K3 No. 4 - Oktober 2023

| 04 | 2023 21 Halbzeit für die Jugendpolitischen Forderungen des KJR Schwerpunkt Freiräume für junge Menschen schaffen – notwendiger denn je Platz da! Jetzt erst recht Die Jugendzeit ist eine Phase, in der sich junge Menschen von den Eltern lösen und sich stärker Gleichaltrigen zuwenden. Sie stehen zunehmend auf eigenen Beinen und gehen erste Verselbständigungsschritte. Freiräume, also nicht bereits von Erwachsenen vordefinierte und geplante Räume, sind in dieser Lebensphase besonders wichtig. Um herauszufinden, welchen Weg man als junger Mensch einschlagen will, ist es wichtig, sich ausprobieren zu können, Umwege gehen zu dürfen und dabei auch Grenzen auszutesten. Allerdings tragen gesellschaftliche Entwicklungen dazu bei, dass junge Menschen an bestimmten Stellen immer weniger Freiräume haben (z.B. zeitliche Freiräume, weil diese insbesondere durch Schule verplant sind oder Räume in Städten, in denen aneigenbare und gestaltbare Flächen seltener werden). Jungen Menschen Freiräume zu ermöglichen, ist Teil der jugendpolitischen Forderungen des Kreisjugendring zu den Kommunalwahlen 2014 und 2020 unter dem Motto „Platz da!“. Auch die Kommission des 15. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung aus dem Jahr 2017 stellte diese Forderungen auf. In beiden wird beansprucht, Freiräume für junge Menschen zu schaffen – Freiräume ohne Verzweckung, Fremdbestimmung und Leistungszwang, aber mit der Möglichkeit, sichtbar sein zu können, ohne zu stören und sich nicht anpassen zu müssen. Orte, an denen sich junge Menschen treffen und auch einfach nur gemeinsam „abhängen“ können. Unwiederbringliche Lebensabschnitte Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie standen diesen Forderungen deutlich entgegen und erst spät wurde anerkannt, dass die Bedürfnisse junger Menschen zu wenig berücksichtigt wurden (vgl. AGJ 2021). Aber wie deutlich waren die Einschränkungen junger Menschen wirklich? An welchen Stellen wirkten sich die Einschränkung der Freiräume besonders aus und was lässt sich daraus für heute folgern? Wie wichtig die Schaffung solcher Freiräume für junge Menschen nach den Einschränkungen im öffentlichen Raum für junge Menschen sind, verdeutlichen die Ergebnisse der bundesweiten AID:A-Befragung („Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“) des Deutschen Jugendinstituts e.V. (DJI) im Pandemiejahr 2021. Hier wurden junge Menschen gefragt, inwiefern sie den Eindruck haben, dass ihr Leben an manchen Stellen ausgebremst wurde und welche für das Jugend- und junge Erwachsenenalter typischen Erfahrungen und Ereignisse wegen Corona verschoben, abgebrochen oder rückgängig gemacht werden mussten. Abbildung 1 gibt Hinweise darauf, dass Corona junge Menschen an verschiedenen Stellen ausgebremst hat. So hat der größte Anteil der Befragten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren ausgefallene, verschobene oder rückgängig gemachte Ereignisse bzw. Pläne direkt mit Corona in Zusammenhang gebracht. Nur bei jeweils einem sehr kleinen Anteil der Befragten konnten Ereignisse aus anderen Gründen nicht stattfinden oder mussten verschoben werden. Jugendtypische Erfahrungen wie die Erweiterung von Mobilitätsräumen (z.B. Auszug aus dem Elternhaus), Zusammenkünfte mit Peers im Rahmen von Feiern oder eine zunehmende finanzielle Unabhängigkeit von den Eltern waren beeinflusst. Die Pandemie hat allerdings nicht alle Jugendlichen im gleichen Maße betroffen. Die Mehrheit der jungen Menschen hat die Erfahrung gemacht, dass wegen Corona wichtige Feste nicht gefeiert werden konnten. Sind in diese Zeit besonders prägende Feste wie der 18. Geburtstag als Startpunkt in die gesetzliche Volljährigkeit oder die Schulabschlussfeier gefallen, hat der Verzicht darauf junge Menschen möglicherweise nochmal stärker getroffen, da diese nur einmal im Leben stattfinden und auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht nachgeholt werden können. Aufgrund von Corona haben immerhin auch zwei Drittel einen längeren Urlaub oder eine große Reise nicht gemacht – darunter deutlich häufiger diejenigen aus finanziell besser gestellten Haushalten. Junge Menschen in finanziellen Belastungslagen haben wiederum häufiger angegeben, dies unabhängig von Corona nicht gemacht zu haben. Etwas weniger als die Hälfte gab an, dass ein Praktikum, ein Engagement in einem Freiwilligendienst oder ein Auslandsaufenthalt wegen Corona zumindest verschoben werden mussten, wobei dies von mehr als der Hälfte der Minderjährigen und einem Drittel der 18- bis 25-Jährigen genannt wurde. Einer von zehn jungen Menschen hat sein Studium oder seine Ausbildung nicht wie geplant begonnen oder musste diese(s) abbrechen. Junge Menschen mit Migrationshintergrund hat dies häufiger getroffen Abbildung 1: Ausgebremstsein durch Corona (Anteile in %) Ja, aber nicht wegen Corona Ja Nein zurück zu Eltern gezogen 2% 7% 91% nicht bei Eltern ausgezogen 8% 9% 83% Nebenjob verloren 2% 10% 88% Ausbildung, Studium nicht wie geplant begonnen/ abgebrochen 3% 11% 86% Praktikum, FSJ, Auslandsaufenthalt nicht wie geplant begonnen/ abgebrochen 2% 44% 54% keinen längeren Urlaub/ große Reise gemacht 7% 65% 28% wichtiges Fest nicht gefeiert 3% 79% 18% Quelle: AID:A 2021, Altersgruppe: 15- bis 25-Jährige, n = 864-1.608, Daten gewichtet, eigene Berechnungen. Fragestellung: „Manche junge Menschen haben den Eindruck, Corona hat ihr Leben an manchen Stellen ausgebremst. Wie war das bei dir? Denke bitte an die Zeit der Corona-­ Pandemie bis heute. Wegen Corona …“

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