8 das kommt | 05 | 2022 das war Vernetzen, vernetzen, vernetzen! Es ist eine Graswurzelinitiative seit fast 15 Jahren: Vertreter*innen verschiedener Jugendringe und Organisationen in Deutschland, alle unterwegs auf dem Gebiet der historisch-politischen Bildungsarbeit, treffen sich jedes Jahr in einer anderen Stadt. In eher informellem Rahmen tauscht man sich aus, lernt Projekte kennen und nimmt Impulse für die eigene Arbeit oder auch für Kooperationen untereinander mit. Seit über zehn Jahren ist auch der KJR München-Stadt dabei. Nach der langen Corona-Pause konnte die KJR-Fachstelle Demokratische Jugendbildung von 21. bis 23. Oktober endlich wieder nach München einladen: Hamburg, Brandenburg, Nürnberg, Stuttgart, Erfurt und Berlin hatten sich diesmal angemeldet. Die Tagungsgäste erwartete ein Querschnitt verschiedener Methoden und Themen der historischen und politischen Bildungsarbeit des KJR. Nach der Austauschrunde am Freitag ging es zum Abendessen an einen historischen Ort: Im Nebenraum der ehemaligen Gastwirtschaft Fasaneriegarten in Neuhausen, heute die „Osteria da Antonio“, traf sich der junge Otto Kohlhofer unter dem Decknamen „Betti Gerber“ seit 1933 heimlich mit seinen Freunden von der kommunistischen Jugend (KJVD), um Aktionen gegen die Nationalsozialisten vorzubereiten und durchzuführen. 1935 wurde die Gruppe enttarnt, Kohlhofer überlebte Zuchthaus und jahrelange KZ-Haft nur knapp. Er war später einer der maßgeblichen Initiatoren für die Gedenkstätte und Jugendbegegnung auf dem ehemaligen Gelände des KZ Dachau. Der Samstagvormittag war geführten Rundgängen durch das NS-Dokumentationszentrum gewidmet. Am Nachmittag begrüßte KJR-Kollege Elias Eberl die Gäste für einen Rundgang durch das ehemalige NS-Parteiviertel nach einem beeindruckenden Konzept, das er im Rahmen seiner Masterarbeit mit gezieltem Blick auf junge Generationen erarbeitet hat. Zurück am Königsplatz wartete das Demokratiemobil des KJR auf die Tagungsgruppe: Leiterin Ulrike Ahnert und ihre Assistentin Ginger Whiting hatten Mitmach-Angebote ihrer aktuellen Tour durch Münchner Stadtviertel aufgebaut, Konzept und Hintergründe politischer Bildung im öffentlichen Raum erklärt und die Gäste eingeladen, die Angebote direkt auszuprobieren. Eventuell bekommt das Projekt Demokratiemobil demnächst „Füße“, so groß war die Begeisterung, Ähnliches in der eigenen Stadt zu initiieren… Abends besuchten die Gäste das Münchner „Haus der Schüler*innen (MHDS)“ am Stiglmaierplatz: Bei Fingerfood und Getränken informierte Lukas vom Vorstand des MHDS über Werdegang und Prinzip der Selbstorganisation von Schüler*innen in ihrem Haus. Die Gäste waren nachhaltig beeindruckt, sowohl aufgrund der großzügigen Räumlichkeiten als auch der Bereitschaft der Stadt München, das Projekt maßgeblich zu finanzieren. Am Sonntagfrüh ging es weiter mit dem letzten Programmpunkt der Tagung, die Erinnerung an das rechtsextreme Oktoberfest-Attentat 1980. Eingeleitet wurde das Thema durch die beeindruckende und berührende Filmdokumentation „Im Kampf gegen das Vergessen“, produziert 2020 von der DGB-Jugend gemeinsam mit der Mediaschool Bayern unter schwierigsten Corona-Bedingungen. Versorgt mit wichtigen Hintergrundinformationen zum Attentat begab sich die Tagungsgruppe anschl ießend zum Erinnerungsort am Wiesn-Eingang und wurde dort bereits von Dr. Sabine Schalm und Dr. Moritz Kienast vom Kulturreferat München erwartet. Sie hatten in langwieriger Überzeugungsarbeit und unter Beteiligung von Überlebenden und Angehörigen Konzept und Präsentation der Outdoor-Ausstellung zum Attentat 1980 entwickelt, die sehr ansprechend und konkret Fakten und Stimmen zu dem bislang größten rechtsextremen Verbrechen in der bundesdeutschen Geschichte zusammenfasst. Die Ereignisse des 26. September 1980 und der skandalöse Umgang mit dem Attentat seitens Politik und Behörden warf viele Fragen auf und bewegte die Gäste nachhaltig. So blieb für die Abschlussrunde der Tagung im KJR nur noch wenig Zeit. Doch den herzlichen Dank und das einstimmige Lob der Gäste möchte ich an alle Referent*innen weitergeben, die diese Tagung in München so großartig unterstützt haben. Selbstorganisierte Netzwerke wie diese jährlichen Tagungen tragen ganz maßgeblich zu gemeinsamen Wegen und Entwicklungen in der Erinnerungsarbeit wie der politischen Bildung in Deutschland bei. Sie bieten einen enormen Spielraum für Diskussionen ganz konkreter, selbstgewählter Themen-, Methoden- und Erfahrungsfelder, für einen – nicht zu unterschätzenden – informellen Austausch und sie geben letztlich wertvolle Impulse für die konkrete Arbeit vor Ort. Sylvia Holhut, Demokratische Jugendbildung, KJR Die schillernd-bunten Regenschirme gab es am Rande der Sonderausstellung „To be seen – queer lives 1900-1950“ im NS-Dokumentationszentrum Tagung zu historisch-politischer Jugendarbeit
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