K3 No. 2 - Mai 2023

| 02 | 2023 17 Leben in der Stadt Schwerpunkt Was macht eigentlich ein Nachtbürgermeister? Die Nacht gehört euch! Kay Mayer ist seit knapp zwei Jahren Nachtbürgermeister in der Landeshauptstadt und in dieser Funktion Aufklärer, Zuhörer, Netzwerker und Macher. Ein Gespräch über Nachtkultur in München. und unbürokratisch eigene Veranstaltungen durchführen zu können. Ein zweiter Punkt sind Feierkollektive, mit denen wir gemeinsam Flächennutzungsvorschläge erarbeiten. Im letzten Jahr haben wir uns bereits mit dem nächtlichen Feiern für Jugendliche unter 18 Jahren befasst. Dabei sind Sicherheit und Awareness wichtige Aspekte. Wie wird es beispielsweise möglich, dass alle Menschen diskriminierungsfrei feiern können? Damit beschäftige ich mich gemeinsam mit einem Fachgremium. Außerdem bietet MoNa Nachtspaziergänge an, um sich über gewisse Gegebenheiten an Ort und Stelle ein Bild zu machen. Also doch nur junge Menschen als Zielgruppe? Nein, nicht nur, es halten sich (gottseidank) auch „Ältere“ im Nachtleben auf, aber natürlich sind viele nachtkulturelle Angebote auf jüngeres Publikum ausgerichtet. Übrigens: Meine Arbeit richtet sich auch an den potenziellen Nachwuchs in der Branche. Es herrscht vor allem ein Mangel an Frauen, die diese berufliche Richtung einschlagen wollen. Das liegt möglicherweise daran, dass die Angebote nicht mehr zu jeder Zeit die Wünsche der Zielgruppen abbilden. Das Anwachsen der alternativen Feierkollektive ist u.a. dadurch zu erklären, dass sie näher an den Menschen sind; Stichwort Veranstaltungen ohne Konsumzwang oder jugendkulturelle Authentizität der Angebote … Wird man im genannten Interessendreieck nicht aufgerieben? Nicht zwingend. Bei den Jugendpartys sind wir etwa schon ein gutes Stück vorangekommen. Hier macht sich die zentrale Funktion des Nachtbürgermeisters bezahlt, weil ich mich voll auf solche Themen fokussieren und gemeinsam mit Kooperationspartner*innen Maßnahmen erarbeiten kann. Ich will Synergie und Vernetzung zwischen den Akteuren herstellen – zwischen Sozialem, Wirtschaft und Kultur. Eine spannende und vielseitige Nachtkultur ist schließlich auch ein Argument für die Attraktivität einer Stadt. Gibt es eine Art Vision für Ihre Tätigkeit? Nicht zuletzt Corona hat uns gelehrt, dass (junge) Menschen gemeinsam Angebote wahrnehmen wollen – beispielsweise Angebote des Feierns. Am besten sind solche Angebote, die selbst mitgestaltet werden können. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass Heranwachsende lernen, sich zu präsentieren, sich zu positionieren und negative Aspekte der Nachtkultur erkennen. Das „OBEN OHNE“ des Kreisjugendrings folgt diesem Ansatz. Das Modell Jugendparty beweist zudem, dass solche Angebote niedrigschwellig sein müssen und ggf. eine finanzielle Förderung brauchen. Die etablierte Club-Kultur will ich ermutigen, ihre Angebote auch für junge Leute zu öffnen, um Sicherheit in einem quasi geschützten Raum zu bieten. Dabei sprechen wir u.a. von aufmerksamem Barpersonal, Security-Leuten oder einer Awareness-Kultur. Man müsste dazu ja bereits in der Stadtentwicklung ansetzen … Die gute Nachricht ist, dass ich mit meiner Arbeit nirgends auf echte Widerstände treffe. Allen Beteiligten ist klar, dass es in der Stadt Möglichkeiten der Nachtkultur geben muss. Doch es bleiben weiter die berühmten dicken Bretter. Klar – strategisch muss es Ziel sein, bereits in die Stadtplanung bzw. Quartiersentwicklung eingebunden zu werden, weil man so frühzeitig Chancen und mögliche Konfliktstellen identifizieren könnte. In dem Zusammenhang wird der Beschluss des Bundestages eine wichtige Rolle spielen, Clubs als Kulturstätten anzuerkennen. Wenn dieses Gesetz kommt, leitet sich daraus ein Anspruch auf attraktive Kulturstätten ab. Das wird spannend. Voraussetzung bleibt, dass sich die Stadtgesellschaft dazu positioniert, welche Art von Nachtkultur sie haben will. Es braucht von allen Gruppen Wie kam München zu einem Nachtbürgermeister? Kay Mayer: Ursprungsidee war, dass es in der Stadt eine zentrale Anlaufstelle für das Nachtleben geben sollte. Im Zuge dessen wurde die „Fachstelle MoNa“ (Moderation der Nacht) eingerichtet. Das Repräsentieren des Nachtlebens, quasi die „Nachtbürgermeister“-Funktion ist ein Teil der Arbeit in der Fachstelle. Zuvor gab es bereits die „Fachstelle AKIM“ (Allparteiliches Konfliktmanagement in München), die immer wieder mit Anliegen und Anfragen aus der Bevölkerung zu allen Themen rund ums Nachtleben konfrontiert war. Daraus entstand ein Strategieprozess, um diese Anliegen bündeln zu können – eine Maßnahme war die Einrichtung der Funktion der Nachtbürgermeisterin bzw. des Nachtbürgermeisters, die oder der die „Fachstelle MoNa“ leitet. Letztlich bewege ich mich damit in einem thematischen Dreieck zwischen Wirtschaft, Kultur und sozialem Miteinander. Kann man sich Ihre Arbeit so vorstellen: um 20 Uhr sperrt Dieter Reiter sein Büro zu und dann übernehmen Sie die Geschicke der Stadt? Der „Nachtbürgermeister“ ist keine politische Instanz, also nein. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die zentrale Anlaufstelle für alle Angelegenheiten, Probleme und Bedarfe des Nachtlebens zu sein. Ich kann diese nicht alle alleine lösen, bin aber erstmal immer der richtige Ansprechpartner. Wie erkennen Sie die entsprechenden Bedarfe in der Stadt? Als ich angefangen habe, bin ich vor allem Klinkenputzen gegangen – habe mich bekannt gemacht, MoNa vorgestellt und dabei auch nach Bedarfen und Wünschen bzw. Problemen gefragt. Meine Tour ging von der Polizeiinspektion über die StadtschülerInnenvertretung und Streetwork bis zu den Kulturschaffenden. Bald darauf wurde der „Runde Tisch Nachtleben“ als ständiges Gremium ins Leben gerufen. Bei all dem ist mir Partizipation wichtig. Welche Themen treiben die Stadtgesellschaft denn aktuell um? Im Moment arbeite ich an einem Pilotprojekt für ein Jugendparty-Modell. In anderen Städten gibt es die Möglichkeit für Jugendgruppen und junge Veranstalterkollektive, auf bestimmten Flächen leichter Der Nachtbürgermeister ist natürlich auch tagsüber unterwegs, um die Akteure der nächtlichen (Feier-)Kultur zu vernetzen. Foto: privat

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