K3 No. 5 - Dezember 2023

Schwerpunkt: Radikal jung!? www.kjr-m.de ■ Kös˛k nimmt Abschied vom Westend ■ „Girls united“ ■ Neue Protestformen und Solidarität Das Magazin des Kreisjugendring München-Stadt 29. JAHRGANG | AUSGABE 5 | DEZEMBER 2023

| 05 | 2023 2 das war Inhalt 3 kurz & knapp / 31 Impressum / 32 zum Schluss das kommt Was aus der Sicht von Erwachsenen oft als radikale Verweigerung der Lebensideale, Werte und Ziele der Elterngeneration durch die Jugend missverstanden wird, hat zwei Deutungsdimensionen. Einerseits sind (radikale – respektive konsequente) Brüche mit dem bisherigen jungen Leben richtig, sinnvoll und persönlichkeitsbildend. Andererseits: bei genauerem Hinschauen sind diese Brüche oft gar nicht so radikal wie sie anmuten – oder sein sollten. Sicherheit und behütet sein geht vor Experimentierfreude und „Welt – hier bin ich!“ Ab Seite 20 Schwerpunkt: RADIKAL JUNG!? Kös˛k nimmt Abschied vom Westend 5 Bis zum Rausschmiss – und darüber hinaus! Stadtratshearing zur Förderung von Medienkompetenz 6 Gönn dir Medienbildung Fachtagung am 13. und 14. Oktober 7 Rechte für Menschen und Klima Medienkompetenztag „Girls vernetzt“ 8 Von KI bis Flummi-Musik Internationaler Mädchentag in München 9 „Girls united“ Aktionstag für Kiga-Kinder 10 Abenteuer Panzerwiese! 25 Jahre Nightball in München 10 Ein wichtiges Sportprojekt! Herbstferien Extra! 11 Street-Food-Festival Herbstvollversammlung 12 Neue Protestformen und Solidarität Lang ist‘s her – läuft bei mir! 16 „Das ist aus mir geworden“ 11 Jahre One Billion Rising! 19 Aktionstag, Flashmob, Tanztrainings Kinder- und Jugendrathaus bei Bürgermeisterin Dietl 19 Direkter Draht zur Stadt Im Studio 4 produzieren Ingrid Zorn und Frauke Gnadl vom KJR-Referat ÖA Hörbeiträge, die den K3 ergänzen und begleiten. Unterstützt wird das Studio 4 von Wolfgang Haberl (Fachstelle MuT) und dem Café Netzwerk, das die Podcast-Ausstattung zur Verfügung stellt. In dieser Ausgabe: Interview mit Birgit Stieler und Florian Lachner zur Bedeutung von OKJA – früher und heute –, ob OKJA vielleicht ein Auslaufmodell ist und ob wir das mit dem Sex rausgeschnitten haben oder nicht. www.kjr-m.de/k3-5-23

| 05 | 2023 3 kurz & knapp Gedenkstunde „Reichspogromnacht“ Feierwerk übernimmt Boombox des KJR Anspannung – Entspannung Die „Boombox“ in Freiham ist ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche. Vor Kurzem wurde diese Einrichtung vom KJR an den Verein „Feierwerk“ übergeben. Der bisherige pädagogische Betreuer Max Hofer wird weiterhin für die Jugendlichen da sein. Alles begann 2017 mit einem alten Bauwagen aus dem Jugendtreff Neuaubing, der als mobiler Treffpunkt dient. Im Laufe der Jahre wurde das Gelände erweitert und bietet nun verschiedene Spielmöglichkeiten wie ein Trampolin, eine Feuerstelle und ein Bällebad. Die Boombox ist dienstags, mittwochs und freitags von 14 bis 18 Uhr geöffnet und bietet den Jugendlichen einen Ort der Begegnung und die Möglichkeit, ihre Zeit so zu verbringen, wie sie es gerne möchten. Bei der Übergabe am 22. September überreichte Birgit Stieler vom KJR feierlich einen symbolischen Schlüssel an das Feierwerk. Graffiti-Aktion am Pündterplatz Anfang August 2021 hatte der Jugendtreff am Biederstein (JTB) mit einer „Crew“ aus ehemaligen jugendlichen Sprayern und Jugendlichen, die gerade damit angefangen haben, das Trafohäuschen auf dem Pündterplatz neu gestaltet. „Der Pündterplatz wird bunt“, lautete das Motto. Eine Seite wurde dann leider von unbekannten Nichtprofis übersprayt. Am vorletzten Septemberwochenende wurde diese Seite deshalb als „Trilogie“ neu besprüht. Es gab während der Aktion viel positive Rückmeldung und viel Publikum jeden Alters. An der Wand gibt es auch einen QR-Code mit Fotos der Aktion und dem Hinweis auf den JTB. Am 9. November wurde im Stadtteil Westend eine Gedenkveranstaltung für die ehemaligen Anwohner*innen abgehalten, die vor 85 Jahren in der Reichspogromnacht von den Nationalsozialisten verfolgt oder ermordet worden sind. Die Gedenkstunde „Reichspogromnacht“ wurde vom Bezirksausschuss (BA) Schwanthalerhöhe in Kooperation mit dem Multikulturellen Jugendzentrum (MKJZ), dem Evangelischen Migrationszentrum im Griechischen Haus und der Carl-von-Linde Realschule organisiert. Mehrere BA-Mitglieder und viele Bürger*innen, darunter auch Jugendliche, lasen Namen und Biografien der einstigen Bewohner*innen vor. Elmina, die Vorsitzende des MKJZ-Jugendrats, trug ebenfalls Biografien vor. Die Gedenkveranstaltung „Reichspogromnacht“ ist eine jährliche Tradition im Westend, und der Jugendrat des MKJZ nimmt unter Begleitung des Teams regelmäßig daran teil. Bei den 16. Highland Games des AK Jungen am 7. Oktober auf der Nordhaide konnten leider einige KJR-„Clans“ ihre „Highlander“ nicht zum Wettkampf schicken. Dadurch blieb aber den 20 Teilnehmern mehr Zeit, sich den einzelnen Herausforderungen zu stellen. Die hohe Kunst des Messerwerfens zum Beispiel verlangt viel Feingefühl und starke Nerven. Beim Bau der Da-Vinci-Brücke rauchten wieder die Köpfe „… häh, wie hat der das gemacht, Digga!“, und im Blindtastpfad konnten die Jungs* sich erneut überwinden und einen unbekannten Weg erkunden. Hochspannung kam heuer bei der Abschlussdisziplin „tug-of-war“ (Tauziehen) auf. Wir Pädagogen witterten die Chance, nach Jahren der Niederlagen gegen die Horde Münchner-Highlander-Jungs* endlich einmal erfolgreich aus dem Wettkampf zu gehen. Und was soll ich sagen, es ist uns gelungen!

| 05 | 2023 4 kurz & knapp Licht in Münchens dunkle Ecken! Unter dem Motto „Mehr Licht – mehr Sicherheit!“ waren Mädchen* und junge Frauen* aufgerufen, bei Workshops in Laim, Harthof, Au und Fürstenried ihre Erfahrungen einzubringen. Jetzt sorgt die KJR-Fachstelle Partizipation zusammen mit dem Stadtjugendamt dafür, dass die verantwortlichen Referate und Bezirksausschüsse die Ergebnisse der Workshops bekommen. Die Workshops, die ab dem 13. Oktober in vier KJR-Freizeitstätten stattfanden, bereiten die „Nachtspaziergänge“ des Baureferats vor. Diese sollen in der Wintersaison 2023/2024 durch insgesamt fünf Stadtbezirke führen – und zwar zu Stellen, bei denen die Beleuchtung aus Sicht der Mädchen* und jungen Frauen* optimiert werden sollte, um ihr Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Die jeweiligen Bezirksausschüsse diskutieren dann mit Vertreter*innen des Baureferats konkrete Maßnahmen und legen diese – sofern möglich – gleich fest. Erfolgreiche Social-Day-Premiere im Laimer An einem schönen Herbsttag fanden sich zehn Mitarbeiter*innen der Tengelmann Twenty-One KG zu einem Social Day im Laimer ein, um beim Abriss einer Hütte zu helfen. Nach einem gemeinsamen Frühstück machten sich alle an die Arbeit. Das letzte Werkzeug war noch nicht aus dem Container geholt, da hörte man es schon hämmern! Die Aufgaben waren schnell verteilt und das gesamte Team war super motiviert und mit viel Spaß bei der Sache. Während ein Teil der Gruppe die Hütte auseinandernahm, zerkleinerten die anderen das Holz und sortierten es in das Brennholzlager. Schon zur Mittagspause war die ursprünglich geplante Arbeit fast erledigt und so wurde am Nachmittag auch noch ein Dach erneuert. Die Deko blieb dabei ebenfalls nicht auf der Strecke und einige Bilder aus der Abriss-Hütte fanden ein neues Plätzchen. Alles in allem war es für beide Seiten eine gelungene Premiere! Lange bestand der Wunsch, die Außenmauer des M10City zu gestalten. Ein Teil der Mauer gehört der Stadt, der andere Teil umschließt das Grundstück des M10City an der Schleißheimer Straße. Über die Jahre wurde die Mauer immer wieder beschmiert – und vonseiten der Stadt immer wieder überstrichen. Mauergestaltung beim M10City Auf Anfrage der Künstlerin Anna Sette wurde ihr die Freifläche des städtischen Teils der Mauer zur Verfügung gestellt. Und das Kommunalreferat trat ans M10City heran, ob auch Interesse an der Neugestaltung des anderen Teils bestünde. Natürlich! Das entstandene Wandbild will eine Anregung – vor allem für die junge Generation – sein, dass ein einfaches Leben, das nicht der Mode, dem Aussehen und dem Wettbewerb unterworfen ist, eine Befreiung sein kann. Dies ist Anna Sette auf spielerische Weise gelungen. Und auch die etwas in die Jahre gekommene Gestaltung der Innenmauer am Parkplatz des M10City wurde – durch die Graffiti-Künstlerin Bine Mayer – erneuert. Die Besucher*innen konnten mitentscheiden, welcher Entwurf umgesetzt wird. Es entstand eine super Farbkombination mit dem M10City-Logo.

5 das kommt | 05 | 2023 das war Kös˛k nimmt Abschied vom Westend In dieser Zeit hat sich das Kös˛k in den Räumlichkeiten der ehemaligen Stadtbibliothek Westend mitsamt dem Garten und den Bäumen davor zu einem der seltenen unkommerziellen, künstlerischen und sozialen Freiräume etabliert, der inzwischen nicht mehr aus der Stadt München und schon gar nicht vom KJR wegzudenken ist. Nun hat das Kös˛k seinen Abschied vom Westend gefeiert. Für den ganzen Juli 2023 wurden – „TATATATAAA“ – die großen Kös˛kAbrissFestspiele ausgerufen, als eine Liebeserklärung an das Kös˛k, aber auch an die Nachbarschaft, die Kös˛k-Besucher*innen und Ö_Freund*innen aller Art, die den Ort so einzigartig gemacht haben. Das umfangreiche Programm war dank der Unterstützung von Kulturreferat und Sozialreferat der LH München, dem JugendKulturWerk München sowie dem BA 8 Schwanthalerhöhe für alle und kostenfrei. So konnte das Kös˛k seinem Ö_Prinzip „Dö könn jö jede*r kömmen!“ treu bleiben. Auf dem Programm standen eigens für das Ende des Kös˛k komponierte Uraufführungen, nostalgisch-schöne Neuaufgüsse, (Musik) Performances zum Abtanzen und Abhängen, gemeinsames Essen, Malen, Werkeln, Kunstmachen und Zusammensein … Und natürlich durfte das „Kös˛kival – Behinderung ist Rebellion“ als eines der Kös˛k-Herzensprojekte nicht fehlen – in Gedenken an den verstorbenen Münchner Autor und Förderer inklusiver Kultur Max Dorner, dem das Kös˛k so viel mehr als nur den Titel dieses inklusiven Festivals verdankt. Es war überwältigend schön, wie viele Menschen gekommen sind und mitgefeiert haben und wie oft die Wände übermalt worden sind! So wurde das Kös˛k am Ende noch selbst zum Kunstwerk. Nach diesen wunderschönen Festspiel-Sommer-Wochen ging es schließlich schweren Herzens ans Räumen, Aussortieren und Kisten packen. Um den Umzug zu erleichtern, trennte sich das Team von schwerem Gepäck und lud am 22. Oktober zum Flohmarkt mit dem Motto „Ölles muss raus!“ ein: jetzt aber wirklich ein allerletztes Mal Kös˛k-Luft schnuppern und sich eine ganz persönliche Erinnerung ans Westend-Kös˛k sichern! Feilgeboten und schließlich auch mitgenommen wurde „Ölles“ aus den Untiefen des Kös˛k-UniBis zum Rausschmiss – und darüber hinaus! Angefangen hat alles 2014 als Zwischennutzungsprojekt der Färberei. Geplanter Zeitraum: zwei Jahre. Es wurden schließlich fast neun Jahre daraus … versums und das weitestgehend auf Spendenbasis: Devotionalien aus dem Musikzimmer und der Dunkelkammer, süper Kunst & ölle Bretter, gelbe Auslegeware, Sektgläser, Vogelfutter, Schürzen oder geschnürte Pakete zum Irgendwas-Selbermachen. Fotos: Andrea Huber Dazu gab es gleich zwei musikalische Premieren: vom Praktikanten Elias, der sich zum ersten Mal und mit großem Erfolg als DJ präsentierte, und von der Band „Sinem“, die mit ihrem ultimativ-allerersten Auftritt das Kös˛k zum absolut allerletzten Mal zum Kochen brachte. Die Zeit im Westend ist zwar nun vorbei, aber mit dem Kös˛k geht es weiter. Sein neues Zuhause wird in der Schillerstraße 38 sein. Andrea Schönhofer, Kös˛k, KJR

6 das kommt | 05 | 2023 das war Stadtratshearing zur Förderung von Medienkompetenz Die wissenschaftlichen und praxisorientierten Vorträge von Dr. Michael Kirch (LMU München), Prof. Dr. Angelika Beranek (Hochschule für angewandte Wissenschaften München), Andreas Hofmann (Oberschule Niedersachsen), Dr. Sonja Moser und Christine Debold (Pädagogisches Institut) beschrieben zentrale Herausforderungen und modellhafte Ansätze. Beranek betonte die Bedeutung der Jugendarbeit und handlungsorientierter Medienpädagogik für ein gelingendes Heranwachsen in digitalisierten Lebenswelten. Durch die Akzeptanz jugendlicher Interessen und Entwicklungsthemen würden deren Ansprüche auf Förderung von Partizipation an Gesellschaft und politischer Teilhabe stärker adressiert. Jugendliche brachten ihre eigene Perspektive im Jugendtalk jung.digital. jetzt des AK Kinder- und Jugendbeteiligung ein. Am ersten Tag des Hearings wurden den teilnehmenden Stadträt*innen aller Fraktionen neben den Impulsvorträgen und Diskussionsformaten konkrete Einblicke in die Wirkungsweise bereits bestehender Angebote ermöglicht. Hierzu wurden von ca. 80 teilnehmenden Institutionen interaktive Themeninseln eingerichtet. An diesen präsentierten die kommunalen Referate und Einrichtungen, die freien Träger und weitere Anbieter*innen ihre Programme in Workshops und durch Mitmach-Aktionen. Die Themenschwerpunkte des Programms erstreckten sich über verschiedene Bereiche – vom digitalen Klassenzimmer, der Rolle künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich bis hin zu Aspekten souveräner Mediennutzung, Fragen digitaler Teilhabe und den Umgang mit politischen Desinformationskampagnen. Weitere Schwerpunkte behandelten die Bewältigung von Online-Konflikten, den kreativen Umgang mit Games und spielerischem Lernen sowie die Integration von Medien in der frühkindlichen Bildung. Zusätzlich wurden digitale Formen der Jugendbeteiligung und besondere Orte für Medienbildung in der Stadt thematisiert. Am zweiten Tag standen im Rahmen des Aktionstags die Angebote auch für Schulklassen, Kindergarten- und Hortgruppen sowie Gruppen aus der Jugend- und Jugendsozialarbeit und Eltern offen. Das Hearing geht auf eine bildungspolitische Diskussion im Rahmen des Sommerempfangs des Münchner Netzwerks Medienkompetenz Interaktiv zurück und wurde federführend vom Pädagogischen Institut koordiniert. Der Kinder- und Jugendhilfeausschuss und Bildungsausschuss des Stadtrats beschlossen dessen Umsetzung auf Antrag der Fraktionen jeweils einstimmig. Die Programmangebote, Vorträge und der Jugendtalk sind online unter www.medienbildung-muenchen.de/hearing-medienkompetenz dokumentiert und einsehbar. Sebastian Ring, JFF Gönn dir Medienbildung Am 5. und 6. Oktober 2023 fand im Alten Rathaus das Stadtratshearing zur Medienkompetenz junger Menschen in München statt. Das Hearing verdeutlichte einerseits die Vielfalt an Herausforderungen, die die zunehmende Digitalisierung und Mediatisierung für ein gelingendes Heranwachsen bedeuten. Die bereits bestehenden Zugänge in den verschiedenen Bildungs- und Erziehungsfeldern sind entsprechend vielfältig. Gleichzeitig wurden Lücken deutlich sichtbar und auch, dass diese Zugänge konzeptionell und bildungsstrategisch teils wenig aufeinander bezogen sind 50 Jahre Streetwork in München Die Streetwork in München feierte am 24. Oktober ihr 50-jähriges Bestehen. Die Angebote der Streetwork richten sich vor allem an junge Menschen zwischen dem 14. und 27. Lebensjahr, die von Benachteiligung, Armut und Ausgrenzung bedroht sind und bisher mit anderen Hilfsangeboten nicht in Kontakt gekommen sind. Rund 40 Fachkräfte sind trägerübergreifend an 15 Streetwork- Standorten in den Münchner Stadtbezirken präsent. Die begleitende, unterstützende Arbeit mit den jungen Menschen orientiert sich an deren Lebenswelt und beinhaltet eine akzeptierende und reflektierte parteiliche Haltung der Fachkräfte. Mehr dazu: www.kjr-url.de/k3-str Foto: JFF

7 das kommt | 05 | 2023 das war Fachtagung am 13. und 14. Oktober Auflösung der LOK Arrival Zur Veranstaltung „Rechte für Menschen und Klima“ im EineWeltHaus München luden das Nord Süd Forum, der Kreisjugendring München-Stadt, MORGEN e.V. und die Münchner Initiative Nachhaltigkeit ein. Den Einstieg gestalteten am Freitagabend Antonio Zambrano, Klimaaktivist und ehemaliger Direktor der peruanischen Bürgerbewegung gegen den Klimawandel MOCICC, und Umweltaktivist Leon Mayer zu Ermgassen. mit zwei Vorträgen. Sie schilderten das Ausmaß an Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in Peru und zeigten auf, was unser Energiehunger und die Wegwerf-Mentalität in den Ländern des Globalen Südens anrichten. Die anschließenden Diskussionen in Kleingruppen machten „Klimaverantwortung“ deutlich, persönlich wie politisch. Der Frage „Klimagerechtigkeit und Menschenrechte – wie können wir diese Themen zusammen denken?“ konnten sich die Teilnehmenden am Samstag in vier Workshops aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähern. So gestalteten Julia Traxel (Fachstelle Nachhaltigkeit) und Katharina Fertl (Beauftragte für Mädchen*, junge Frauen* und LGBTIQ) vom KJR einen Workshop zu „Klimagerechtigkeit und Feminismus“. Im „Weltspiel“ wurden die Verteilung der Bevölkerung auf die verschiedenen Kontinente eingeschätzt, ebenso die Verteilung des Vermögens und der Energieverbrauch. Zudem wurde der Blick auf die Lebenswirklichkeit von Frauen gelenkt, z.B. die Quoten von Frauen weltweit in der Politik. Kritische Fragestellungen über den Beitrag von Frauen und Männern zur Klimakatastrophe wie „Wer trägt mehr zur Klimakrise bei, wer leidet mehr darunter?“ wurden mit genauen Fakten aufgegriffen und untermauert. Dadurch wurde deutlich, welche Rolle Geschlechterunterschiede in der Klimakrise spielen. Eine kurze Präsentation über zahlreiche Aktivist*innen, die sich weltweit für unterschiedliche Themen – zum Beispiel Gleichberechtigung – einsetzen, machte Mut, nach vorne zu blicken. Rechte für Menschen und Klima Jetzt ist erst mal Schluss Die Fachtagung im Rahmen des Münchner Klimaherbst bot eine Plattform für Stimmen des Globalen Südens und stellte Vernetzung und Solidarität in den Vordergrund Nach den Eindrücken des Tages waren alle zu einer Schnibbelparty eingeladen. Während sich die Teilnehmenden austauschen konnten, wurde fleißig geschält, geschnitten und gekocht. Die Fachtagung zu Klimagerechtigkeit und Menschenrechte endete mit einer zum Klimaherbst passenden Kürbissuppe, frischem Brot und Getränken. Katharina Fertl, Beauftragte für Mädchen* und junge Frauen* und LGBTIQ; KJR Julia Traxel, Fachbeauftragte für Nachhaltigkeit und BNE, KJR Ende nach neun Jahren: Das Team der LOK Arrival hat sich am 1. Dezember mit einem Stehempfang aus der Bayernkaserne verabschiedet. Seit 2014 war „die LOK“ ein deutschlandweit einmaliges Projekt, eine Freizeitstätte für junge Geflüchtete, direkt auf dem Gelände der damaligen Erstaufnahmeeinrichtung Bayernkaserne. Sie war Treffpunkt, Spielplatz und Anlaufstelle für geflüchtete Kinder und Jugendliche aus mehr als zwei Dutzend Ländern, half ihnen beim Ankommen und Zurechtfinden in der neuen Heimat. Mit Spiel und Sport, mit Workshops, Festen und Ausflügen, aber auch mit Hilfe bei Deutschkursen oder bei Hausaufgaben wurde die LOK Arrival schnell unentbehrlich. Die LOK Arrival hat sich am 1. Dezember verabschiedet, die Freizeitstätte wird ab Januar Geschichte sein – voraussichtlich Inzwischen sind jedoch keine Geflüchteten mehr dort, die Stadt sieht keinen weiteren Bedarf für Kinder- und Jugendarbeit an dieser Stelle und hat das Aus der Einrichtung zum Jahresende beschlossen. Anders sieht das der örtliche Bezirksausschuss. Er hat beantragt, mit dem erfahrenen und vor Ort gut vernetzten Team ein Vorlaufprojekt für die ab 2028 ohnehin geplante Freizeitstätte im derzeit entstehenden Stadtteil Neufreimann zu starten. Denn dort ziehen kommendes Jahr die ersten Bewohner*innen ein und eine Kita öffnet. Insofern ist das Ende vielleicht noch nicht endgültig und so stand das Abschiedsfest auch unter dem Namen „Jetzt ist erst mal Schluss“. Der nächste K3 berichtet über das Abschiedsfest und über den dann aktuellen Stand der Entwicklungen.

8 das kommt | 05 | 2023 das war Medienkompetenztag „Girls vernetzt“ Mädchen in einem geschützten Rahmen Medienkompetenz vermitteln, sie im technischen Bereich stärken und ihre Fähigkeiten ausbauen, das ist die Grundidee von „Girls vernetzt“. Dabei haben Spiel und Spaß, Freiwilligkeit als Antrieb und dies ohne „negative Kommentare“ durch Jungs oberste Priorität. 19 Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren nahmen am 14. Oktober am Medienkompetenztag im Café Netzwerk teil und durchliefen fünf Medienstationen. Bei „Stop Motion“ entwickelten die Mädchenteams mit viel Phantasie einen Kurzfilm zum Thema Freundschaft. Mut bewiesen die Girls beim Ausprobieren der „Musikspielereien“. Beim heißen Draht ging es um Geduld, eine ruhige Hand und Ausdauer. Die Pause nutzten die Mädchen zum Riesenkettcar fahren, „Let‘s Dance“-Spielen und zum gemeinsamen Essen. An jeder durchlaufenen Station erhielten die Mädchen zwei Buchstaben, mit denen sie zum Schluss das Lösungswort enträtselten. Dieses Jahr lautete es „Girls Power“, sehr passend, da es den teilnehmenden Mädchen Von KI bis Flummi-Musik Bilder erstellen mit KI, Malen mit Licht oder Musizieren mit Worten und Flummis: Der Medienkompetenztag „Girls vernetzt“ hat Mädchen begeistert Es gab zum Beispiel den musikalischen Ball „Oddball“, eine Sound Machine in Form eines Flummis, die mit dem Smartphone gekoppelt bei jedem Aufprall Beats oder Töne erzeugt. Oder das Online-Tool „Typedrummer“, das jede Buchstaben- und Wortkombination in Drum-Rhythmen übersetzt. Es wurde auch miteinander gejamt und sogar gesungen. Dabei war das MusikMobil eine wunderbare Bereicherung für „Girls vernetzt“. Lightpainting, das Malen mit Licht, ist seit Jahren ein Selbstläufer, bei dem immer wieder coole Bilder entstehen. Bei der Station „KI – Künstliche Intelligenz“ konnten die Girls mit einer KI-App Fotos erstellen und so auf spielerische Weise einen kleinen Teil dessen kennenlernen, was mit KI möglich ist. entspricht, die offen und freudig, mit viel Elan und ohne Scheu die Stationen ausprobierten. Zum Andenken erhielten sie die beliebte „Girls vernetzt“-Urkunde. Der Medienkompetenztag „Girls vernetzt“ wurde vor mehr als zwölf Jahren ins Leben gerufen und ist inzwischen fester Bestandteil des KJR-Jahresprogramms. Dieses Jahr waren neben den Initiatorinnen Silke Lücke vom 2Club und Elisabeth Schmitt vom Café Netzwerk Pädagoginnen aus dem Kinderhaus und dem Jugendtreff Harthof, dem Kinder- und Jugendtreff Zeugnerhof, dem Jugendtreff Neuaubing, der LOK Arrival und erstmals vom KJR-MusikMobil beteiligt. Das Feedback der Teilnehmerinnen fiel durchwegs positiv aus, was das Orga-Team bestärkt, 2024 weiterzumachen. Die Organisatorinnen wollen sich auch weiterhin den digitalen Neuheiten stellen und diese bei der Gestaltung der Stationen einbringen. Elisabeth Schmitt, Café Netzwerk, KJR Keine Scheu vor digitalen Neuerungen Eine ruhige Hand war beim „heißen Draht“ gefragt Lightpainting

9 das kommt | 05 | 2023 das war Internationaler Mädchentag in München „Girls united“ Am 11. Oktober wird jährlich auch in München der von den Vereinten Nationen ausgerufene Internationale Mädchentag begangen. Die weltweite Kampagne setzt sich für Gleichberechtigung von Mädchen und jungen Frauen in allen Lebensbereichen ein. Das Recht auf Bildung und keine Toleranz gegenüber Gewalt sind einige der zentralen Forderungen. Der Aktionstag am Marienplatz bot ein vielfältiges Bühnenprogramm sowie zahlreiche Info- und Mitmach-Stände mit kreativen und interaktiven Angeboten. Und der Jugendtreff am Biederstein war zum neunten Mal mit einem Bühnenprogramm an der Münchner Freiheit dabei Podiumsdiskussion bei der „Night of the Girl“ im Biederstein Partizipations-Coaching am Glücksrad der Veränderung Am Aktionstag auf dem Marienplatz beteiligte sich der KJR mit dem „Glücksrad der Veränderung“ – gemeinsam konzipiert vom Demokratiemobil, der Fachstelle Partizipation und der Beauftragten für Mädchen*, junge Frauen* und LGBTIQ. Bei sonnigem Spätherbst-Wetter konnten die Besucherinnen dort ihre politischen Anliegen formulieren. Auf Wunsch konnten sie anschließend an einem Partizipations-Coaching teilnehmen, bei dem sie konkrete Wege zur Unterstützung und Umsetzung ihrer politischen Anliegen kennenlernten. Auf der Bühne sprachen Stadträtin Micky Wenngatz und Nicole Lassal, die Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frauen, über ihre Arbeit in Bezug auf mädchenspezifische Belange. Sie machten deutlich, dass es auch in München bis zur tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter noch viel zu tun gibt. Zudem wurden zwei neue Angebote vorgestellt: Ab Oktober gibt es immer donnerstags von 15 bis 17 Uhr eine Sprechstunde des neuen Kinder- und Jugendrathauses (s. S. 19) und am 12. April 2024 wird von 15 bis 17:30 Uhr eine Mädchenkonferenz im Rathaus stattfinden. Neben Interviews, u.a. mit Alisa von FridaysForFuture, gab es mehrere Tanzeinlagen zum Song W.I.T.C.H. (Woman in total control of herself). Mit viel interessiertem Laufpublikum und gut gelaunten, motivierten Mädchen und jungen Frauen wurde das Ziel erreicht: Den Spaß am Mädchensein zu feiern und gleichzeitig auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen. Katharina Fertl, Fachstelle Mädchen*, junge Frauen* und LGBTIQ, KJR Mirjam Kranzmaier, Fachstelle Partizipation Ausführlicher Artikel unter www.kjr-url.de/k3-imt2023a Day of the Girl 2023 Als Vorbereitung auf den „Day of the Girl“ fand die beliebte „Girlz Week“ im Jugendtreff am Biederstein (JTB) statt. Von 6. bis 10. Oktober hatte der Jugendtreff nur für Mädchen geöffnet, sogar am Sonntag und Montag, und bot täglich Workshops an. Das Highlight war der „Day of the Girl“ am 11. Oktober. Der JTB war zum neunten Mal mit einem Bühnenprogramm an der Münchner Freiheit dabei. Bei mehr als 20 Grad führten die Moderatorinnen Deria, Elvira, Emilia, Esma und Luna durchs Programm. Sie moderierten, interviewten Teilnehmerinnen nach ihren Tanzauftritten und erklärten dem Publikum die Ziele des von der UN initiierten „Day of the Girl“. Die Besucherinnen des JTB zeigten auf der Bühne ihre Power mit K-Pop, HipHop und Freestyle. Nach jeder Menge Spaß und lautstarken Forderungen beim Bühnenprogramm ging es abends im JTB deutlich leiser und ernster weiter. Bei der „Night of the Girl“ gab es nach dem gemeinsamen Pizza-Essen eine Podiumsdiskussion mit ZiK, Esma und Yasmin. Hier konnten sich die Teilnehmerinnen über wichtige Themen austauschen und wertvolle Tipps holen, vom Umgang mit blöden Sprüchen in der U-Bahn bis zu Angst auf dem Heimweg. Eine Erkenntnis war: „Ich bin nicht alleine!“ Am Ende formulierten viele diesen Wunsch: „Sowas wie die ,Night of the Girl‘ muss es viel öfter geben!“ Katharina Ballhausen, Jugendtreff am Biederstein, KJR Ausführlicher Artikel unter www.kjr-url.de/k3-imt2023b Das Glücksrad der Veränderung

10 das kommt | 05 | 2023 das war Aktionstag für Kiga-Kinder Bei strahlendem Sonnenschein ging es mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Panzerwiese. Schon die Fahrt war für die Drei- bis Sechsjährigen ein Highlight. Nach einer Vorstellungsrunde im Sitzkreis durften die Kinder ein großes Puzzle am Boden legen, das die Panzerwiese darstellte. RIVA-Leiter Tom Droste erzählte, was ein Naturschutzgebiet ist und was dieses ausmacht. Anschließend erkundeten die Kinder selbständig und mit großem Spaß und Entdeckungsgeist das Gelände. Es wurden Käfer gesichtet, verschiedene Tiere in der Becherlupe beobachtet, in den bereitgelegten Sachbüchern nach entdeckten Tieren gesucht, Kaulquappen im Teich gesichtet, der Bauwagen entdeckt, das kleine Stück Wald durchforscht und eine tote Maus begutachtet. Auch das im Anschluss durchgeführte Spiel „Bamboleo“ fand großen Anklang. Es symbolisiert die Zusammenhänge in der Natur und zeigt auf, was passiert, wenn die Natur aus dem Gleichgewicht gerät. Plötzlich fragte ein Kind: „Was ist denn das hier?“ Niemand von uns hatte je ein selbst gebautes Solargerät gesehen. Die Idee, unsere mitgebrachten Wienerle in einem Topf Wasser mit diesem Gerät durch die Sonne erwärmen zu lassen, stieß auf große Begeisterung und Faszination. Nach der Brotzeit ging es voller Elan auf Schatzsuche auf dem Gelände. Vorab waren kleine, bunte Edelsteine versteckt worden und siehe da, alle Steine wurden gefunden! Ein Spaziergang auf der Panzerwiese rundete das Programm ab. Auf dem Natur-Impuls-Pfad konnten die Kids viel über die Panzerwiese erfahren, Schmetterlinge und Pflanzen bestimmen und mit der Becherlupe alles ganz genau betrachten. Zurück auf dem Gelände des RIVA NORD gab es eine wunderbare Überraschung für die Kinder: ein Rasensprenger sorgte für Abkühlung und jede Menge Spaß, Gekreische und Gekicher. Allen Kindern war nach diesem Tag anzusehen, dass sie nicht nur von den vielen Naturerlebnissen begeistert waren, sondern auch sehr entspannt und entschleunigt. Der Naturraum wirkte beruhigend auf die Kinder, bot ihnen viele Sinneserfahrungen, zeigte Freizeitmöglichkeiten fernab vom Medienkonsum auf und förderte Natur- und Umweltbewusstsein. Es nahmen einige Kinder teil, die selbst noch nie auf der Panzerwiese gewesen waren oder sich wenig bis gar nicht in der Natur aufhalten. Alle teilnehmenden Kinder wollten das „Abenteuer Panzerwiese“ auf jeden Fall wiederholen! Katrin Pietsch-Störk, KoRi Schneckenstein, KJR Abenteuer Panzerwiese! Im Sommer ergab sich eine gewinnbringende Kooperation zwischen der KoRi Schneckenstein und dem Kinder- und Jugendraum RIVA NORD: ein Aktionstag für eine Kleingruppe von Kindergartenkindern auf der Panzerwiese 25 Jahre Night Auch der KJR war mit seinen fünf Nightball-Projekten in Bogenhausen, Giesing, Neuhausen, Neuperlach und Westend vertreten. Etwa 120 Gäste – darunter die Gründungsmütter und -väter aus Politik, Verwaltung und Praxis, Projektleitungen, Trainer*innen, Trägervertreter*innen, aktuelle und ehemalige Teilnehmende – folgten gespannt den Redebeiträgen und Grußworten der 3. Bürgermeisterin Verena Dietl, der (ehemaligen) Stadträtin Jutta Koller und des Vorstandsmitglieds des Vereins Stadtteilarbeit e.V. Michael Schrauth sowie einem Kurzfilm über Nightball in München und seine Entwicklung. Tosenden Applaus des Dankes erhielt Edip Güven – seit 25 Jahren Projektleiter von Nightball Milbertshofen – während ihm ein Ehrentrikot mit seinem Namen überreicht wurde. Verena Dietl betonte in ihrer Ansprache die Wichtigkeit der derzeit 14 Nightball-Projekte in München und dass sie sich für den Erhalt der Förderung und einen weiteren Ausbau einsetzen möchte. Ein wichtiges In großer Runde wurde am 20. Oktober in der Sporthalle der Grund- und Mittelschule an der Schleißheimer Straße 275 das 25-jährige Bestehen des Gewaltpräventions- und Sportprojekts Nightball Milbertshofen gefeiert Vertreter*innen von Nightball-Projekten in Trägerschaft des KJR: T. Walter-Zapart, J. Dietz, Ph. Wiertelorz, M. Dieber, L. Späth (v.l.n.r.) Spannend: mit der Becherlupe Insekten beobachten

11 das kommt | 05 | 2023 das war ball in München Sportprojekt! Sie schätzt den präventiven Charakter dieses sozialpädagogisch begleiteten Sportangebots in den späten Abendstunden v.a. für männliche Jugendliche und junge Erwachsene und verwies auf die jüngst veröffentlichte Statistik, nach der die Jugendgewaltstraftaten in München erstmalig wieder deutlich angestiegen seien. Besonderen Dank sprach sie auch den Projektleitungen und Trainer*innen aus, die bereit sind, jungen Menschen spätabends ein attraktives Sportangebot zu unterbreiten und ihnen zuverlässige Ansprechpersonen für Probleme jeder Art zu sein. Armin Schroth, Abteilungsleitung OKJA Süd, KJR Herbstferien Extra! Begonnen hat die Ferienwoche mit einer Stadtführung über den Viktualienmarkt, bei der die Kinder Wichtiges über Nahrungsmittel erfuhren. In den darauffolgenden Tagen kochten die Teilnehmenden in den Einrichtungen und entwarfen einen Essensstand. Mit Unterstützung der Betreuer*innen konnten sie ihre eigenen einzigartigen Stände aus Holz, Kartons, Farben und anderen Materialien gestalten. Von der bunten „Candy Factory“ (KJT ZeitFrei), einem echten „Foodtruck“ (OASE Neuhausen), der „Weihnachtsbude“ (SBZ Sendling) bis zum fantasievollen Pellmeni-Stand – die Vielfalt der Stände war beeindruckend und spiegelte die Vorstellungskraft und Kreativität der jungen Architekt*innen wider. Am Samstag fand das große Street-Food-Festival auf dem Gelände der Oase Neuhausen statt, zu dem auch Freunde und Familienmitglieder eingeladen waren. Die Besonderheit lag darin, dass die Kinder die Köche und Köchinnen waren – an ihren selbstgestalteten Essensständen. Mit Kochschürzen und Kochmützen ausgestattet, bereiteten sie Pellmeni, Spiralkartoffelchips, Chili sin Carne, Zuckerwatte, Waffeln und Slush-Eis zu. Die kulinarischen Kreationen waren ein Höhepunkt des Festivals. Von pikant bis süß, von traditionell bis experimentell. Die Besucher*innen konnten sich an den ungewöhnlichen Geschmackskombinationen und originellen Präsentationen erfreuen. Das Street-Food-Festival war zweifellos ein einzigartiges und inspirierendes Ereignis und ein Beispiel dafür, wie Bildung, Spaß und Gemeinschaft miteinander verschmelzen können. Es ermutigte Kinder, ihre kreativen und kulinarischen Fähigkeiten zu erkunden, förderte die Teamarbeit und vermittelte ihnen ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Elias Eberl, Ferienkoordinator, KJR Street-Food-Festival Das „Ferien Extra!“-Angebot war in diesen Herbstferien außergewöhnlich: das erste KJR-Street-Food-Festival, bei dem Kinder zwischen 7 und 13 Jahren die Hauptakteure waren, hat für Furore gesorgt. Es bot nicht nur ein Fest der kulinarischen Genüsse, sondern für die jungen Teilnehmenden auch die Gelegenheit, selbst in die Welt des Kochens und Standbaus einzutauchen

12 das kommt | 05 | 2023 das war Mädchen* Herbstvollversammlung Zunächst hatten zwei Mitorganisator*innen des Mobilitätswendecamps über ihren Protest zur IAA berichtet. Die Delegierten hatten auf der Frühjahrsvollversammlung beschlossen, das Camp zu unterstützen. In drei Arbeitsgruppen, die von Vertreter*innen der DGB-Jugend, von Animals United und vom Mobilitätswendecamp geleitet wurden, konnten sich die Delegierten danach über die verschiedenen Protestformen von Streik, über Massenaktionen, spektakuläre Aktionen und zivilen Ungehorsam informieren und diskutieren, wie es gelingen kann, Menschen für die eigenen Anliegen zu begeistern und andere zumindest zum Nachdenken anzuregen. Stadträtin Barbara Likus (SPD/Volt) freute sich in ihrem Grußwort der Landeshauptstadt München, dass München seit 1945 einen Kreisjugendring hat, der jungen Menschen Teilhabe und Mitbestimmung ermöglicht und sich für demokratische Grundwerte einsetzt. Sie fand es spannend, dass sich eine Vollversammlung mit unterschiedlichen Protestformen beschäftigt, hoffte, dass sie für ihr Grußwort nicht ausgeklatscht würde, und regte (mit einem Augenzwinkern) an, die „Tortung“ wieder häufiger zu nutzen. Der Vorstand berichtete über besondere KJR-Aktivitäten im vergangenen Halbjahr. So gab es Infos zu Vote16, zur U18-Wahl und zum deutlichen Rechtsruck in der Gesellschaft, zum ersten Auftritt des KJR beim CSD, zum größten OBEN OHNE Open Air und zum 9-Punkte-Plan, mit dem der KJR klimaneutral werden will. Zudem beschlossen die Delegierten den Wirtschaftsplan und die Verteilung der Jugendverbandsförderung. Hier dankte Vorstandsmitglied Hans Radspieler noch einmal den Verbänden für die große Solidarität untereinander, denn diesmal konnten nicht alle Bedarfe befriedigt werden. Neue Protestformen und Solidarität Mit unterschiedlichen Protestformen beschäftigten sich die knapp 80 Delegierten bei der Herbstvollversammlung des KJR am 14. November in der Pasinger Fabrik Da sich auch die Lebenswelt von Mädchen* und jungen Frauen* zunehmend in den digitalen Raum verschiebt, sind fachliches Wissen und praktische Methoden für pädagogische Fachkräfte unerlässlich. Nach dem gegenseitigen Kennenlernen in Form einer „lebenden Statistik“ wurde der Einstieg ins Thema über die Reflexion des eigenen Mediennutzungsverhaltens gestaltet. Anschließend gaben die Kolleginnen* von mira einen Einblick in verschiedene digitale Gewaltformen und veranschaulichten diese Mein Nein im Die diesjährige Fachveranstaltung der Reihe „Mädchen* im Diskurs“ widmete sich der Selbstbehauptung von Mädchen* im digitalen Raum. Am 12. Oktober kamen zwölf Kolleginnen* im Club Hasenbergl zusammen, um am Workshop von mira Mädchen*- bildung teilzunehmen Die Verteilung der Jugendverbandsförderung wird genehmigt

13 das kommt | 05 | 2023 das war im Diskurs Netz mit Praxisbeispielen aus ihren Schulworkshops. Viele Zahlen und teils ernüchternde Fakten zu erlebten Grenzüberschreitungen im Netz betonten die Wichtigkeit des Themas in der Mädchen*arbeit. Anschließend hatten die Teilnehmerinnen* die Möglichkeit, entweder an Fallbeispielen zu arbeiten oder ihr persönliches „Halt, Stopp“-Meme für das Ziehen eigener Grenzen in den sozialen Medien zu gestalten. Neben dem Erproben von Methoden zur Arbeit mit Mädchen* gab es viel Raum für den fachlichen Austausch untereinander und die Reflexion persönlicher Haltungen und Erfahrungen. Zum Schluss bekamen die Pädagoginnen* Informationen und Adressen zur digitalen Selbstbehauptung. Ein gelungener Vormittag: In entspannter und kollegialer Atmosphäre wurden alle Teilnehmerinnen* auf den aktuellen Stand in der schnelllebigen Social-Media-Welt gebracht und die Relevanz des Themas wurde verdeutlicht. Durch das Kennenlernen von Methoden und Anlaufstellen konnten etwaige Befürchtungen abgebaut werden. Katharina Fertl, Fachstelle Mädchen*, junge Frauen* und LGBTIQ, KJR Ergebnisse der U18-Landtagswahl 1.350 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben in 15 KJR-Wahllokalen „ihren“ Landtag gewählt. Und gezeigt: sie wählen anders als die Erwachsenen! Rot-Grün zusammen erhält bei den noch nicht Volljährigen fast die absolute Mehrheit, die CSU erreicht Platz drei, die AfD liegt mit gut 5 Prozent hinter der Tierschutzpartei und ist damit gerade noch im Landtag vertreten. Damit unterscheidet sich das Zweitstimmenergebnis der bayerischen U18-Landtagswahl in den Wahllokalen des KJR deutlich von der Stimmenverteilung der Erwachsenen in München und erst recht von der auf Landesebene. In München kommt etwa die SPD mit 12 Prozent nur auf die Hälfte der U18-Stimmen, die CSU hingegen erreicht mit 28,5 fast das Doppelte. Bayernweit geht die CSU mit 26 Prozent als stärkste Kraft hervor, gefolgt von der AfD mit 14,9 Prozent – bei der U18-Wahlsimulation liegen die beiden Parteien auf Platz drei beziehungsweise sieben. Fast absolute Mehrheit für SPD und Grüne Kinder und Jugendliche wählen ganz anders als die Erwachsenen – jedenfalls jene in den U18-Wahllokalen des KJR jugendgerecht aufbereitet, gab es viele Infos und Materialien rund um die Wahlen. Die Wahllokale organisierten Themenabende, Schulklassenprogramme, Ausstellungen und ein U18-Wahl-Quiz. Die Kinder und Jugendlichen wurden auch bei der Nutzung des Wahl-O-Mat oder der Seite „Voteswiper“ begleitet, das Demokratiemobil war vor Ort und natürlich wurde auch die eine oder andere Wahlurne gebastelt. Angeregt von den Wahlprogrammen der Parteien fand ein reger politischer Austausch unter den Kindern und Jugendlichen statt. Häufig gehörte Forderungen waren mehr Kindergeld und ein preiswertes oder sogar kostenloses Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln. Bei einem hohen Migrationsanteil unter den Wähler*innen wurden auch mehrfach Ängste in Bezug auf die AfD geäußert. Vom 21. bis zum 29. September durften ausnahmslos alle Kinder und Jugendlichen ihre Stimme abgeben, für die meisten war das Wählen eine neue Erfahrung. So kam es auch zu lustigen Situationen wie jene, in der ein Kind meinte: „Ach, ich sollte ein Kreuz machen? Ich habe ausgemalt!“. Die Wahl wurde überwiegend sehr ernst genommen, die Wähler*innen haben das nach der Wahl überreichte Wahlbändchen oder Wahl-Tattoo mit Stolz getragen. Mirjam Kranzmaier, Fachstelle Partizipation, KJR Der KJR engagiert sich bei Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen für die U18-Wahl, dieses Jahr stellte er die Hälfte aller Münchner Wahllokale. 13 Freizeitstätten in ganz München fungierten als Wahllokal, dazu kam noch ein mobiles Wahllokal des RIVA NORD an einer benachbarten Mittelschule und auch das zentral gelegene Münchner Haus der Schüler*innen war dabei. Die U18-Wahl funktioniert fast wie die reguläre Wahl, in Wahllokalen mit Stimmzetteln, Wahlkabinen und Wahlurnen. Kinder- und

KJR intern | 05 | 2023 14 ▲ Jubilarsehrung 2023 Sektgläser klingen im Pfarrsaal von St. Paul und es herrscht ausgelassene Stimmung, als am 16. November mehr als 30 KJR-Mitarbeitende für ihre langjährige Tätigkeit geehrt werden. Heuer durften die Jubilare und Jubilarinnen auch die Premiere des KJR-EscapeRooms erleben und viele spannende Rätsel lösen. Am Ende hatten sie es gemeinsam geschafft und den Schatz, den die KJR-Katze versteckt hatte, gefunden. KJR-Vorsitzende Judith Greil brachte gemeinsam mit Geschäftsführerin Claudia Caspari und Personalratsvorsitzender Lea Clauditz ihre Wertschätzung für das jahrelange Engagement der Mitarbeitenden mit berührenden Reden zum Ausdruck. Für 30, 35 und sogar 45 Jahre Arbeit im und für den KJR gab es langen Applaus. Und bei manchen der Geehrten war die eine oder andere Träne zu erkennen. Natürlich war auch ausreichend Zeit, um über alte Zeiten zu plaudern und in Erinnerungen zu schwelgen. ▲ Start der Bauarbeiten für Westend 66a An der Westendstraße 66a entsteht ein Neubau für das MKJZ, die KJR-Geschäftsstelle und viele weitere Angebote für junge Menschen. Generationen von jungen Leuten haben im Multikulturellen Jugendzentrum Westend (MKJZ) gespielt, gesportelt, gelernt und gefeiert, doch das Gebäude ist seit Jahren sanierungsbedürftig. Nun sind Strom und Wasser abgestellt und die Bagger rollen an, der Neubau beginnt. Bis zur Wiedereröffnung im Frühjahr 2026 werden gut zwei Jahre vergehen, wenn alles nach Plan läuft. Bis dahin müssen Kinder und Jugendliche jedoch nicht auf das MKJZ als Treffpunkt und Anlaufstelle verzichten. Die Arbeit geht in Containern am Georg-Freundorfer-Platz und in einem Bauwagen am bisherigen Standort weiter, das benachbarte Kös˛k ist in die Schillerstraße 38 umgezogen (s. S. 5). Das neue MKJZ wird nicht nur Münchens modernste und größte Freizeitstätte sein, es wird auch viele neue Nachbarn bekommen: Der KJR eröffnet hier einen Hort für 50 Grundschulkinder und eine mobile Tagespflege. Die Beratungsstelle „azuro“ ist Ansprechpartnerin für junge Menschen in dualer Ausbildung und hilft ihnen, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Auch die KJR-Geschäftsstelle wird hier einziehen, ebenso zehn Azubis und Freiwilligendienst-Leistende, die in zwei Wohngruppen eine bezahlbare Unterkunft finden. In den kommenden Ausgaben werden an dieser Stelle die neuen Angebote für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien an der Westendstraße 66a vorgestellt.

KJR intern | 05 | 2023 15 ▲ Azubi-Teambuilding Am 16. Oktober trafen sich die KJR-Azubis zum Teambuilding. Die Teilnehmenden konnten dabei ihre Teamfähigkeit stärken und gleichzeitig die Stadt München erkunden. Die City-Hunters-Schnitzeljagd bot eine spannende und interaktive Möglichkeit, Teamwork zu fördern. Während der Schnitzeljagd sollten die Azubis verschiedene Sehenswürdigkeiten in München entdecken und vor allem nach kleinen Details Ausschau halten. Von historischen Gebäuden bis hin zu modernen Kunstwerken gab es viel zu sehen und zu erleben. Nachdem das Team „AufStreife“ die Jagd zuerst abgeschlossen hatte, gelang es dem Team „MaxiMaxi“ mit dem höheren Punktestand, ein Unentschieden zu erreichen. Nach dem ganzen Sightseeing in München ging es danach zum Burger-Essen, um den gelungenen Tag ausklingen zu lassen. ▲ KJR-Führungskräftetagung ▲ Unterwegs in Sachen Personalgewinnung ▲ Ulrike Moeller verabschiedet Am 12. Oktober war der KJR auf der Berufsinformationsmesse in Germering. Die Germeringer Schulen boten ihren Schüler*innen mit 95 Ausstellern und 41 Vorträgen wieder ein attraktives Programm. Hier konnten wir neben unseren Freiwilligendiensten auch unsere kaufmännischen Ausbildungen sowie die Ausbildungen im Kita-Bereich präsentieren. Ebenfalls vertreten waren wir am 18.10. beim Career Day der KSH Benediktbeuern, am 18.11. beim Meet & Greet der Fachakademie München Mitte und am 29.11. beim Praxistag der Hochschule München. Von 11. bis 12. Oktober hat in Herrsching im Haus der bayerischen Landwirtschaft die diesjährige Führungskräftetagung des KJR stattgefunden, an der über 75 Einrichtungs-, Abteilungs-, Referats- und Teamleitungen sowie die Geschäftsführung und die Vorsitzende teilgenommen haben. Am ersten Tag haben die Teilnehmenden Seminare zu Führungsthemen besucht (z.B. Führung unter dem Gesichtspunkt Vielfalt/ Diversity, gesundes Führen, gehirngerechtes Führen). Am zweiten Tag stand vormittags „Positive Kommunikations- und Konfliktkultur“ im Mittelpunkt, nachmittags folgte die Vorstellung der 2-Jahres-Ziele 2024-2025 sowie ein reger Austausch mit Vorsitzender und Geschäftsführung in Form einer Fishbowl-Diskussion. Darüber hinaus haben die Teilnehmenden die beiden Tage ausführlich zum informellen Austausch und auch Kennenlernen neuer Kollegen und Kolleginnen aus den verschiedenen Arbeitsbereichen des KJR genutzt. Am 25. Oktober war für Abteilungsleiterin Ulrike Moeller (rechts im Bild) nach 36 Dienstjahren auf unterschiedlichsten Stellen Schluss. Sie hatte bereits ihre Schlüssel abgegeben, als sie zur Abschiedsfeier in der KJR-Geschäftsstelle kam. KJR-Vorsitzende Judith Greil bedankte sich für ihr Engagement, ihre Hartnäckigkeit und ihre Streitbarkeit. Bei allen Kontroversen ging es Ulrike immer um die Anliegen von jungen Menschen, besonders von Mädchen*, jungen Frauen* und Kindern – und sie konnte oft auch überzeugen. Ihre Abteilungsleitungs-Kolleg*innen hatten zum Abschied gekonnt gedichtet und sorgten für amüsiertes Schmunzeln und laute Lacher. Ulrike dankte für ihre Zeit im Jugendring, der sich im Laufe der Jahrzehnte, aus ihrer Sicht, positiv veränderte. Sie freute sich, dass ihre Diskussionsfreudigkeit oft auch Wirkung gezeigt hat und ermutigte die Kolleg*innen, die Chance zu nutzen und sich zu Wort zu melden. „Der KJR ist ein Arbeitgeber, der Kritik hören will und andere Positionen aushält und sich damit auch konstruktiv auseinandersetzt.“ Wir wünschen alles Gute und vor allem Gesundheit im Ruhestand!

16 das kommt | 05 | 2023 das war „Das ist aus mir geworden“ Täglich besuchen viele Kinder und Jugendliche die KJR-Einrichtungen. Was ist eigentlich im Laufe der vielen Jahre aus ihnen geworden? Welche Wirkung hatte der Kontakt mit den Pädagoginnen und Pädagogen in den Einrichtungen, die Teilnahme an einer Ferienfahrt oder einem Bildungsangebot? In dieser Serie berichten ehemalige Besucherinnen und Besucher über ihre Erlebnisse und wie sie auf dem Weg zum selbstbestimmten Leben gut begleitet und individuell unterstützt wurden. Lang ist‘s her – läuft bei mir! Fritz (76) war ab 14. September 1965, dem Tag der Eröffnung des Freizeitheims Milbertshofen (heute TASSO33), ca. sechs Jahre lang regelmäßiger Besucher. Christopher (32) besuchte ab 2004 fünf Jahre lang den Kinder- und Jugendraum RIVA NORD. Kennengelernt habe ich Tom Droste vom RIVA NORD 2004 bei einem Angebot für Bogenschießen in einer benachbarten Einrichtung. Das war der Beginn einiger kleiner Abenteuerreisen. Ich war 13 Jahre alt, meine Eltern hatten sich gerade getrennt. Plötzlich fehlte der Vater. Wohin soll man dann mit dem Frust, der Wut, der Trauer und der Suche nach Orientierung? Da kamen die Angebote von Tom und dem RIVA zum rechten Moment. Der Bogensport hat es mir dann angetan. Er vereint körperliche Anstrengung und Konzentration mit Erholung für Geist und Körper. Nach jedem Spannen des Bogens und dem Fokussieren des Ziels folgt die Entspannung beim Schuss und das gute Gefühl zu treffen. Die Probleme des Alltags rücken dabei wie von selbst in den Hintergrund. Konsequenterweise wurde ich dann Mitglied in einem Bogensportverein. Mit 18 Jahren war ich das erste Mal im Freizeitheim Milbertshofen und war fünf bis sechs Jahre lang regelmäßig dort. Von den Angeboten habe ich z.B. das Fotolabor genutzt – das mir anvertraut wurde. Dann Gewichte stemmen im Fitnessraum – den Raum habe ich selbst eingerichtet. Und Disko-Partys und Tanzkurse – dabei habe ich übrigens meine Ehefrau kennengelernt. Seifenkisten bauen … Überhaupt konnte man seine Talente entdecken, Aufgaben wurden verteilt nach Anlage und Talent. Treffpunkt für alle war immer das Freizeitheim. Und dann gab es, wie gesagt, einige abenteuerliche Fahrten mit Flussbefahrungen: Isar, Loisach, Donau, Tiroler Ache. Wildes Campen, einfache gute Brotzeiten, Lagerfeuer. Aber auch heftige Gewitter, bei denen wir uns unter einer einfachen Plane zusammenkauerten, oder kleine Verletzungen und Kenterungen – es war eine tolle Zeit. Seit 12 Jahren engagiere ich mich ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr und bin inzwischen Referent für Absturzsicherung und Atemschutz. Auch beruflich habe ich meinen Weg verfolgt, eine Ausbildung zum Anlagentechniker erfolgreich absolviert und bin nun technischer Leiter eines neu eröffneten Hotels hier in München. Ob es heute noch Dinge gibt, an die ich denke oder die ich beherzige? Es ist, glaube ich, die Summe der gemeinsamen Aktionen und die gute Beziehung zu Tom und seine klaren Ansagen. Für mich hatte Tom immer den Hut auf. Das hat mir wohl Halt und Orientierung in schwierigen Zeiten gegeben. Auch heute noch schaue ich gerne bei Tom vorbei.

17 das kommt | 05 | 2023 das war Lang ist‘s her – läuft bei mir! In der Zeit meiner Krankheit wurde ich durch das ganze Team unterstützt. Ich machte eine Malerlehre und stürzte vom Gerüst, dabei brach ich mir beide Arme und war lange Zeit krank. Deshalb durfte ich trotz meines Alters schon am Nachmittag in den Offenen Treff, sonst wäre mir die Decke auf den Kopf gefallen. Generell gab es viel Unterstützung und Hilfe bei allen Problemen. Es wurden Musikauftritte ermöglicht bei Festen und Feiern im Freizeitheim. Uns wurde vermittelt, dass Kameradschaft und Freundschaft an erster Stelle stehen und dass man sich gegenseitig unterstützt. Das Sozialverhalten wurde gefördert. Die Zeit im Freizeitheim war wichtig für den späteren Lebenslauf, wir wurden fürs Leben geprägt. Es war gut, dass wir gerade in der Nachkriegszeit und in Zeiten von Armut und kleinen, beengten Wohnverhältnissen ins Freizeitheim gehen konnten und somit von der Straße weg waren. Die Leute im Freizeitheim waren unsere Ersatzfamilie. Inzwischen bin ich Rentner und kümmere mich um die Kinder und Enkelkinder. Ich mache Musik mit der MilGang-Band aus Zeiten vom Freizeitheim, wir sind seit 50 Jahren Freunde. Und seit 50 Jahren findet auch regelmäßig ein Treffen von Ehemaligen im TASSO und mit dem Team statt. Emin (60) besuchte in den 70er Jahren das Freizeitheim in der Danklstraße (heute SBZ Sendling). Ich heiße Emin und bin 1963 in der Türkei in Abana geboren. 1973 bin ich nach Deutschland gekommen und habe in München Sendling die Grundschule in der Implerstraße besucht. Durch meine Freunde habe ich das Freizeitheim Sendling in der Danklstraße kennengelernt. Nach der Schule habe ich meine Hausaufgaben mit Hilfe der Betreuer gemacht. Nach den Hausaufgaben haben wir Tischtennis, Volleyball, Fußball und weitere Aktionen dort ausgeübt. In meinem Leben hat der Pädagoge Edi Wolf eine sehr große Rolle gespielt, von seinen Erfahrungen konnte ich in meinen Leben sehr viel nutzen. Ich habe später als Ehrenamtlicher unterschiedlichste Angebote in der Einrichtung unterstützt. Heute arbeite ich in Flüchtlingsunterkünften und Obdachlosen-Heimen. Die 10 Jahre im Freizeitheim haben mich auch in meinem Privatleben sehr weitergebracht. Auch heute treffe ich mich noch mit einigen Leuten von damals. Tatsächlich gibt es noch so viel zu erzählen, dass ich ein Buch schreiben könnte. Meine Erfahrung ist, dass man das nicht erzählen, sondern leben muss. Ich habe meine schönsten Jahre in diesem Freizeitheim verbracht und den damaligen Pädagogen möchte ich einen großen Dank aussprechen. Jugend mit dem KJR Radikal jung!? – Früher anders? Viele Kinder und Jugendliche haben in den vergangenen Jahrzehnten die Einrichtungen des KJR München-Stadt besucht. Einige haben uns erzählt, wie sie die Zeit in ihrer Einrichtung empfunden haben. Der älteste Ehemalige ist heute 78 Jahre alt und sagt „ohne Freizeitheim wären wir alle auf die schiefe Bahn geraten!“ Alle Geschichten, vereint in der Ausstellung „Lang ist’s her – läuft bei mir! Vol. 2“, können noch bis 29. März 2024 in der KJR-Geschäftsstelle (1. OG) betrachtet werden. Zusätzlich zur Broschüre, die weiterhin in Papierform erhältlich ist und auch als Download zur Verfügung steht, sind alle Beiträge der ehemaligen Besucherinnen und Besucher nun auch virtuell zu erkunden. www.kjr-url.de/lih

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