Dachzeile 26 das kommt | 05 | 2023 Radikal jung!? Schwerpunkt mitteln gemacht. In Zahlreichen „Café Solidaire“ werden aus diesen Lebensmitteln Gerichte gekocht, die verkauft oder an Bedürftige abgegeben werden. Der Großmarkt in Marseille macht es ebenso. Nach Angaben der französischen Tafeln haben die Spenden seit dem Erlass des Gesetzes um mehr als 20 Prozent zugenommen. Natürlich werden immer noch reichlich Lebensmittel in Privathaushalten entsorgt, aber ein Anfang im gesellschaftlichen Umdenken ist gemacht. Im kanadischen Montreal ist das sogenannte „Dumpster Diving“ legal und wird regelmäßig praktiziert. Containern bald nicht mehr nötig? Eine Supermarktkette in Osnabrück denkt seit Februar 2023 weiter: Hier können entsprechende Lebensmittel aus der „goldenen Tonne“ im Eingangsbereich genommen werden, natürlich kostenlos. Der Besitzer der 14 Supermärkte hat damit die Idee seiner Tochter verwirklicht, um Lebensmittelverschwendung zu minimieren. Der Handelsverband kritisiert die Idee, Containern zu entkriminalisieren. Die Bedenken gehen vor allem in Richtung Haftungsfragen. Auch in München tut sich einiges: Zahlreiche Lebensmittelretter-Gruppen sind aktiv, der Verein „Foodsharing München“ rettet täglich etwa 700 Kilogramm Lebensmittel vor der Tonne. Auch durch Apps wie „too good to go“ wird die Idee in die Öffentlichkeit getragen. Nicht nur bei den Supermärkten tut sich etwas: Bei „etepetete“ kann man Gemüse kaufen, das nicht den europäischen Vorgaben bezüglich Größe und Form entspricht, und so Lebensmittel retten, die normalerweise ungenutzt auf dem Acker bleiben. Mit der Kampagne „Teller statt Tonne“ möchte die bayerische Ernährungsministerin gegen Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie vorgehen. Ein herausragendes Projekt in München ist die Community Kitchen im „share“ in Neuperlach: Dort werden täglich hunderte Kilo an Lebensmitteln verkocht, die sonst auf dem Müll landen würden. Egal ob im Lokal, für das Catering oder für den Shop: Die drei Münchnerinnen leisten mit ihrer Idee und mittlerweile 30 festen Mitarbeitenden einen leckeren und wertvollen Beitrag zur Lebensmittelwertschätzung. In Anbetracht des Stadtratbeschlusses, dass München die zweite deutsche Zero-Waste-Stadt werden soll, ist ein Umdenken nicht radikal, sondern zeitgemäß. Bedürftige Menschen, die Hunger haben, wird es weiterhin geben, und essbare Lebensmittel, die entsorgt werden, auch. Die Frage ist nur, ob sie auf sinnvollem Wege zueinander finden. JULIA TRAXEL aus München, Jahrgang 1975, Studium der Diplom-Biologie und ausgebildete Gärtnerin, Fachstelle Nachhaltigkeit und BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung), KJR Weiterführende Links: ■ www.foodsharing-muenchen.de/mitmachen/was-und-wo-sindfairteiler ■ www.community-kitchen.com Abfall, der eigentlich gar kein Abfall ist; Containern, das eigentlich gar keine Straftat ist … Containern: radikal sinnvoll? Tonnenweise Ressourcen Unter Containern versteht man die Mitnahme weggeworfener Waren – meist Lebensmittel – aus Abfallbehältern. Was bedeutet für dich Jungsein? » Spaß haben und sich für seine Zukunft, seinen Abschluss und einen guten Job anstrengen. Man hat auch weniger Stress mit Familie und Freunden, wenn man jung ist. Aber wenn sich nicht genug um einen gekümmert wird, dann ist es schwer. Nervig ist, wenn Erwachsene einem sagen, man ist zu jung, um etwas zu verstehen oder zu machen. (Mädchen, 14) Lebensmittel werden aufgrund eines überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatums, Druckstellen oder schlichtweg als Überschuss entsorgt. Viele dieser Nahrungsmittel sind qualitativ noch so hochwertig, dass sie sinnvoll genossen werden könn(t)en. Warum containern Menschen? Die häufigsten Gründe sind Hunger und Geldmangel, aber auch oft ein Protest gegen unsere Wegwerfgesellschaft. Schätzungen gehen von 11 bis 12 Millionen Tonnen Lebensmittel aus, die in Deutschland jährlich weggeworfen werden. Die Hälfte davon entsorgen Supermärkte. Mittlerweile kommt auch der klimapolitische Aspekt hinzu: Für Produktion, Verpackung, Lagerung und Transport von Lebensmitteln werden große Mengen Klimagase freigesetzt. Lebensmittel ungenutzt zu entsorgen, können wir uns in Anbetracht der Klimakrise schlichtweg nicht mehr leisten. Die deutsche Rechtsprechung Der erste Fall, der bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, waren zwei Studentinnen, die 2019 aus einem Abfallcontainer eines Supermarktes im Münchner Westen Lebensmittel entnommen hatten. Sie wurden des Diebstahls schuldig gesprochen, vor allem auch, weil der Container gesichert und nicht frei zugänglich war. Seitdem hält die politische Debatte über das Containern an. Bereits 2019 stellt die Partei „Die Linke“ im Bundestag den Antrag, Containern zu entkriminalisieren. Dieser wurde jedoch ablehnt. Im Januar 2023 sprachen sich Marco Buschmann (Bundesjustizminister) und Cem Özdemir (Bundeslandwirtschaftsminister) dafür aus, dass Containern ohne Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung straffrei sein sollte. Der Blick über den Tellerrand In Frankreich dürfen Supermärkte bereits seit 2016 per Gesetz „verwertbare“ Lebensmittel nicht mehr entsorgen, sondern müssen diese spenden, als Tierfutter verkaufen oder zur Energiegewinnung bereitstellen. Frankreich hat damit als erstes Land weltweit einen ernsthaften Schritt in Richtung nachhaltigem Umgang mit LebensBild: boo_ist_online auf Pixabay
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