Dachzeile 18 das kommt | 02 | 2024 Gendersensible Jugendarbeit Schwerpunkt Bernhard: Strukturell läuft das Thema queersensible Jugendarbeit bei unseren beiden Fachstellen zusammen. Das setzt voraus, dass wir einen sensiblen Blick aus verschiedenen Perspektiven auf das Thema Geschlecht haben. Katharina: Unsere Arbeit umfasst ja auch, Haltung zu zeigen und zum Beispiel in unserer Sprache oder Öffentlichkeitsarbeit queere Jugendliche zu berücksichtigen, um als kompetente Ansprechpersonen wahrgenommen zu werden. Stichwort Intersektionalität. Inwiefern beeinflusst das eure Arbeit? Katharina: Es gibt nicht die homogene Gruppe der Mädchen* oder Jungen*. Das müssen wir im Blick haben, weil zusätzlich zur Kategorie Geschlecht weitere Merkmale und verschiedene Identitäten zusammenspielen, die in ihrer Kombination zu weiteren Formen von Stereotypisierung und Benachteiligungen führen. Bernhard: Das Bewusstsein für Intersektionalität lehrt uns, den Blick auf die gesamte Gesellschaft zu werfen und die Jungen* und Mädchen* als Spiegelbild verschiedener Interdependenzen zu sehen. Die Frage ist eigentlich überflüssig … braucht es eure Arbeit noch? Katharina: Natürlich, so lange noch keine Gleichberechtigung der Geschlechter besteht und auch vor dem Hintergrund der Zunahme rechtspopulistischer und -extremer Strömungen in unserer Gesellschaft. Gerade hier braucht es Bildungsarbeit mit den Besuchenden zu Themen wie Geschlechterstereotypen und Rassismus. Wie wirkt ihr in den politischen Raum hinein? Katharina: Im April wird im Rathaus z.B. eine Mädchenkonferenz stattfinden. Dort können Mädchen* ihre Anliegen direkt an Politik und Verwaltung der Landeshauptstadt herantragen. Auch durch Vernetzungsarbeit, wo Fachwissen gebündelt wird, findet eine Interessensvertretung der Mädchen* gegenüber Entscheidungsträger*innen, also politische Arbeit statt. Bernhard: Jungen*arbeit ist grundsätzlich schwerer politisch durchsetzbar, weil sie stark reflexiv funktioniert. Bilder von tradierter Männlichkeit können wir politisch schwer aufbrechen – aber wir können zum Beispiel eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus politisch führen, weil Männer* dafür empfänglicher sind. Welche Rahmenbedingungen braucht ihr für eure weitere Arbeit? Katharina: Es geht um nicht weniger als die Überwindung des Patriarchats – also brauchen wir viel Geduld und Durchhaltekraft. Ich spüre gleichzeitig, dass durch den Fachkräftemangel auch die Ressourcen knapper geworden sind. Die Arbeit verteilt sich jetzt auf weniger Schultern. Bernhard: Ich wünsche mir vor allem Offenheit und Gesprächsbereitschaft zum Thema Geschlechterrollen. Interview: Marko Junghänel Queere Jugendarbeit: Vielfalt, Akzeptanz und Chancengleichheit How are you? In unserer Gesellschaft werden sexuelle und geschlechtliche Vielfalt immer sichtbarer. Insbesondere für junge Menschen ist die Akzeptanz von Vielfalt entscheidendes Thema in ihrer Identitätsentwicklung. Eine längst überfällige Studie belegt, welche Handlungsfelder nun vor der Landespolitik und den Trägern liegen Wie wichtig sind für dich spezielle Angebote „nur“ für junge Männer*? » Ein- oder zweimal im Monat ein Programm wäre gut, aber auf so spontaner Ebene. Wichtig, dass nur Jungs* dabei sind. Oder mit Mädchen*, denen wir erlauben mitzukommen. (Junge*, 16) Dazu kann „queere Jugendarbeit“1 sichere und unterstützende Räume bieten, in denen junge Menschen ihre Identität erkunden, akzeptieren und stärken können. Zwar existieren bisher keine validen sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse für das Bundesland Bayern, jedoch zeigen aktuelle Forschungen2 aus den USA, dass der Anteil queerer Menschen in der Generation Z (20- bis 26-Jährige) bei rund 20 Prozent liegt. Überträgt man diese Näherungen aus den Erhebungen auf junge Menschen in Bayern, dann definieren sich bei einer Bevölkerung von 1,35 Mio. Personen3 in der Altersgruppe von 15 bis unter 25 Jahren rund 100.000 bis 270.000 Jugendliche als LSBTIQA*4. Erstmals eine queere Jugendstudie in Bayern „How are you?“ lautet der Titel des Forschungsprojekts zur Lebenssituation von LSBTIQA*-Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bayern. Gemeinsam mit dem Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung (IDA) in Kooperation mit der Hochschule Fresenius untersuchte der Bayerische Jugendring (BJR) die Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen, Ressourcen und spezifischen Bedarfe junger LSBTIQA*-Personen in Bayern, um die Arbeit für sie weiterzuentwickeln. An der Online-Befragung nahmen zwischen April und Juni 2023 genau 2.043 junge Menschen zwischen 14 bis 27 Jahren teil, die über ihre Zufriedenheit und ihre Lebenserfahrungen berichteten. Die Datenlage zur Lebenssituation sowie Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen war bislang unzureichend. Die Ergebnisse der Studie zeigen ein umfassendes Bild von den Erfahrungen, Herausforderungen und Bedürfnissen einer oft übersehenen Gemeinschaft. Die zentrale Erkenntnis: LSBTIQA*-Personen sind in nahezu allen Lebensbereichen in hohem Maß von Diskriminierungs- und Wie wichtig sind für dich spezielle Angebote „nur“ für Jungen*? » Nicht so wichtig, aber manchmal ist es schon toll, ohne Mädchen* zu sein. (Junge*, 7)
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