K3 No. 1 - Februar 2023

| 01 | 2023 15 Frieden (und Krieg) Schwerpunkt Demokratie und Frieden Frieden ist möglich – dauerhaft „Frieden in Europa – und überall“ war im letzten Jahr das Thema von Sommer.dok. Schon in der Planung war uns klar, dass Frieden das bestimmende Thema für Sommer.dok 2022 werden sollte. Perspektive für eine friedlichere Welt Neben Kants Annahmen werden in der modernen Politikwissenschaft auch entscheidungs- und spieltheoretische Gründe für den demokratischen Frieden angeführt. Im Gegensatz zu Autokratien (Diktaturen) benötigen Regierungen in Demokratien die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung. Die Menge an Menschen, die überzeugt werden müssen, ist in einer Demokratie deutlich größer als in Autokratien, in denen sich die Machthaber auf wenige sehr mächtige Personen stützen. Dadurch müsste auch eine Mehrheit der Bevölkerung von einem Krieg überzeugt werden. Da Krieg in der Regel abgelehnt wird, ist es schwer bis unmöglich, eine Mehrheit für einen Krieg gegen eine andere Demokratie zu gewinnen. Durch transparente Strukturen, friedliche Machtübergabe und Abwahl von Regierungen sind deshalb Kriege zwischen Demokratien nicht zu beobachten. Das heißt allerdings nicht, dass Demokratien keine Kriege führen. Kriege gegen Nicht-Demokratien werden geführt und sind tendenziell wahrscheinlicher. Auch Kolonialkriege trüben das Idealbild des demokratischen Friedens. Es gibt Hinweise, dass Demokratien, wenn sie Kriege führen, entschlossener kämpfen und mehr Ressourcen mobilisieren als Nicht-Demokratien. Dies lässt sich aktuell im Russland-Ukraine-Krieg gut beobachten. Die Theorie des demokratischen Friedens kann eine Perspektive für eine friedlichere Welt aufzeigen. Wenn immer mehr Menschen in Demokratien leben, sinkt die Wahrscheinlichkeit neuer Kriege. Daher sollte die Demokratisierung ein Ziel einer auf Frieden ausgerichteten Weltordnung sein. Insbesondere sind demokratische Strukturen Garanten eines langfristigen und nachhaltigen Friedens zwischen Staaten. Das globale Erstarken von Nicht-Demokratien ist daher auch ein Risiko für den Frieden. Frieden ist nicht nur ein außenpolitisches Phänomen, sondern auch ein gesellschaftliches Prinzip. Für eine friedliche Gesellschaft ist es auch erforderlich, dass Konflikte innerhalb von Staaten friedlich gelöst werden. Im Gegensatz zu Autokratien gelingt es in Demokratien, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen und insbesondere Machtübergaben durch Wahlen und Regierungswechsel friedlich zu vollziehen. Während Autokratien ihre Macht auf Gewalt stützen müssen, ist Macht in Demokratien durch Mehrheiten, Prozesse und Institutionen fundiert. Demokratische Strukturen schaffen so nicht nur eine friedliche Welt zwischen Staaten, sondern eröffnen auch friedliche Wege innerhalb von Gesellschaften, anstehende Konflikte auszutragen und zu lösen. L E ON HE C KMANN, Jahrgang 1997 aus Stuttgart, Studium Politikwissenschaft in Mannheim, Prag und München, aktuell im Master Politics & Technology an der TU München. Er gehört zum Sommer.dok- Team. Literatur ■ De Mesquita, Bruno / Morrow, James D. / Siverson, Randolph M. / Smith, Alastair. 1999. „An Institutional Explanation of the Democratic Peace.” The American Political Science Review 93 (4): 791-807. ■ Gratzke, Erik. 2007. „The Capitalist Peace.” American Journal of Political Science 51 (1): 166-191. ■ Hegre, Havard / Ellingsen, Tanja / Gates, Scott / Gleditsch, Nils Petter. 2001. „Toward a Democratic Civil Peace? Democracy, Political Change, and Civil War, 1816-1992.” American Political Science Review 95 (1): 33-48. ■ Kant, Immanuel. 1795. Zum ewigen Frieden. Königsberg: bey Friedrich Nicolovius. Beim Sommer.dok 2022 stand diese Frage natürlich im Mittelpunkt der Angebote und Diskussionen. Auch 2023 ist Frieden wichtiger denn je. Dabei ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg. Dennoch sind friedliche Beziehungen zwischen Staaten essenzielle Voraussetzung für friedliche Gesellschaften. In der politikwissenschaftlichen Friedensforschung gibt es das „Gesetz des demokratischen Friedens“. Wie hängen also Demokratie und Frieden zusammen? Das Gesetz des demokratischen Friedens geht auf einen Aufsatz von Immanuel Kant zurück. 1795 legt Kant in seinem Essay „Zum ewigen Frieden“ die theoretischen Grundlagen. Lange Zeit wurde diesem Werk wenig Beachtung geschenkt. Seit den 1960er Jahren erlebt Kants theoretische Argumentation jedoch eine Renaissance, als in der modernen Politikwissenschaft die empirische Realität entdeckt wurde, dass es in den letzten 200 Jahren keine bzw. kaum Kriege zwischen Demokratien gegeben hat. Diese Beobachtung ist so überzeugend, dass man auch vom „Gesetz des demokratischen Friedens“ spricht – für eine Sozialwissenschaft erstaunlich, da man dort bei vermuteten Zusammenhängen in der Regel nicht so schnell und deutlich von einem Gesetz spricht. Zur Erklärung dieser empirischen Beobachtung eignen sich Kants Gedanken sehr gut und haben so Einzug in die moderne Friedens- und Konfliktforschung gefunden. Kant führt dies auf drei Eigenschaften von Demokratien (er spricht von Republiken) zurück: die republikanische bzw. demokratische Struktur der Staaten, die friedliche Gemeinschaft, die demokratische Staaten untereinander bilden, sowie eine Kultur der universellen Gastfreundschaft zwischen Demokratien. In modernen Staaten wird die universelle Gastfreundschaft vor allem im Sinne von engen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und kulturellem Austausch zwischen Demokratien interpretiert. Foto: Julian Schulz

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