierten Annahmen bewusst. 2. Reflexion und Selbstkritik: Fachkräfte reflektieren regelmäßig ihre eigenen Haltungen, Vorurteile und Verhaltensweisen. 3. Sensibilität für Diskriminierung und Ausgrenzung: Fachkräfte erkennen Diskriminierung und Ausgrenzung und reagieren angemessen darauf. 4. Fortbildung: Fachkräfte nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil, um ihre Kenntnisse über geschlechtliche, sexuelle und romantische Vielfalt sowie intersektionale Perspektiven zu erweitern. 5. Unterstützung und Empowerment: Fachkräfte unterstützen Jugendliche, insbesondere diejenigen, die einem höheren Risiko von Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt sind; Anerkennung der Selbstbestimmung der Jugendlichen. 6. Netzwerkbildung: Fachkräfte nutzen bestehende Netzwerke und kooperieren mit Organisationen, die sich für Vielfalt und Inklusion einsetzen. Reflexion des eigenen Handelns An dieser Stelle schließe ich mich Groß und Nachtigall (2022) an. Sie „plädieren für eine feministisch_heteronormativitätskritisch_ queer_intersektional_solidarische Soziale Arbeit, die Binnendifferenzen ernst nimmt, ohne gemeinsame Betroffenheiten zu negieren, die Ungleichheiten wahrnimmt, ohne punktuelle Privilegierungen zu leugnen, die Schutzräume bereitstellt und aushandelt, ohne sie zu starren Identitätsschablonen gerinnen zu lassen. Für eine so verstandene Soziale Arbeit brauchen wir selbstreflexive Fachkräfte und Wissenschaftler*innen, die Ambivalenzen gestalten, statt sie nur auszuhalten und strategisch situativ auf die spezifischen Bedarfe reagieren, die sich im Konkreten zeigen.“ ANNE RIMBACH (keine Pronomen), Studium und Promotion zu Queerness in der jugendkulturell geprägten Hardcore-Szene, derzeit Landeskoordination von SCHLAU Schleswig-Holstein, zuvor wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Quelle: Groß, Melanie/Nachtigall, Andrea (2022): Differenzen im Jugendalter weiterdenken. Queer-feministisch-intersektionale Perspektiven auf Jugendforschung, Jugendarbeit und Schulsozialarbeit. In: Kasten, Anna et al. (Hg.): Feminismen in der Sozialen Arbeit und Pädagogik. Weinheim/Basel: Beltz/Juventa, 300-322. Wie wichtig sind für dich spezielle Angebote „nur“ für Mädchen*? » Es ist gut, dass es das Mädchen*angebot gibt und keine Jungs* im Haus sind. Es sind auch coole Angebote, die hier gemacht werden. (Mädchen*, 11) Bild: Tomy Whey
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