Dachzeile 22 das kommt | 03 | 2023 Fachkräftemangel Schwerpunkt Was macht Arbeitsplätze in der Jugendarbeit attraktiv? Veränderung aus eigener Kraft Jugendarbeit, nach den einschlägigen Paragrafen im deutschen Sozialgesetzbuch, stellt einen kleinen, aber konstanten Teil der Jugendhilfestruktur in Deutschland dar. Ausbau der Sozialinstitutionen Die staatlichen Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe wurden von 2009 bis 2019 verdoppelt, obwohl die Anzahl der jungen Menschen abnahm. Der am stärksten wachsende Bereich ist die Jugendsozialarbeit. Das Personal der stationären Heimerziehung wurde verdoppelt. Nur vier Prozent der Ausgaben entfallen dabei bundesweit auf Einrichtungen der Jugendarbeit. Erhebliche Veränderungen gehen mit dem Ausbau von Kindertageseinrichtungen, Ganztagsschulen und Schulsozialarbeit einher. Sie stellen nicht nur eine Reaktion auf soziale Problemlagen dar, sondern auch auf die Bedingungen, die sich durch eine hohe Beschäftigungsrate von Frauen mit engen zeitlichen Ressourcen ergeben. Im Vergleich der Ressourcen erkennt man unschwer die Anforderung an Jugendarbeit, das eigene Profil auszuarbeiten und positiv abzugrenzen. Zunahme der Handlungsfelder der Sozialen Arbeit und Jugendhilfe Allein der Blick auf die Agenda der sozialen Felder und Aufgaben in Bayern zeigt, dass die Diversifizierung voranschreitet und damit auch die Spezialisierung. Oft wird das sozialräumliche, offene Handlungsfeld Jugendarbeit trotz der starken Strukturen in Bayern wenig gekannt und unterschätzt. Auch im Rahmen von Studienangeboten taucht es zu wenig auf. Wenn das Handlungsfeld die Nachfrage erhöhen möchte, muss nicht nur Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch das Studienangebot verstärkt werden. Tatsächlich muss sich Jugendarbeit so gesehen einer harten „Konkurrenz“ stellen, bzw. sozialräumlicher denken und engere Vernetzungen eingehen. Braucht das Arbeitsfeld der Jugendarbeit nur einen neuen Anstrich oder muss man grundsätzlich daran arbeiten, wie sie wahrgenommen wird? Jugendarbeit zeichnet sich insbesondere durch eine Verbindung von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Strukturen aus. Um eine zeitgemäße, professionelle Jugendarbeit in Deutschland zu gewährleisten, müssen ausreichend Fachkräfte mit der Qualifikation „Soziale Arbeit/ Sozialpädagogik“ und einer staatlichen Anerkennung bzw. einem entsprechenden fachlichen Hintergrund gewonnen werden. Fachkräftemangel zeichnet sich mittlerweile in vielen Branchen in Deutschland ab. Auch in der Jugendarbeit ist die Problematik in den letzten Jahren deutlicher geworden. Bei vielen offenen Stellenangebote fehlt es an qualifizierten Bewerbungen. Das ist ein beunruhigender Befund, der mehrere negative Folgen haben könnte: Zum einen kann Jugendarbeit nicht ausreichend und qualifiziert angeboten werden. Zum anderen könnte die Situation zu einer weiteren Abwertung des für viele junge Menschen so wichtigen Handlungsfeldes führen. Zum dritten könnte Politik daraus ableiten, das Angebot der Jugendarbeit sei doch nicht so notwendig und würde mühsam erkämpfte Stellen wieder abbauen. Jugendarbeit als Teil der Jugendhilfe und Sozialen Arbeit Ein erster Schritt kann sein, sich die Arbeitsfeldentwicklungen anzusehen. Dabei möchte die Autorin dafür plädieren, die hauptamtlich ausgeübte Jugendarbeit als Teilbereich der Jugendhilfe und damit auch im Zusammenhang mit der Sozialen Arbeit zu betrachten. Sozialberatung, Sozialarbeit und Sozialpädagogik haben in Deutschland merklich an Gewicht gewonnen. Migrationsbewegungen, Armutsprozesse und weitere gesellschaftliche Entwicklungen erhöhen die Bedarfe merklich. Der „Markt“ der Sozialen Arbeit stellt sich also für Arbeitssuchende derzeit sehr günstig dar, sodass die jeweiligen Arbeitsstellen gutes Marketing und gute Bedingungen aufweisen müssen, um Fachkräfte anzuziehen. Foto: Pascua Theus auf Pixabay Mach mit! Forschungsinterviews im Rahmen des Forschungsprojektes: „Was macht Arbeitsplätze der Jugendarbeit attraktiv?“ (Projektleitung: Prof. Dr. Regina Münderlein unter Mitarbeit von Studierenden im berufsbegleitenden Studiengang „Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit“ der Hochschule Kempten) https://bit.ly/3Xf3wZt Demografischer Wandel Gegenläufig ist die Zahl der potentiellen Besucher*innen der Jugendarbeit. Die junge Bevölkerung in Deutschland nimmt kontinuierlich ab. 2019 betrug in Deutschland der Anteil der Heranwachsenden (unter 20-Jährige) an der Bevölkerung 18 Prozent. Noch in den 1990ern waren es 25 Prozent (im Osten) bzw. 21 Prozent (im Westen Deutschlands). Auch hierbei wird ein „Marktgesetz“ deutlich: Wo weniger junge Menschen sind, muss das Angebot passender und zielgruppengerechter gestaltet werden, um die entsprechenden Gruppen anzuziehen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Tätigkeitsfelder für sozialpädagogische Fachkräfte anspruchsvoller werden. Das erfordert gute Fortbildungsstrukturen, Qualitätsmanagement und Lernbereitschaft der Organisation und des Personals. Positive Entwicklungen Unschwer lässt sich in diesem kurzen Überblick erkennen, dass wir heute tatsächlich von stark veränderten Bedingungen ausgehen müssen, wenn wir nach Lösungen für den Fachkräftemangel suchen. Allerdings stehen der Jugendarbeit auch ganz neue Ressourcen zur Verfügung: das Wissenschaftsnetzwerk Kinder- und Jugendarbeit, der Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit, die Unterstützung der Youth Work/Jugendarbeit von Seiten der Europäischen Ebene und starke Dachverbände oder das Fachportal der Kinder- und Jugendhilfe. Was kann aber nun tatsächlich getan werden, um die Attraktivität der Jugendarbeit im eigenen Bereich zu erhöhen? Auf der Ebene der Träger stellt sich die Frage: Wie kann das Profil der Einrichtung mit so-
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