K3 No. 5 - Dezember 2023

Dachzeile 30 das kommt | 05 | 2023 Radikal jung!? Schwerpunkt Notizen zur Rolle sozialer Medien in Radikalisierungsprozessen Radikal online oder online radikalisiert? Online-Medien spielen in Radikalisierungsprozessen eine wichtige Rolle. Dieser Satz ist zwar richtig, hat aber wenig Aussagekraft, wenn nicht näher auf die Rolle eingegangen wird, die soziale Medien spielen. Wenn 94 Prozent der 12- bis 19-Jährigen täglich bis mehrmals wöchentlich online sind und sich an den Nutzungstage im Durschnitt 204 Minuten im Netz bewegen (Feierabend et al. 2022), kann davon ausgegangen werden, dass Online-Medien für viele Dinge im Leben junger Menschen eine wichtige Rolle spielen. Zugespitzt formuliert: Nicht nur für Radikalisierung, sondern auch fürs Verlieben. Dieser Text Auch junge Menschen sind Medien nicht hilflos ausgeliefert, brauchen aber Begleitung und Motivation dabei, diese Kanäle sinnvoll für ihre Bedürfnisse nutzen zu können. wird deswegen versuchen, genauer hinzuschauen, um die im Titel genannte Frage – zumindest teilweise – zu beantworten. Junge Menschen kommen gegenwärtig eher über die Medien mit extremistischen Inhalten in Kontakt, als selbst extremistischen Personen über den Weg zu laufen. Neben TikTok, Instagram und anderen Plattformen sind vor allem journalistische Medien wichtige Kontaktpunkte mit extremistischen Inhalten. Der Unterschied zwischen beiden ist, dass journalistische Medien extremistische Botschaften einordnen, während Desinformationen oder auch gewaltvolle Bilder in sozialen Medien teilweise stark einseitig, emotionalisiert und gewaltbesetzt ausgespielt werden. Hinzu kommt, dass soziale Medien gezielt von radikalen und extremistischen Gruppierungen genutzt werden, um ihre Inhalte zu verbreiten. Dadurch wird ein sehr breites gesellschaftliches Meinungsspektrum wahrnehmbar, auch problematische Inhalte sind häufiger zu finden. Einzelne Autor*innen gehen sogar so weit, aufgrund der Verfügbarkeit extremistischer Inhalte im Netz von „Radikalisierungsmaschinen“ (Ebner 2019) zu schreiben. Diese Argumentation sollte jedoch nicht unkritisch übernommen werden. Das hat mehrere Gründe. Der wichtigste ist, dass der Begriff „Radikalisierungsmaschine“ suggeriert, dass Menschen den Inhalten in sozialen Medien wehrlos ausgeliefert wären. Das widerspricht jedoch der Medienwirkungsforschung (mindestens) der letzten 50 Jahre. Mediale Inhalte werden von den Rezipierenden nicht einfach übernommen, sondern aufgrund ihrer subjektiven Bedürfnisse, ihres Vorwissens und sozialer Aushandlungsprozesse angeeignet. Das gilt auch für TikTok-Videos in einer tiefgreifend mediatisierten Lebenswelt. Keine Automatismen in der Medienwirkung Hilfreich ist an dieser Stelle ein Blick in die Studie „Lasset uns in sha’a Allah ein Plan machen“. Kiefer et al. (2018) haben dafür den Chatverlauf einer WhatsApp-Gruppe junger Männer mit über 5.500 Postings auswerten können. In der WhatsApp-Gruppe kommunizierten die Entscheidung zur Schließung rückgängig gemacht und das Haus schrittweise saniert wird, um das zukunftsfähige Konzept zu erhalten. Trotz unseres massiven Protests und Widerstands mussten alle Bewohner*innen im September 2015 ausziehen. Der Protest war vergebens und gleichzeitig ist etwas Neues entstanden: Nach der Schließung trafen wir uns regelmäßig und stellten fest, dass wir unsere Erfahrungen weitergeben wollen. Zusammen haben wir 2018 den Verein MIWO München e.V. gegründet, in dem ich seitdem Mitglied des Vorstands bin. Ein neuer Ort könnte entstehen MIWO steht für München Internationales Wohnen. Unser Ziel ist es, ein neues Wohnheim für internationale Studierende aufzubauen. Zahlreiche Möglichkeiten haben wir über die Jahre geprüft und diskutiert und sind dabei durch Höhen und Tiefen gegangen, vor allem weil die bisherigen Optionen kurz vor der Konkretisierung geplatzt sind. Gerade sind wir unserem Traum einen großen Schritt nähergekommen: Wir sind im Gespräch zu einem leerstehenden Gebäude, das 60 bis 75 Studierenden Platz bieten könnte. Bis Ende des Jahres soll eine Entscheidung fallen, ob und wie wir das Gebäude anmieten können. Es kribbelt uns allen in den Fingern, gemeinsam mit jungen Menschen einen neuen Lebensort zu schaffen. Als Verein wollen wir einen zukunftsfähigen Rahmen schaffen, damit junge Menschen Verantwortung übernehmen können und ein internationales, interreligiöses Miteinander entsteht. Wer möchte dabei sein? JOHANNES HOCHHOLZER, Jahrgang 1993 aus München, M.Sc. in Biophysik, Mitglied des Vorstands von MIWO München e.V., Organisationsberater & Facilitator bei Unity Effect und Organisator der Ausstellungsreihe TRANSFORMATIONEN in Schlehdorf Informationen und Kontakt unter www.miwo-muenchen.de Was bedeutet für dich Jungsein? » Jugend ist für mich mehr Freizeit und mehr Zeit für Hobbys, damit man das Jungsein genießen kann. Man muss weniger Verantwortung tragen, aber die Erwachsenen erwarten trotzdem sehr viel von einem und meinen, alles besser zu wissen. Da sollte mehr Verständnis gezeigt werden. (Mädchen, 18) Was bedeutet für dich Jungsein? » Das Leben wird vorstrukturiert und für einen geplant, dadurch ist es einfacher. Man sieht alles lockerer und nicht so ernst wie Erwachsene. Aber man muss selbst herausfinden, wer man eigentlich ist, wo man dazugehört und was einen ausmacht. Dazu gehört dann auch der struggle, wenn man eine andere Ethnie, Religion oder Sexualität hat. (Mädchen, 18) Bild: Thomas Ulrich auf Pixabay

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