K3 No. 1 - Februar 2023

Schwerpunkt: Frieden (und Krieg) www.kjr-m.de Abschied nach drei Jahrzehnten für Jugendarbeit und Demokratie Lieber Ernst – Habe die Ehre! Auf dem Weg zum „neuen Normal“ Das Magazin des Kreisjugendring München-Stadt 29 . JAHRGANG | AUSGABE 1 | FEBRUAR 2023

| 01 | 2023 2 das war Inhalt 3 kurz & knapp / 4 Impressum / 24 zum Schluss das kommt Noch vor gut einem Jahr hätten wir das Thema womöglich gar nicht im K3 behandelt – und schon gar nicht unter den aktuellen Eindrücken eines Krieges direkt vor unserer Haustür. Seit dem 24. Februar 2022 stellen sich nun plötzlich ganz andere Fragen – für pädagogische Teams und auch für Kinder und Jugendliche, die erkennen müssen, dass es sich in der Ukraine um kein Computerspiel, sondern um bittere Realität handelt. Für diejenigen, die mit Heranwachsenden arbeiten, bekommt das Schlagwort der Friedenspädagogik eine ungeahnte Brisanz, die man lange nicht für möglich gehalten hat. Kurzum: Zeit, über Frieden (und Krieg) in diesem K3 zu reden … Ab Seite 14 Schwerpunkt: FRI EDEN (UND KRI EG) Klimaneutraler KJR mit dem 9-Punkte-Plan 5 Auf dem Weg zum „neuen Normal“ Sylvia Holhut geht in den Ruhestand 6 Abschied nach drei Jahrzehnten für Jugendarbeit und Demokratie Ernst Grube ist 90 geworden und Ehrenbürger von München 7 Lieber Ernst – Habe die Ehre! Endlich wieder eine Ferienfahrt 10 Next Stop Südkorea 76. Kinder- und Jugendforum 11 Diskutierfreudige Atmosphäre im Münchner Rathaus Lang ist‘s her – läuft bei mir! 12 Das ist aus mir geworden Berufsbegleitender Studiengang 13 Erfolgreich gegen Fachkräftemangel Jahresausstellung in der Rathausgalerie 13 In aller Öffentlichkeit Im Studio 4 produzieren Ingrid Zorn und Frauke Gnadl vom KJR-Referat ÖA Hörbeiträge, die den K3 ergänzen und begleiten. Unterstützt wird das Studio 4 von Wolfgang Haberl (Fachstelle MuT) und dem Café Netzwerk, das die Podcast-Ausstattung zur Verfügung stellt. Zu dieser Ausgabe: Interviewmit Sylvia Holhut (s. auch S. 6). www.kjr-m.de/k3-1-23

| 01 | 2023 3 kurz & knapp 11. KJR-Hallenfußballcup 2023 Der neue Weltmeister ist gefunden, doch wer holt sich den viel spannenderen Titel: „KJR-Hallenfußballcup-Sieger 2023“? Die Auflösung gibt es am Samstag, den 11. März 2023 in der LOK Freimann, wenn in der benachbarten Turnhalle der Willy-Brandt-Gesamtschule der Filzball rollt. Teilnehmen können Mädchen-, Jungen- und gemischte Teams von Freizeitstätten aus München und Umgebung in den Spielklassen U11 (Jahrgänge 2012 und jünger) und U14 (Jahrgänge 2009 und jünger). Seit einem Jahrzehnt lädt der KJR in der kalten Jahreszeit zum Kicken in der Halle ein. Nach zwei Jahren Zwangspause freuen wir uns, den Cup wieder in einer neuen Dreifachhalle ausrichten zu können. Los geht es am Samstag mit dem Check-in um 10 Uhr in der LOK Freimann, für Verpflegung und Getränke während des Turniers ist gesorgt, die Siegerehrung findet gegen 18 Uhr statt. Anmeldungen sind bis zum 7. März möglich. Weitere Infos unter www.kjr-fussballcup.de. Anmeldegebühr: 10 Euro pro Team. Digitale Häppchen „Reinschnuppern und digitale Themen entdecken!“ ist das Motto des Fortbildungsformats „Digitale Häppchen“. Am 14. Juni 2021 hat der Geschäftsführende Ausschuss des KJR die Digitalisierungsstrategie beschlossen. Eine zentrale Frage war, wie es gelingen kann, die digitalen Kompetenzen der Mitarbeitenden zu fördern und sie niedrigschwellig auf Themen aufmerksam zu machen. Die „Digitalen Häppchen“ setzen darauf, dass innerhalb des KJR bereits vielfältige digitale Kompetenzen vorhanden sind und passgenauere Formate entstehen, wenn die Themen von Mitarbeitenden für Mitarbeitende angeboten werden. Im Januar 2022 fand das erste 90-minütige Häppchen „Datenschutz Basics“ statt. Auch 2023 bieten ca. alle 3 Wochen Mitarbeitende digitale Themen für ihre Kolleginnen und Kollegen über Zoom an. Die Häppchen sind so gestaltet, dass auch Zeit für Fragen und Ausprobieren bleibt. Ein kurzer Einblick, der Lust auf mehr wecken soll. Diskussionsimpuls zu Partizipation Der Münchner Stadtrat hat 2019 – auf Initiative der Jugendverbände, des Münchner Trichters und des KJR – die Erstellung eines Rahmenkonzepts Kinder- und Jugendbeteiligung beschlossen. Der Bearbeitungsprozess geriet allerdings aus unterschiedlichen Gründen ins Stocken. Der KJR-Vorstand sieht hier Handlungsbedarf und möchte den Prozess für ein Münchner Rahmenkonzept Kinder- und Jugendbeteiligung neu beleben. Daher wurden von unterschiedlichen Beteiligten im KJR umfangreiche Diskussionsimpulse formuliert. Dieses Papier soll nun als Grundlage dienen für Gespräche mit der Stadtpolitik, der städtischen Verwaltung, in Diskussionsrunden und Fachveranstaltungen. Ziel ist es, baldmöglichst ein Rahmenkonzept Kinder- und Jugendbeteiligung in München beschließen zu können, denn Partizipation ist ein Grundrecht. Die Diskussionsimpulse zur Partizipation junger Menschen in München sind nachzulesen unter www.kjr-url.de/dis 36 Meter Kunst Nach Motiven von Kindern und Jugendlichen haben die niederländischen Künstler*innen Krista Burger und Kenneth Letsoin eine 36 Meter lange Wand am U-Bahn-Aufgang Neuperlach-Zentrum gestaltet. Begonnen hat das von Färberei und Kös˛k organisierte partizipative Kunstprojekt bereits in den Sommermonaten 2022. Im Rahmen ihrer Residency arbeiteten Krista und Kenneth in Workshops mit Kindern und Jugendlichen der Neuperlacher Einrichtungen Come In und der Internationalen Montessori Schule Campus di Monaco zusammen. Dort entstanden die Motive für das Kunstwerk, das am 10. November feierlich eingeweiht wurde – mit dem jungen Kunstkollektiv m4a und dem mobilen Soundsystem, mit Visuals des Münchner Videokünstlers Genelabo sowie mit den Beteiligten. Ein großer Dank geht an das Baureferat München für die finanzielle Förderung und die gute Zusammenarbeit bei der Umsetzung dieses tollen Projekts! Foto: Andrea Huber

4 | 01 | 2023 Einweihungsfeier im Stockwerk29 Da s S to ckwe r k29 im Haus der Jugendarbeit (Rupprechtstraße 29) wird von mehr als zehn jungen Gruppen, Kollektiven, Jugendverbänden aus München selbst organisiert und gestaltet. Stück für Stück wurde es 2022 umgebaut. Auch Struktur und Konsens für die Selbstorganisierung wurden ausgearbeitet. Bei der Einweihungsfeier mit etwa 90 Personen am 19. November haben sich die Gruppen vorgestellt. Aktuell dabei: Junge Presse e.V., Kollektivis e.V., Animals United, Heimaten e.V., Puente, München International, Die Aktion!, KJR-Fachstelle Inklusion, ESports und AFS. Der KJR hat den Umbau gefördert. Die Räume des Stockwerk29 sind jetzt als Co-Working-Space nutzbar, z.B. als Treffpunkt für Plena, für Veranstaltungen, aber auch als offener Raum für Austausch innerhalb und zwischen den Gruppen. Jugendliche und junge Erwachsene können sich hier ausprobieren, organisieren, weiterbilden und vernetzen. Ziel ist es, dass diese Räume belebt und dynamisch bleiben. Neue junge Gruppen, die mit gesellschaftlichen Ereignissen oder sozialen Bewegungen entstehen, sollen aufgenommen werden können. 6 Tage, über 100 Programmpunkte, 1500 Teilnehmende Eine lebendige Stadtgesellschaft braucht mehr freie Räume für junge Menschen, um deren Selbstentfaltung, Politisierung und Sozialisierung zu ermöglichen! Mit dem Forum für Freiraum stellte die Initiative Freiräumen – ein offenes Bündnis von mehreren jungen Kollektiven im Kontext Freiräume und Jugendkultur – von 26. bis 31. Dezember 2022 erneut ihre Forderungen für mehr selbstbestimmte Freiräume und ein neues Kulturverständnis an die Stadt München. Den ganzen Artikel lesen unter www.kjr-url.de/k3-ff Ausgabe 1/2023 | erschienen am 27.2.2023 Verleger: Kreisjugendring München-Stadt des Bayerischen Jugendrings Paul-Heyse-Str. 22, 80336 München Telefon 089 / 51 41 06-978, Fax 089 / 51 41 06-45 E-Mail: info@kjr-m.de, Internet: www.kjr-m.de Verantwortlich: Judith Greil, Vorsitzende Redaktion: Angelika Baumgart-Jena (verantwortlich), Kathrin Bautz Lilien Capune, Michael Graber, Kerstin Hof, Marko Junghänel, Valeria Moskalenko, Charlotte Schober. Armin Schroth, Gecko Wagner, Ingrid Zorn Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder Titelbild: Philippe Degroote/GettyImages Verwaltung: Jana Beyreuther Layout: Fa-Ro Marketing, München Druck: Senser-Druck, Augsburg Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier Auflage: 2.600 Exemplare Abonnementpreis: Der Bezug ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Erscheinungsweise: 5 Ausgaben jährlich Nächste Ausgabe Erscheinungsdatum: 2.5.2023 Redaktionsschluss: 20.3.2023 Sie erhalten fünfmal jährlich das KJR-Magazin K3. Gerne möchten wir Ihnen unser Magazin weiterhin zusenden. Gemäß der DSGVO informieren wir Sie, dass wir die Adressdaten ausschließlich für den Versand des K3 verwenden, es sei denn, Sie sind bei uns in weiteren Verteilern eingetragen (z.B. für Fachtagungen). Die Daten werden grundsätzlich nicht an Dritte weitergegeben. Sie können das K3-Magazin jederzeit abbestellen bzw. sich aus den Verteilern löschen lassen. Bitte senden Sie dazu eine E-Mail an k3@kjr-m.de Gefördert aus Mitteln der Landeshauptstadt München Hier geht’s zum als FlippingBook: 4 | 01 | 2023 Impressum Musikalische Neuigkeiten Das MusikMobil startet das Jahr 2023 mit spannenden neuen Pro jekten, be i denen die Kreativität von Jugendlichen und Kindern gefragt ist. Schauspiel, Musik, Kostüme und Drama gibt‘s beim KJR-Kettenmusical, das ab März in OKJA-Einrichtungen erdacht, gespielt und gefilmt wird, um am Ende ein patchworkartiges Gesamtergebnis auf Video zu haben. Als Bühne dafür könnte schon bald das MusikBike dienen, das im Frühjahr die Arbeit des MusikMobils unterstützt. Und auch bei Kids on Stage können Szenen aus dem Musical aufgeführt werden. Texte, Beats, Singer-Songwriter, Street Photography – wird beim häuserübergreifenden Stadttei lprojekt „Du und dein Giesing“ erlebt. Mit Zettel und Stift, Kamera und Fragen im Gepäck gehen Jugendliche auf die Straße, um Ideen zu sammeln, die in Kunst verwandelt werden. Die entstandenen Fotos und Musik sind ab 21. April in der Färberei zu sehen. kurz & knapp

5 | 01 | 2023 Der 9-Punkte-Plan kurz erklärt Was ist der 9-PunktePl an? De r „9PP“ i s t ein Konzept, mit dem der KJR mit all seinen Einrichtungen und Mitarbe i tenden bi s zum Jahr 2035 klimaneutral werden soll. Die größte Bedeutung hat dabei die Reduktion von Kl imagasen. Die Idee von Kompensationszahlungen steht weit im Hintergrund. Alle Einrichtungen, alle Referate und die gesamte Verwaltung machen teamweise mit. Jedes Team wählt jedes Jahr einen der neun Punkte und reduziert in diesem Bereich möglichst viele Emissionen dauerhaft. Die neun Punkte sind: Mobilität, Ernährung, Beschaffung, Zero Waste, Fortbildungen, Aktionen, Kooperationen, eigene Ideen und als Letztes Kompensationen. Zum Beispiel werden Arbeitsabläufe innerhalb des KJR geändert und auf pädagogischer Ebene (weiterhin) viele Aktionen zu klimafreundlichem Leben stattfinden. Ziel ist es, die Veränderungen immer stärker in den Alltag einzubauen, so dass die Neuerungen „normal“ werden – ein „neues Normal“. Warum ist das sinnvoll? Wir arbeiten jeden Tag für die junge Generation. Wir tragen Verantwortung für die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in unseren Häusern ein- und ausgehen und die in unseren Jugendverbänden zuhause sind. Deren Zukunft zu sichern, muss der rote Faden unseres Handelns sein. Wie wollen wir das schaffen? Der vom Vorstand beschlossene 9PP wird ab 2023 umgesetzt. Dazu werden begleitende Treffen angeboten, in denen es um fachliche Hintergründe, Austausch und das Sammeln von Praxisbeispielen geht. Und um die Frage, wie die Einsparungen von Dauer sein können. Und was passiert um uns herum? Die Stadt München hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden, die Verwaltung der Stadt sogar schon bis 2030. Auch das bayerische Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Behörden und Einrichtungen beim Klimaschutz eine Vorbildfunktion einnehmen, z.B. in der Materialbeschaffung oder bei der Energieeinsparung. Bis 2030 soll eine klimaneutrale Verwaltung erreicht werden. Für die Staatskanzlei und die Staatsministerien schon bis 2023! Auf dem Weg zum „neuen Normal“ Seit diesem Jahr greift der 9-Punkte-Plan im KJR. Damit wollen wir in zehn Jahren weitgehend klimaneutral sein. Der K3 informiert in jeder Ausgabe über Herausforderungen, Wissenswertes und erfolgreiche Projekte Klimamythos aufgeräumt: Kompensationszahlungen Bei „klimaneutral“ denken viele an Kompensationszahlungen. Ein klimafreundliches Leben ist aber kein moderner Ablasshandel. Am wichtigsten ist die Reduktion von Emissionen und das Ändern unseres Lebensstils. Das kann mühsam sein, ein „sich frei kaufen“ daher verlockend. Anbieter wie Atmosfair vermitteln das Gefühl: „Du musst nur ein bisschen mehr zahlen, dann kannst du fliegen, so oft du willst …“ Unser Planet ist aber zu klein und die Zeit zu knapp, um alle vorhandenen Emissionen zu kompensieren. Daher lautet das Prinzip: Erst vermeiden und reduzieren – und dann den wirklich unvermeidbaren Rest kompensieren. auf demWeg zum „neuen Normal“ KLIMANEUTRAL Das läuft schon im KJR … … beim Punkt Ernährung Im Oktober wurden an alle Teams Klimaboxen mit vielen Informationen und einer Fair-Trade-Schokolade als süße Motivation verteilt. Der Vorstand hat als erstes Team (s)einen Punkt für 2023 festgelegt: Ernährung. Die Vorstandssitzungen und -veranstaltungen sollen mit klimafreundlichen Nahrungsmitteln versorgt werden. Das Thema gesunde und nachhaltige Ernährung spielt schon seit zehn Jahren eine wichtige Rolle im KJR: Fast die Hälfte aller Einrichtungen ist mit dem internen natürlich²-Label zertifiziert und verwendet hauptsächlich Bio-Lebensmittel, achtet auf Fair-Trade und regionalen Einkauf. Klimaneutraler KJR mit dem 9-Punkte-Plan Neue Blickrichtung Einfach ausschneiden und hinten in die (durchsichtige) Handyhülle stecken. Oder in den Geldbeutel, an die Pinnwand oder den Kühlschrank. CO2 sparen im Urlaub Die einfachste, günstigste und effektivste Möglichkeit, richtig was fürs Klima zu tun: Gönn dir einen Urlaub, aber verzichte auf Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff. Wenn du deinen Urlaub ohne Flugzeug planst, hast du schnell mehrere Tonnen CO2 gespart! Zum Vergleich: Im normalen Alltagsleben verursacht ein Mensch in Westeuropa knapp 10 Tonnen CO2 pro Jahr. Ein Urlaubsflug in die USA und zurück verursacht zusätzliche 3 Tonnen pro Person! Durchschnittlicher CO2-Außstoß je Person: 10 Tonnen USA-Flug: 3 Tonnen Quelle: uba.co2-rechner.de In jedem K3 ein Tipp zu klimagerechtem Leben auf demW g zum „neuen Normal“ KLIMANEUTR a f demWeg zum „neuen Normal“ KLIMANE auf demWeg zum „neuen Normal“ KLIMA EUTRAL

6 das kommt | 01 | 2023 das war Sylvia Holhut geht in den Ruhestand Beim KJR heuerte Holhut schon 1992 an, sie belebte die Jugendverbandsarbeit neu und gründete 2002 die Fachstelle Inklusion. 2006 bekam sie den Auftrag, die Planungen zum künftigen NS-Dokumentationszentrum zu begleiten. Genauer gesagt, die Interessen junger Menschen dort einfließen zu lassen. „Das war nicht einfach, eine harte Zeit“, erinnert sie sich. „Bei den teilweise schwierigen Planungsphasen mit vielen Hindernissen und Diskussionen standen jugendliche Interessen und selbstbestimmte Bildungsideen nicht oben auf der Agenda“. Aus dieser Aufgabe erwuchs ein eigener Fachbereich im KJR: Die Fachstelle „Zeitgeschichtliche Projekte“, die seit 2014 „Demokratische Jugendbildung“ heißt. „Wir wollen nicht Zielgruppe sein, sondern selber machen!“ Holhut hat diesen Bereich aufgebaut, geleitet und dabei viel von Jugendlichen gelernt. Etwa bei den großen Jugenddiskussionen 2008 und 2011 um das NS-Dokuzentrum. Die zeigten zum einen, dass Jugendliche sehr wohl an Politik und Geschichte interessiert sind. Zum anderen, dass junge Menschen politische Bildung und Methodik selbst in die Hand nehmen wollen. Von vielen Jugendlichen bekam Holhut zu hören: „Wir wollen nicht immer nur Zielgruppe sein, sondern selber machen!“ Ein Beispiel für dieses Interesse und auch die Begeisterung junger Menschen ist die Filmdoku „Kick it like Kurt“ über den jüdischen FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer. „Das war ein grandioses, mutiges, junges Team“, erinnert sich Holhut. Die Jugendlichen hatten von Landauer erfahren, der auf Druck der Nazis 1933 als FC-Bayern-Präsident zurücktreten musste, später ins KZ Dachau kam und in die Schweiz fliehen konnte. Sie wollten seine Geschichte erzählen. „Sie sind über zwei Jahre drangeblieben“, erzählt sie begeistert, „auch ohne Hilfe des selbstzufriedenen Präsidiums des FC Bayern.“ Aus dem geplanten „kleinen Videofilm“ wurde eine einstündige Dokumentation, die 2011 DOK.Education des Dokumentarfilmfestivals in München eröffnete und später den „Münchner Bürgerpreis für Demokratie gegen Vergessen“ erhielt. „Wenn Jugendliche sich mit Geschichte beschäftigen, dann wollen sie das mit ihren Abschied nach drei Jahrzehnten für Jugendarbeit und Demokratie Sie hat Jugendliche mit Holocaust-Überlebenden wie Max Mannheimer, Martin Löwenberg oder Ernst Grube zusammengebracht. Sie hat einem jungen Filmkollektiv geholfen, die fast vergessene Geschichte des jüdischen FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer wachzuhalten. Und wenn in München das „Demokratiemobil“ aufkreuzt, geht das auf ihre Arbeit zurück. Nun verabschiedet sich Sylvia Holhut in den Ruhestand Nachruf Gottfried Kaiser ist am 17. Dezember 2022 verstorben. Er war seit 1990 Delegierter für die Adventjugend und wurde in der Frühjahrsvollversammlung 1999 zum ehrenamtlichen Rechnungsprüfer gewählt. Gottfried war bei den Finanz- und Förderausschüssen immer aktiv dabei und hat sich auch auf zahlreichen Vollversammlungen dem Thema Finanzen gewidmet. In seiner Zeit beim KJR hat er acht verschiedene Vorsitzende erlebt. Wir sind Gottfried Kaiser für sein jahrzehntelanges Engagement für die Jugendverbände sowie Kinder und Jugendliche in München sehr dankbar. Sein Wissen und seine Erfahrung sowie seine Verbundenheit zur Jugendverbandsarbeit werden uns fehlen. Sylvia Holhut hat die Fachstelle Demokratische Jugendbildung aufgebaut und 17 Jahre lang geleitet Holhuts Nachfolgerin Laura Pulz will „zusammen mit jungen Menschen aus der Vergangenheit lernen und für eine bessere Zukunft kämpfen“

7 das kommt | 01 | 2023 das war Ernst Grube ist 90 geworden und Ehrenbürger von München Ernst Grube, Überlebender des NS-Regimes und Holocaust wurde an diesem Abend nicht nur für seinen runden Geburtstag gefeiert, sondern vor allem für sein Lebenswerk, als Zeitzeuge, als entschiedener Streiter für eine gerechtere, solidarische, friedliche Gesellschaft, die alle Menschen ohne Unterschied in ihrer Mitte aufnimmt. Und dies immer in der Erinnerung an barbarische Zeiten, in denen Gewissen, Menschenrechte und Menschenliebe keinen Stellenwert besaßen, in denen er und seine Familie wegen ihrer jüdischen Wurzeln Ausgrenzung, Demütigung, Verfolgung und Verschleppung in das KZ Theresienstadt erfahren mussten. Dass sich auch München endlich seiner tiefbraunen Vergangenheit als „Hauptstadt der Bewegung“ stellt, seine Geschichte dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich macht, dafür setzte sich Ernst unermüdlich ein. Seine Gespräche mit Schüler*innen und Jugendgruppen bleiben ungezählt, sein Einsatz für diejenigen, die in unserer Gesellschaft keine Stimme haben, ist nicht genug zu würdigen. Staat und Behörden sahen das lange anders, überzogen Ernst Grube, den bekennenden Kommunisten, mit Haft und Repressionen und schämten sich nicht, ihn im bayerischen Verfassungsschutzbericht als linksextrem zu diffamieren. Der erfolgreiche Proteststurm kam aus der Gesellschaft, ebenso die Anerkennung seines immerwährenden Engagements mit Würdigungen und Preisen. An diesem 13. Dezember, dem Abend seiner Geburtstagsfeier, feierte ihn der ganze Saal und würdigte auch seine Frau Helga, die ihm eine so großartige Unterstützung ist. Schließlich wurde bekanntgegeben, Ernst Grube mit der Ehrenbürgerschaft der Landeshauptstadt München auszuzeichnen. Als KJR München-Stadt, dem Ernst immer verbunden ist, freuen wir uns ganz besonders Lieber Ernst – Habe die Ehre! 13. Dezember 2022, NS-Dokumentationszentrum: Ein übervoller Veranstaltungssaal, Vertreter*innen aus Politik, Weggefährt*innen, Mitstreiter*innen und Freund*innen sind gekommen, um einem zu gratulieren an einem Ort, für den er so viele Jahre leidenschaftlich gekämpft hat … und gratulieren aufs Herzlichste unserem Begleiter, unserem Vorbild und Freund! Sylvia Holhut, Demokratische Jugendbildung, KJR Sylvia Holhut geht in den Ruhestand eigenen Ideen, mit ihren Themen und Fragen und gerne auch experimentieren“, sagt die Pädagogin. Ein solches Experiment ist Sommer.dok – die JugendGeschichtsWerkstatt, die erstmals im Sommer 2013 auf den Königsplatz einlud. Seither zeigt Sommer.dok jedes Jahr, wie sehr sich die Beschäftigung mit Geschichte von angestaubten Geschichtsstunden unterscheidet, wenn Jugendliche und junge Erwachsene das selbst gestalten. Das Jugendprojekt erhielt für seine attraktive, partizipative und qualifizierte Bildung 2018 den 1. Preis des Mosaik-Wettbewerbs der Städte München und Nürnberg. Auch so kann ein Lernort ausschauen. Oder wie das feuerrote „Demokratiemobil“, das seit 2017 in München unterwegs ist und auf der Straße mit Menschen über Politik und Demokratie redet und sie zum Wählen motiviert. Die Fachstelle Demokratische Jugendbildung und ihre Leiterin Sylvia Holhut haben in den letzten 17 Jahren zahlreiche kleine und große Projekte angestoßen und realisiert und Ernst Grube als Zeitzeuge bei Sommer.dok oft auch in Kooperationen mitgewirkt. Einen guten Überblick über die erstem 10 Jahre gibt die 2017 erschienene Broschüre „10 Jahre Zeitgeschichtl iche Projekte – Demokratische Jugendbildung“ (abrufbar unter www.kjr-url.de/k3-zp). „Demokratie ist kein Dampfer, dessen Kapitän man sich anvertraut, sondern ein Boot, in dem wir alle mitrudern müssen!“ Besonders dankbar ist Holhut für die vielen Begegnungen mit Überlebenden des Nazi-Regimes, die sie im Laufe ihrer Arbeit kennenlernen durfte. „Sie waren und sind mir persönlich nicht nur Ratgeber und Ratgeberinnen, Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, sondern manchmal auch Freunde und Freundinnen geworden“, sagt sie. Am 31. Januar verabschiedete sich Sylvia Holhut in den Ruhestand. Für junge Menschen und unsere Gesellschaft als Ganzes wünscht sie sich, wie es der Jurist Fritz Bauer „perfekt ausgedrückt“ hat: „Demokratie ist `kein Dampfer, dessen Kapitän man sich anvertraut, sondern ein Boot, in dem wir alle mitrudern müssen´. Wir haben in unserer Demokratie eine sehr gute Grundlage. Sie ist nicht perfekt, aber es liegt an uns, sie zu gestalten und zu verbessern.“ Die Fachstelle Demokratische Jugendbildung wird die von Holhut begonnene Arbeit weiterführen und hat dafür in Laura Pulz eine engagierte neue Leiterin gefunden. Sie kommt von der Gewerkschaft Verdi zum KJR und kennt diesen bereits aus ihrer ehrenamtlichen Arbeit, unter anderem ihrer Vorstandstätigkeit von 2010 bis 2014. Ihr Ziel ist es, „zusammen mit jungen Menschen aus der Vergangenheit zu lernen und für eine bessere Zukunft zu kämpfen“. Gecko Wagner, Öffentlichkeitsarbeit, KJR Ausführliche Version des Textes und Audiobeitrag unter www.kjr-url.de/k3-sh

8 das kommt | 01 | 2023 das war Projektförderung I Mittlerweile hat sich Guerilla Gardening zum urbanen Gärtnern weiterentwickelt und verbindet den Protest mit dem Nutzen der Ernte und der Verschönerung trister Innenstädte durch bepflanzte Flächen. Auch für uns im Freizeittreff Freimann ist Guerilla Gardening eine Ausdrucksform des Protests. Unser Ziel ist es, über den Klimawandel aufzuklären. In Form von gesammelten Statements zu der Frage „Wie sieht eine klimagerechte Zukunft aus?“ wollen wir Kindern und Jugendlichen eine Stimme geben. Wir wollen innerhalb der Gesellschaft unseren Beitrag für eine respektvolle, buntere Welt leisten und Eigeninitiative, Solidarität und Verantwortung stärken. Kindern und Jugendlichen eine Stimme geben Bereits 2021 startete das urbane Gartenprojekt gegenüber der Einrichtung. Das damals vom BA 12 gefördert Projekt wurde von einer Fotografin begleitet. Hier wurden unter anderem zwei Bauzäune aufgestellt und mit upgecycelten Behältern bepflanzt. Der Arbeitsprozess sowie gesammelte Forderungen bzw. Statements der Kinder und Jugendlichen zu einer klimagerechteren Welt sind aktuell noch als Fotoausstellung im FZT Freimann zu besichtigen. Das Projekt mit dem neuen grünen Fleckchen in der Burmesterstraße erfreute sich großer Beliebtheit bei den Besucher*innen und Menschen aus dem Stadtteil. So war schnell klar: Das Projekt soll weiterwachsen und vermehrt Leute aus dem Stadtviertel miteinbeziehen. Gesagt, getan. An mehreren Aktionstagen wurden 2022 zwei neue Hochbeete sowie ein großer Pflanzenturm aus Kokosmatten und Estrich gebaut. Insgesamt wurden mehr als zwei Tonnen Erde und hunderte Liter Wasser benötigt. Neben den Statements der Kinder und Jugendlichen wurden eine Bank, die zum Verweilen einlädt, sowie zwei Regentonnen (inklusive Gießkannen) aufgestellt, die Passant*innen animieren sollen, Gießdienste zu übernehmen. Guerilla Gardening im Freizeittreff Freimann Als Guerilla Gardening (span. guerilla „kleiner Krieg“ und engl. gardening „Gärtnern“) wurde ursprünglich die heimliche Aussaat von Pflanzen als subtiles Mittel politischen Protests und zivilen Ungehorsams im öffentlichen Raum bezeichnet, vorrangig in bebauten Großstädten oder auf öffentlichen Grünflächen Projektarbeit im KJR München-Stadt Projektarbeit wird im KJR besonders gefördert, denn projektspezifische Arbeitsformen sind in allen Arbeitsfeldern geeignet, neue Ideen und Angebote zu entwickeln. Projektarbeit unterscheidet sich von der Regel- oder Routinearbeit durch eine begrenzte Aufgabenstellung mit inhaltlich oder methodisch innovativem Charakter. Projektarbeit ist immer ein effektives Lernfeld für alle Projektbeteiligten, die Professionellen wie die Kinder und Jugendlichen. Die Verpflichtung zur Dokumentation und Präsentation der geförderten Projekte ermöglicht, dass die gewonnenen Erfah rungen in die Arbeit weiterer Arbeitseinheiten einfließen. Im K3 berichten wir regelmäßig über solche Projekte. Es wurde eingepflanzt, was das Zeug hält. Zucchini, Tomaten, rote Beete, die verschiedensten Salat- und Kräutersorten und Erdbeeren. Ohne Beteiligung von Helfer*innen wäre es kaum möglich gewesen, dem Gartenprojekt gerecht zu werden. Vor allem während der bis zu 36 Grad heißen Sommertage war tägliches Gießen unausweichlich. Belohnt wurde die harte Arbeit mit einem Gemeinschaftsgefühl über die Pforten des Freizeittreffs hinaus. Durchweg erhielten wir positives Feedback. Gemeinschaftsgefühl und positives Feedback Aus der Ernte haben wir mit den Kindern und Jugendlichen tolle Gerichte gekocht und Kräutersalz hergestellt. Zudem gab es im August ein Erntefest vor der Einrichtung mit Live-Musik der Hausband Screaming Chili Beans – welch passender Name! Festzuhalten bleibt, dass die Aktion sehr öffentlichkeitswirksam war und gut in der Nachbarschaft ankam. Um das sehr zeit- und ressourcenintensive Gartenprojekt am Laufen zu halten, bedarf es aber noch mehr Hilfe von außen. Luca Cantarelli, Freizeittreff Freimann, KJR Ausführliche Version des Artikels lesen unter www.kjr-url.de/k3-fztf Den grünen Guerilla-Garten gegenüber dem Freizeittreff Freimann schmücken nicht nur Blumen, sondern auch Klima-Statements von Kindern und Jugendlichen

9 das kommt | 01 | 2023 das war Projektförderung II IRMo wird zu soundcafeBandsupport Gerade junge Musiker*innen kennen es nur allzu gut: Ein Schlagzeug passt alleine schon kaum ins Auto und dann ist kein Platz mehr für andere Instrumente und Verstärker – vorausgesetzt natürlich, man verfügt überhaupt über ein eigenes Auto, wenn man nicht schon wieder seine Eltern anpumpen will. Das soundcafe hat hierfür nun die Lösung! Im Herbst 2021 übernahm das soundcafe den Transporter des IdeenReichMobils (IRMo). Die Idee dahinter ist, ihn jungen Bands für ihren Equipment-Transport zu Auftritten in und um München zur Verfügung zu stellen. Viele junge Menschen haben heutzutage kein eigenes Fahrzeug und sind zudem zu jung, um sich bei Autovermietungen ein Fahrzeug zu leihen, von den Kosten einmal ganz abgesehen. Mit dem neuen Angebot schafft das soundcafe Abhilfe. Nach Übernahme des Fahrzeugs begann im Frühjahr ein breiter Beteiligungsprozess sowohl in den sozialen Medien als auch bei den hauseigenen Konzerten. Hieran nahmen viele junge Menschen teil, um über die Neugestaltung des Transporters abzustimmen. Nach Entfernung der alten Folien erstrahlt der Bus seit Oktober nun im neuen „Outfit“. Zeitgleich gestaltete ein junger Künstler der freien Kunstwerkstatt ein ansprechendes Plakat, welches nun den diversen ProberaumLocations in München zur Verfügung gestellt wird, um auf das Angebot aufmerksam zu machen. Mit dem neuen Bandsupport-Bus leistet das soundcafe einen weiteren Beitrag zur Unterstützung der Münchner Nachwuchsbandszene und vereinfacht die Realisierung von Live-Auftritten. Christian Kurzweil, soundcafe, KJR MKJZ bekommt Gütesiegel „Gut drauf“-zertifiziert Entspannung, Bewegung, frisches Obst und Gemüse: Das MKJZ Westend hat zum vierten Mal das „Gut drauf“-Zertifikat erhalten Mit der bundesweiten Aktion GUT DRAUF will die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) einen gesunden Lebensstil von Mädchen und Jungen von 5 bis 18 Jahren fördern. Dieser werde etwa durch qualifizierte Angebote zur ausgewogenen Ernährung, ausreichenden Bewegung und bewussten Stressregulation erreicht. Ziel ist, gesundheitsgerechte Angebote und Strukturen in den Lebenswelten von Heranwachsenden nachhaltig und nachweislich zu verankern. Alle drei Jahre vergibt die BZgA bzw. der gemeinnützige Verein transfer e. V., Das Multikulturelle Jugendzentrum (MKJZ) Westend freut sich über das „Gut drauf“-Zertifikat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung der GUT DRAUF umsetzt, ein entsprechendes Zertifikat an Einrichtungen, die diese Prinzipien gut umsetzen. Das Multikulturelle Jugendzentrum (MKJZ) Westend hat das GUT-DRAUF-Zertifikat nun zum vierten Mal in Folge erhalten. Um dessen Standards zu erfüllen, wurde zusammen mit den Kindern und Jugendlichen ein Entspannungsraum gestaltet und auch das Bewegungsangebot sowohl draußen als auch drinnen ausgebaut. Im Bereich Ernährung wird derzeit frisches Trinkwasser angeboten und im Café gibt es regelmäßig frisches Obst und Gemüse. „Ab sofort weist das GUT-DRAUF-Siegel offiziell nach, dass wir gesundheitsfördernde Angebote für die jungen Menschen bereithalten“, freut sich Einrichtungsleiter Ismail Sahin. Beatrix Köber, Münchner Wochenanzeiger Kein Auto, kein Geld oder zu jung für die Autovermietung? Der soundcafe-Bandsupport hilft weiter! Foto: Miroslav Mitrovic / MKJZ

10 das kommt | 01 | 2023 das war Endlich wieder eine Ferienfahrt Natur pur – Beste Voraussetzungen für „GUT DRAUF“-Module und Non-stop-Tanzen zu verlängerten Biederstein-Öffnungszeiten. Dank der Aktivierungskampagne des BJR konnte die Fahrt ins Allgäu sehr günstig angeboten werden. So war es für zehn Mädchen im Alter von 13 bis 18 Jahren aus dem Offenen Treff eine leichte Entscheidung, mit dabei zu sein. Gleich nach der Ankunft ging es an die 20 Meter hohe Kletterwand des Schullandheims. Ein abenteuerliches neues Erlebnis für die K-Pop-Tanz-Begeisterten. Die höchste Stelle erreicht, motivierte dies gleich alle zu mehrmaligen Wiederholungen. Mit regionalem vegetarischem und veganem Essen wurden alle Tage zum Genuss. Der notwendige Küchendienst „machte sogar Spaß“. Zu Beginn gab es ein „Speed Dating“, da sich die Teilnehmerinnen nicht wirklich kannten. Das gemeinsame Interesse an K-Pop war jedoch ihre Basis. Jeden Tag wurden neue Choreos geübt. Erkundungen der umliegenden herrlichen Natur mussten jedoch ausgehandelt werden. Maximal acht Minuten jeden Tag rausgehen war der größtmögliche Kompromiss der Teilnehmerinnen. Zum Glück ist der Ort nicht groß und konnte in dieser strikten Zeitvorgabe (fast) geschafft werden, so dass in den nächsten Tagen die Besuche einer 2000 Jahre alte Eibe, eines Käse-Automaten und der Höhenweg mit direkten Kontakten zu Kühen richtig gut waren und unzählige Male gepostet wurden. An einem Morgen wurden Next Stop Südkorea Nach der Generalsanierung und den anschließenden Corona-­ Bestimmungen konnte der Jugendtreff am Biederstein (JTB) nach über vier Jahren erstmals wieder eine Ferienfahrt anbieten: mit Zug und Bus zum Schullandheim nach Balderschwang ins schöne Allgäu … Acht Minuten Wanderung zum Käse-Automaten Natur pur, gleich gepostet! Kaum angekommen, ran an die Kletterwand! Endlich wieder eine Ferienfahrt! wir überrascht vom ersten Schnee in diesem Jahr. Als besonderes Highlight konnten wir eine Radiostation in dem kleinen Ort besuchen. Eine rundum erlebnisreiche Ferienfahrt, die eigentlich viel zu kurz war. Besondere Erkenntnisse der Gruppe waren zudem: „Biederstein braucht endlich einen eigenen Podcast“. Und der einstimmige Wunsch: „Next Stop: Südkorea“! Hierzu entstanden bereits erste interessante Finanzierungsmodelle. Video auf YouTube: www.kjr-url.de/k3-jtb Patricia Herzog, Jugendtreff am Biederstein, KJR

11 das kommt | 01 | 2023 das war 76. Kinder- und Jugendforum 92 Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 16 Jahren kamen zum 76. Kinder- und Jugendforum und stimmten positiv über zehn Anträge ab, für die im Anschluss Patinnen und Paten aus Politik und Stadtverwaltung gefunden wurden. Alle hatten die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden und sich in die Diskussion einzubringen. Anna, Carla und Flora, Besucherinnen des Natur- und Kulturtreff Rumfordschlössl, forderten beispielsweise mehr Sicherheit für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen durch einen Grünstreifen zwischen Fuß- und Radweg in der Franz-Joseph-Straße ab der Giselastraße. Nach viel Fürsprache durch das Publikum und einem wichtigen Hinweis aus der Expert*innen-Runde wurde der Antrag angenommen. Als Pate bzw. Patin waren Stadtrat Florian Schönemann und Sarah Kellermann vom Mobilitätsreferat schnell gefunden. Wir drücken den Mädchen die Daumen! Zur Unterstützung der realistischen Umsetzung und Klärung der Anträge waren beim Kinder- und Jugendforum diesmal insgesamt 19 Expertinnen und Experten aus dem Stadtrat und der Stadtverwaltung dabei. Dass gestellte Anträge schnell in die Realität umgesetzt werden können, zeigt ein Antrag der Helen-Keller-Realschule: Zwei Schüler*innen forderten, dass Busse an der Tivolistraße zu den Stoßzeiten häufiger fahren. Die MVG hat diesbezüglich bereits bekannt gegeben, dass ab dem 13. Februar 2023 vormittags eine zusätzliche Buslinie 154 zum Einsatz kommen wird. Ende Februar wird abschließend ein Auswertungstreffen der Klasse mit Pate Thomas Lechner (Stadtrat/ DIE LINKE) und Patin Sarah Kellermann (Mobilitätsreferat) stattfinden, die den schnellen Erfolg möglich gemacht haben. Mirjam Kranzmaier, Fachstelle Partizipation, KJR Marina Quinto, Studentin der Sozialen Arbeit Diskutierfreudige Atmosphäre im Münchner Rathaus Am 25. November 2022 war es endlich wieder so weit: Im großen Sitzungssaal des Rathauses wurden in konzentrierter und diskutierfreudiger Atmosphäre zahlreiche Ideen und Vorschläge für ein kinderfreundliches München zusammengetragen Fridas Erfolg beim 75. Münchner Kinder- und Jugendforum Mit ihrem Antrag beim 75. Münchner Kinder- und Jugendforum erreichte Frida mehr Sicherheit für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen am Siegestor! Frida aus dem Rumfordschlössl kam beim 75. Kinder- und Jugendforum, am 13. Mai 2022, auf die Bühne und erzählte von der kurzen Grünphase einer Fußgängerampel am Siegestor. Sie stellte den Antrag, den Ampelübergang am Siegestor sicherer zu gestalten. Der Antrag wurde einstimmig angenommen und Stadträtin Lena Odell übernahm die Patenschaft. Beim Vor-Ort-Termin am 24. Mai 2022 machten Frida und Lena Odell sich ein Bild von der Situation. Stadträtin Odell nahm die Beobachtungen mit, um eine Anfrage an das Mobilitätsreferat zu stellen. Das Mobilitätsreferat prüfte die Situation eingehend. Mitte Oktober erfuhr Frida, dass die Grünphase für die Fußgänger*innen leider nicht verlängert werden kann. Einen Teil-Erfolg erzielte Frida trotzdem. Die Sicherheit der Fußgänger*innen und Radfahrer*innen am Siegestor ist durch eine rote Bodenmarkierung verbessert worden. Zu kurze Grünphase: Frida aus dem Rumfordschlössl zeigt Stadträtin Lena Odell am Siegestor, wie sie die Sicherheit verbessern will

12 das war | 01 | 2023 „Das ist aus mir geworden“ Täglich besuchen viele Kinder und Jugendliche die KJR-Einrichtungen. Was ist eigentlich im Laufe der vielen Jahre aus ihnen geworden? Welche Wirkung hatte der Kontakt mit den Pädagoginnen und Pädagogen in den Einrichtungen, die Teilnahme an einer Ferienfahrt oder einem Bildungsangebot? In dieser Serie berichten ehemalige Besucherinnen und Besucher über ihre Erlebnisse und wie sie auf dem Weg zum selbstbestimmten Leben gut begleitet und individuell unterstützt wurden. Lang ist‘s her – läuft bei mir! Juliane (29) kam mit 8 Jahren zum ersten Mal in den Jugendtreff Au (jetzt Freizeittreff Au) Das erste Mal war ich 2002 in der Einrichtung, kurz nach meinem Umzug in das Stadtviertel „Au“, als ich 8 oder 9 Jahre alt war. Fast 10 Jahre lang, also bis 19, war ich regelmäßige Besucherin. Ich habe viele Angebote genutzt. Besonders aufregend fand ich die Outdoor-Aktivitäten, wie Klettern, Ski und Snowboard fahren und Grillfeiern. Zusätzlich habe ich bei den Tanzkursen mitgemacht. Nici, Jasminka und Miguel waren alle drei wichtige Ansprechpersonen für mich im Jugendtreff Au. Im Alter von 14 bis 16 Jahren hat das Freizeitheim noch mehr Spaß gemacht. Wir durften an Volleyball- und Tischtennis-Turnieren teilnehmen und an vielen anderen Freizeit-Aktivitäten, wie Schnitzeljagd durch Sendling oder fotografieren und selber entwickeln. Mit 21 Jahren habe ich geheiratet (viel zu früh), wir sind aufs Land gezogen, wo unsere Kinder aufgewachsen sind. Nach knapp 24 Jahren sind wir wieder nach München-Freimann gezogen. Der Jugendtreff hat mir ermöglicht, meine eigenen ersten Tanzstunden zu unterrichten. Zusätzlich konnte ich die Räumlichkeiten kostenfrei für mein eigenes Training nutzen. Wenn ich zurück an die Zeit in der Au denke, erinnere ich mich an eine sehr vorurteilsfreie Umgebung, in der alle Besucher gleichgestellt waren und gelernt haben, respektvoll miteinander umzugehen. Man hat sich verstanden und akzeptiert gefühlt. Heute arbeite ich als freischaffende Tänzerin für Opernproduktionen, Musicals, Tanztheater und Fernsehen. Natürlich unterrichte ich auch immer noch Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Mein nächstes Ziel ist aber das Studium Soziale Arbeit. Da ich nicht mehr in München lebe, habe ich auch keine Kontakte mehr zu Leuten von damals oder der Einrichtung. Ich arbeite jetzt in München als Archivistin und bin stolze Oma von einem Enkel. Mit Melahat und Sylvia habe ich heute noch Kontakt. An alle: Genießt die Zeit im Freizeitheim, denn leider vergeht sie viel zu schnell. Eleonora (54) besuchte ab 1976 das Freizeitheim Sendling (jetzt SBZ Sendling) 1974 kam ich nach Deutschland im Alter von 5 Jahren. Wir haben in der Valleystraße 44 gewohnt. Zwei Jahre später entdeckte ich das Freizeitheim Sendling und es wurde zu meiner zweiten Heimat. Ich lernte dort meine beste Freundin Melahat kennen. Der Tobe-Raum war zu dem Zeitpunkt unser liebster Ort, wir hatten immer sehr viel Spaß. Als wir dann älter wurden, wurde die Küche unser liebster Raum. Mit Sylvia Hausaufgaben zu machen, war immer mit viel Spaß und Wissen verbunden.

13 das kommt | 01 | 2023 Berufsbegleitender Studiengang Jahresausstellung in der Rathausgalerie Der Studiengang richtet sich an hauptberufliche pädagogische Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit, die bereits über Qualifikationen und Erfahrungen verfügen und in der Regel eine Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieher*innen abgeschlossen haben. Mit dem Studiengang haben sie die Möglichkeit, sich berufsbegleitend im Arbeitsfeld Kinder- und Jugendarbeit weiter zu qualifizieren. Das Studium wird an der Hochschule Erfolgreich gegen Fachkräftemangel Der berufsbegleitende Bachelor-Studiengang „Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit“ startet mit dem Wintersemester 2023/24 zum zehnten Mal Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema „Stadtgestalt und öffentlicher Raum in München“ und präsentiert sich mit einem abwechslungsreichen Programm für verschiedene Zielgruppen. Der Eintritt zur Ausstellung und den Veranstaltungen ist frei. Der öffentliche Raum sorgt für Lebensqualität und Flair. Er ist Ort des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens – hier erlebt man Stadt. Die Ausstellung rückt den öffentlichen Raum in München in den Fokus. Anhand von Beispielen und Visionen zeigt sie, wie die Landeshauptstadt München den planerischen Rahmen für die Bewahrung und Weiterentwicklung des öffentlichen Raums In aller Öffentlichkeit Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung zeigt noch bis 26. März täglich von 13 bis 19 Uhr die neue Jahresausstellung „In aller Öffentlichkeit“, in der Rathaus- galerie am Marienplatz Kempten angeboten und findet in enger Kooperation mit dem Institut für Jugendarbeit Gauting statt, wo auch ein Großteil der Präsenzveranstaltungen stattfinden. Martin Holzner, der Direktor des Instituts für Jugendarbeit, sieht in dem Studienangebot einen wichtigen Beitrag, um dem Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendarbeit zu begegnen. Am 27. April von 18 bis 19:30 Uhr wird dazu eine Informationsveranstaltung online angeboten. Der Direktor des Instituts für Jugendarbeit und Professor*innen der Hochschule Kempten informieren zu den Voraussetzungen zur Teilnahme an dem Studiengang sowie zu Inhalten und Ablauf. Nähere Informationen unter www.institutgauting.de und www.hs-kempten.de. Save the Date! 5. Mai, 16 bis 18.30 Uhr Kids on Stage Anmelden können sich Gruppen und einzelne Nachwuchskünstler*innen bis 31.3. unter kinderbeauftragte@kjr-m.de Spectaculum Mundi, Graubündener Str. 100 12. Mai 70 Jahre Jugendtreff am Biederstein Gohrenstr. 6 13. Mai, 11 bis 15 Uhr „FutureGirls“ – Berufsorientierungstag für Mädchen und junge Frauen Interviews mit Berufefrauen, Bewerbungscoaching, DIY-Spaßaktionen Kolping Bildungsagentur, Landsberger Straße 6 ab 2. März ist die Karriereseite des KJR mit dem neuen Stellenportal online! für alle Menschen schafft. Bestandteil der Ausstellung sind u.a. Abendveranstaltungen und Stadtspaziergänge. Alle Infos, Termine und Anmeldemöglichkeit unter muenchen.de/publicspace. Pädagogische Fachkräfte können sich in Gauting zum „Jugendarbeits-Bachelor“ qualifizieren Der öffentliche Raum im Blickfeld

Dachzeile 14 das kommt | 01 | 2023 Frieden (und Krieg) Schwerpunk Demokratie und Frieden 15 Frieden ist möglich – dauerhaft „Frieden in Europa – und überall“ war im letzten Jahr das Thema von Sommer.dok. Schon in der Planung war uns klar, dass Frieden das bestimmende Thema für Sommer.dok 2022 werden sollte. Von Leon Heckmann Was ist wahr und was ist falsch im Krieg? 16 Ohne mitzudenken, geht es nicht Bilder vom Krieg und die Frage nach den Schuldigen: Damit müssen sich Kinder und Jugendliche mehr denn je auseinandersetzen und dabei medienkompetent handeln. Marko Junghänel im Gespräch mit Uschi Jonas Friedenspädagogik als Bildung für den Frieden 17 How to Friedenspädagogik Friedenspädagogik? Was machen die da eigentlich? Wer ist die Zielgruppe? Und welche Methoden werden angewandt? Von Robert Pechhacker Mit Kindern über Frieden und Krieg sprechen 18 Behutsam und ehrlich Aktuell kommen Kinder häufig in Kontakt mit Bildern des Kriegs in der Ukraine. Sie begegnen ihnen im Fernsehen, im Internet oder in anderen Medien. Von Charlotte Schober und Petra Kutzner Krieg – Folgen für Kinder und Jugendliche 20 „Wenn die Elefanten streiten, werden die Blumen zertrampelt“ Immer mehr Kinder auf der Welt erleben Krieg und kriegsähnliche Ereignisse: Bombardierungen, Tötungen, terroristische Anschläge und andere Menschenrechtsverletzungen. Von Guido Terlinden Frieden schaffen ohne Waffen. Was sollen wir tun? 21 Schwerter zu Pflugscharen Es ist Krieg in Europa, seit dem 24. Februar 2022 beängstigend nah. Das lässt niemanden kalt. Anfangs sah es so aus, als ob der russische Diktator schnell an sein Ziel kommen würde: fällt Kiew, fällt die Ukraine. Von Michael Stritar Dazu: Pazifismus in der Täuferbewegung von Bernd Densky Was der Ukraine-Konflikt gerade Jungs vorführt 22 Der Krieg ist männlich Mehr als ein provokanter Satz. Wie erleben Jugendliche den Krieg? Wird er zuhause thematisiert? Gibt es Berührungspunkte im Alltag? Von Heiko Neumann Bundeswehr sucht Nachwuchs – auch in Bildungseinrichtungen 23 Soldaten im Klassenzimmer Der Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, dass Militär- und Sicherheitspolitik keine abstrakten Themen, sondern lebensbestimmend für Alt und Jung sind. Von Mark Ellmann In Zeiten, in denen die psycho-sozialen Belastungen für Kinder und Jugendliche ohnehin zunehmen, nun auch noch der Krieg: Nach Corona und einer allgemeinen Verdichtung der zu bewältigenden Aufgaben soll nun auch noch der Diskurs zur Ukraine hinzukommen – nein, er muss hinzukom- men! Denn die Jugendarbeit in München darf gerade jetzt die Jüngsten nicht alleinlassen mit ihrer Verunsicherung, ihren Fragen und Sorgen. So überraschend das Szenario eines bewaffneten Konflikts jetzt auch kam – der Kreisjugendring mit seinen Freizeitstätten und Kindertageseinrichtungen bzw. die Jugendverbände haben eine Antwort, wie sie in der pädagogischen Praxis mit dem Thema umgehen; und sind dabei selbst Lernende …

| 01 | 2023 15 Frieden (und Krieg) Schwerpunkt Demokratie und Frieden Frieden ist möglich – dauerhaft „Frieden in Europa – und überall“ war im letzten Jahr das Thema von Sommer.dok. Schon in der Planung war uns klar, dass Frieden das bestimmende Thema für Sommer.dok 2022 werden sollte. Perspektive für eine friedlichere Welt Neben Kants Annahmen werden in der modernen Politikwissenschaft auch entscheidungs- und spieltheoretische Gründe für den demokratischen Frieden angeführt. Im Gegensatz zu Autokratien (Diktaturen) benötigen Regierungen in Demokratien die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung. Die Menge an Menschen, die überzeugt werden müssen, ist in einer Demokratie deutlich größer als in Autokratien, in denen sich die Machthaber auf wenige sehr mächtige Personen stützen. Dadurch müsste auch eine Mehrheit der Bevölkerung von einem Krieg überzeugt werden. Da Krieg in der Regel abgelehnt wird, ist es schwer bis unmöglich, eine Mehrheit für einen Krieg gegen eine andere Demokratie zu gewinnen. Durch transparente Strukturen, friedliche Machtübergabe und Abwahl von Regierungen sind deshalb Kriege zwischen Demokratien nicht zu beobachten. Das heißt allerdings nicht, dass Demokratien keine Kriege führen. Kriege gegen Nicht-Demokratien werden geführt und sind tendenziell wahrscheinlicher. Auch Kolonialkriege trüben das Idealbild des demokratischen Friedens. Es gibt Hinweise, dass Demokratien, wenn sie Kriege führen, entschlossener kämpfen und mehr Ressourcen mobilisieren als Nicht-Demokratien. Dies lässt sich aktuell im Russland-Ukraine-Krieg gut beobachten. Die Theorie des demokratischen Friedens kann eine Perspektive für eine friedlichere Welt aufzeigen. Wenn immer mehr Menschen in Demokratien leben, sinkt die Wahrscheinlichkeit neuer Kriege. Daher sollte die Demokratisierung ein Ziel einer auf Frieden ausgerichteten Weltordnung sein. Insbesondere sind demokratische Strukturen Garanten eines langfristigen und nachhaltigen Friedens zwischen Staaten. Das globale Erstarken von Nicht-Demokratien ist daher auch ein Risiko für den Frieden. Frieden ist nicht nur ein außenpolitisches Phänomen, sondern auch ein gesellschaftliches Prinzip. Für eine friedliche Gesellschaft ist es auch erforderlich, dass Konflikte innerhalb von Staaten friedlich gelöst werden. Im Gegensatz zu Autokratien gelingt es in Demokratien, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen und insbesondere Machtübergaben durch Wahlen und Regierungswechsel friedlich zu vollziehen. Während Autokratien ihre Macht auf Gewalt stützen müssen, ist Macht in Demokratien durch Mehrheiten, Prozesse und Institutionen fundiert. Demokratische Strukturen schaffen so nicht nur eine friedliche Welt zwischen Staaten, sondern eröffnen auch friedliche Wege innerhalb von Gesellschaften, anstehende Konflikte auszutragen und zu lösen. L E ON HE C KMANN, Jahrgang 1997 aus Stuttgart, Studium Politikwissenschaft in Mannheim, Prag und München, aktuell im Master Politics & Technology an der TU München. Er gehört zum Sommer.dok- Team. Literatur ■ De Mesquita, Bruno / Morrow, James D. / Siverson, Randolph M. / Smith, Alastair. 1999. „An Institutional Explanation of the Democratic Peace.” The American Political Science Review 93 (4): 791-807. ■ Gratzke, Erik. 2007. „The Capitalist Peace.” American Journal of Political Science 51 (1): 166-191. ■ Hegre, Havard / Ellingsen, Tanja / Gates, Scott / Gleditsch, Nils Petter. 2001. „Toward a Democratic Civil Peace? Democracy, Political Change, and Civil War, 1816-1992.” American Political Science Review 95 (1): 33-48. ■ Kant, Immanuel. 1795. Zum ewigen Frieden. Königsberg: bey Friedrich Nicolovius. Beim Sommer.dok 2022 stand diese Frage natürlich im Mittelpunkt der Angebote und Diskussionen. Auch 2023 ist Frieden wichtiger denn je. Dabei ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg. Dennoch sind friedliche Beziehungen zwischen Staaten essenzielle Voraussetzung für friedliche Gesellschaften. In der politikwissenschaftlichen Friedensforschung gibt es das „Gesetz des demokratischen Friedens“. Wie hängen also Demokratie und Frieden zusammen? Das Gesetz des demokratischen Friedens geht auf einen Aufsatz von Immanuel Kant zurück. 1795 legt Kant in seinem Essay „Zum ewigen Frieden“ die theoretischen Grundlagen. Lange Zeit wurde diesem Werk wenig Beachtung geschenkt. Seit den 1960er Jahren erlebt Kants theoretische Argumentation jedoch eine Renaissance, als in der modernen Politikwissenschaft die empirische Realität entdeckt wurde, dass es in den letzten 200 Jahren keine bzw. kaum Kriege zwischen Demokratien gegeben hat. Diese Beobachtung ist so überzeugend, dass man auch vom „Gesetz des demokratischen Friedens“ spricht – für eine Sozialwissenschaft erstaunlich, da man dort bei vermuteten Zusammenhängen in der Regel nicht so schnell und deutlich von einem Gesetz spricht. Zur Erklärung dieser empirischen Beobachtung eignen sich Kants Gedanken sehr gut und haben so Einzug in die moderne Friedens- und Konfliktforschung gefunden. Kant führt dies auf drei Eigenschaften von Demokratien (er spricht von Republiken) zurück: die republikanische bzw. demokratische Struktur der Staaten, die friedliche Gemeinschaft, die demokratische Staaten untereinander bilden, sowie eine Kultur der universellen Gastfreundschaft zwischen Demokratien. In modernen Staaten wird die universelle Gastfreundschaft vor allem im Sinne von engen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und kulturellem Austausch zwischen Demokratien interpretiert. Foto: Julian Schulz

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