Dachzeile 34 das kommt | 03 | 2023 Fachkräftemangel Schwerpunkt Neugier und Pioniergeist im beruflichen Alltag bewahren Rollentausch mit Maske In Zeiten von Corona – erinnert sich noch jemand? – waren insbesondere die Kindereinrichtungen hoch belastet. Personalengpässe waren an der Tagesordnung, sodass der KJR einen Aufruf für die Unterstützung der Kolleginnen* und Kollegen* startete. Wer in den Jugendeinrichtungen arbeitete, konnte für einen begrenzten Zeitraum in den KiTas aushelfen. Der Autor hat dies getan und viel gelernt. Mein Einsatzort für mehrere Arbeitstage war die Kindervilla Theresia in der Fritz-Endres-Straße. In je zwei Kindergarten- und Hortgruppen werden dort täglich 100 Kinder zwischen 3 und 10 Jahren betreut. Während der Pandemie fehlten krankheitsbedingt immer wieder Mitarbeiter*innen in der Einrichtung, sodass der Unterstützungsaufruf des Trägers mehr als gerechtfertigt war. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen habe ich einen Arbeitstag pro Woche in der Kindervilla zugebracht und so gut es ging in den Gruppen ausgeholfen. Ich habe dabei in erster Linie ein Quantum Demut gelernt. Ich bin seit 1999 im Jugendinformationszentrum beschäftigt, das ich seit 2004 leite. Vorher habe ich acht Jahre in einem Jugendzentrum im Landkreis München gearbeitet. Insofern wage ich zu behaupten, auf eine gewisse Berufspraxis zurückblicken zu können. Ich bin entsprechend auch Kummer und belastende Arbeitstage gewöhnt. Trotzdem weiß ich auch, wie sich ein sinnvoller und spannender Arbeitsalltag anfühlt. All das habe ich in der wenigen Zeit, die ich in der Kindervilla zugebracht habe, wie in einem Brennglas verdichtet von Neuem erlebt. Es mag sich ein wenig phrasenhaft anhören, aber die Arbeit mit den Kindern auf der Theresienhöhe hat mich mehr als berührt. In den Zeiten der Pandemie waren die Kids vielfältigen Belastungen ausgesetzt, mussten für sie schwer verständliche Anweisungen befolgen (Masken tragen, Kontakte einschränken, komische Wattestäbchen in die Nase stopfen, Abstand halten) und ihr Alltag war auf einmal voller skurriler Einschränkungen. Trotzdem sollten sie in der Schule „funktionieren“ und Leistung erbringen. Die Kindereinrichtung war für sie ein unterstützender Ort, wo sie ihre Freundinnen und Freunde in einem anderen Rahmen erleben konnten und auch wohlwollende Begleitung durch die Erzieher*innen erfuhren. Ein Arbeitgeber – (fast) unendliche Perspektiven Ich habe im Rahmen meiner Möglichkeiten versucht, mich einigermaßen nützlich zu machen und schlimmstenfalls nicht allzu sehr im Weg rumzustehen. Ich habe auf die Kinder beim Spielen im Garten der KiTa aufgepasst, mich mit ihnen unterhalten, Essen ausgegeben, wurde den Spielhügel rauf und runter gejagt, habe bei den Hausaufgaben geholfen und sogar als Streitschlichter brilliert. Letzteres behaupte ich jetzt mal ganz kühn … Womit ich fette Pluspunkte sammeln konnte, war mein Zeichentalent. Ich kann praktisch auf Knopfdruck lustige Tiere malen. Das war‘s dann auch schon mit meinen malerischen Fähigkeiten, aber für den einen oder anderen Moment war ich damit der King. Weiterhin bin ich Besitzer einer hochwertigen Drohne, mit der man tolle Luftaufnahmen machen kann. Die habe ich an einigen Tagen mitgebracht und das staunende Publikum mit dem summenden und brummenden Luftgefährt unterhalten. Als Nebenprodukt entstanden erstaunliche Fotos von Kindern, die mit offenem Mund in die Luft starren. Sehr niedlich! Für alle, die es interessiert: Die Bilder sind natürlich auf der Speicherkarte von mir gelöscht worden und befinden sich ausschließlich auf dem Rechner der KiTa-Leiterin. Das Wichtigste jedoch, was ich bei meinen Arbeitseinsätzen in der Kindervilla Theresia gelernt habe, ist: Was die Kolleginnen* und Kollegen* in den Kindertageseinrichtungen täglich leisten und was sie vor allem in der Pandemie auf die Beine gestellt haben, ist mehr als bewundernswert. Die Belastungen waren und sind außerordentlich hoch und sollten von Seiten der Gesellschaft meines Erachtens deutlich besser honoriert werden; nicht zuletzt finanziell. Durch die Mithilfe in der Kindervilla Theresia habe ich zumindest einen kleinen Einblick davon erhalten, welches Arbeitspensum dort erbracht wird. Ich bin zugleich auch froh, dass mir der KJR diesen Rollentausch ermöglicht hat. Die Chance, Einblicke in eine völlig andere Arbeitsumgebung zu erhalten (auch wenn es unter den Bedingungen der Pandemie passierte), sollte man sich nicht entgehen lassen. MICHAEL GRABER, Jahrgang 1960 aus Marl (Nordrhein-Westfalen), Studienabschluss als Diplom-Pädagoge (Erziehungswissenschaften) der Universität Göttingen, Leiter des Jugendinformationszentrum (JIZ) München, KJR Irgendjemand musste da ja auch mal aufräumen – und da kam ich ins Spiel … Foto: Bruno auf Pixabay
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