Dachzeile 28 das kommt | 05 | 2023 Radikal jung!? Schwerpunkt Hat politische Bildung versagt, die falschen Zielgruppen erreicht oder die Gefahr von „Rechts“ verkannt? Die Ergebnisse der letzten Landtagswahl müssen Veränderungen in der Bildungsarbeit auslösen. samkeit zu Misstrauen und damit zu Populismus, zur Zustimmung zu Verschwörungserzählungen und oft zu extremen politischen Haltungen. Extremismus ist nicht gleich Extremismus Die sogenannte Hufeisen-Theorie behauptet beispielsweise, dass sich Extremismus am rechten und linken Ende des politischen Spektrums gleicht. Dieses Konzept ist jedoch kurzsichtig und überholt. Linke Ideologien wollen generell, dass alle Menschen als gleich(wertig) angesehen werden und setzen sich für Gleichheit, unabhängig von sozialen Klassen, Herkunft und Geschlecht, ein. Eine rechte Ideologie basiert hauptsächlich darauf, bestimmte Gruppen als minderwertig und nicht zur eigenen Gemeinschaft gehörig zu betrachten. Basis dafür ist meist eine Idee von „Rasse“, „Kultur“ oder „Nation“. Dies führt zu einer Ideologie, die die Ungleichwertigkeit betont und als Kernprinzip die Abneigung gegenüber Menschen anderer Gruppen beinhaltet – also gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Basierend auf diesem Gefühl der Überlegenheit kommt es zu Gewalt gegen Gruppen oder Einzelpersonen, rassistischen Anschlägen, Umsturzplänen und Hetze (auch, aber nicht nur im Netz). Außerdem behauptet die Hufeisen-Theorie, dass sich politisch extreme Einstellungen nur am äußersten Rand (der Gesellschaft) finden. Dem widersprechen neben allen Statistiken zu politisch motivierter Gewalt auch die neuesten Ergebnisse der „Mitte-Studie“, die von einem deutlichen Rechtsruck der Mitte der Gesellschaft berichtet. Die „Mitte-Studie“ setzt sich regelmäßig mit politischen Einstellungen und Haltungen in Deutschland auseinander. Die Ergebnisse sind erschreckend – aber nicht überraschend. Die Mitte der Gesellschaft ist deutlich nach rechts gerückt. Antidemokratische Haltungen und autoritäre Lösungen sollen Struktur und schnelle Antworten liefern. Die Ergebnisse dieser Studie werfen auch für uns als KJR Fragen auf. Denn laut der Mitte-Studie verfügen Personen im frühen Erwachsenenalter (18–34 Jahre) mit 12 Prozent am häufigsten über ein rechtsextremes Weltbild und stimmen besonders häufig der Verharmlosung des Nationalsozialismus, dem Antisemitismus und dem Sozialdarwinismus zu. Auch bei den bayerischen Landtagswahlen haben mit 16 Prozent eine große Zahl von Erstwählenden die rechtsextreme Partei AfD gewählt. Hereinspaziert – in zig Sprachen … Ein Ort für grenzenlose Verständigung Konsequent interkulturell Als ich von zuhause auszog, kannte ich nur Menschen, die wie ich in Bayern aufgewachsen sind. Als ich 2013 in ein internationales Wohnheim für Studierende, das Johanneskolleg in München-Schwabing, einzog, änderte sich das schnell … Was bedeutet für dich Jungsein? » Im Freizi chillen zu können. Solange das noch geht, fühlt es sich jung an. (junge Frau, 17) Was bedeutet für dich Jungsein? » Wenn man Zeit hat und sich gehen lassen kann. Eigene Erfahrungen machen, auch wenn Scheiße dabei ist; das ist Freiheit. (junger Mann, 18) Was bedeutet das für Jugendarbeit? Es gilt, sich (selbst-)kritisch mit antidemokratischen Positionen auseinanderzusetzen. Wir brauchen mehr Bewusstsein für unsere eigenen blinden Flecken und Handlungskonzepte für den Umgang damit. Wir müssen uns den Gesprächen mit jungen Menschen stellen. Als Gesellschaft und auch im Kreisjugendring müssen wir wieder lernen zu diskutieren, Widersprüche und unterschiedliche Perspektiven aushalten und abwägen. Toleranz leben und klar Position beziehen. Wir müssen (politische) Jugendarbeit neu und weiter denken – an den Bedürfnissen der jungen Menschen orientiert – und auf Basis einer lebendigen demokratischen Beteiligung gestalten. LAURA PULZ, Jahrgang 1987 aus München, Studium Geschichte und Literaturwissenschaften, Trainee Arbeits-/Tarifrecht und Organizing, Fachstelle Demokratische Jugendbildung, KJR In diesem Haus habe ich zum ersten Mal Menschen aus anderen Kulturkreisen persönlich kennengelernt, mehr Sprachen als jemals zuvor gehört und für zwei bewegte Jahre ein Zuhause gefunden. Das schreiben meine damaligen Mitbewohner*innen über ihre Erfahrungen: „Ich bin christlicher Araber und komme aus Nazareth. Mein Heimatland ist vielfältig und enthält viele Religionen, Sprachen und Kulturen. Diese Vielfalt wird dort leider nicht immer positiv, sondern als Bedrohung für Bild: Alexander Fox/PlaNet Fox auf Pixabay Bild: MiWo
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