K3 No. 4 - September 2022

| 04 | 2022 31 Alle(s) inklusiv!? Schwerpunkt auf, weil sie tendenziell über ein schwächeres soziales Netzwerk verfügen, seltener mit ihrem Leben zufrieden sind und insgesamt ein etwas weniger abwechslungsreiches Freizeitprogramm haben als andere Befragte. Die Lebenssituation und Alltagserfahrungen von Jugendlichen mit Behinderung unterscheiden sich ferner nach weiteren Merkmalen, wie Geschlecht, Migrationshintergrund und Wohnort. So fällt beispielsweise die o.g. geringere Lebenszufriedenheit der Jugendlichen mit emotionalen und sozialen Schwierigkeiten bei den Mädchen deutlicher aus als bei den Jungen. Beim Versuch, Barrieren zu sozialer Teilhabe zu erkennen und anschließend Maßnahmen zu deren Absenkung zu entwickeln, empfiehlt es sich, einen diversitätssensiblen Blick zu haben, der der Vielfältigkeit der Lebenssituationen und den spezifischen Bedarfen verschiedener Gruppen Rechnung trägt (Gaupp 2017). Weitere Studienergebnisse befinden sich im Ergebnisbericht, der als Download unter www.dji.de/Aufwachsen_mit_Behinderung zur Verfügung steht. SH I H - CHE NG L I E N, Jahrgang 1969 aus Taipeh (Taiwan), Studium Diplom-Raumplanung, wissenschaftliche Referentin, Abteilung Jugend und Jugendhilfe, Deutsches Jugendinstitut G E ORG E AUS T I N - C L I F F, Jahrgang 1990 aus Worcester (Vereinigtes Königreich), Studium Soziologie, wissenschaftlicher Referent, Abteilung Jugend und Jugendhilfe, Deutsches Jugendinstitut Literaturverzeichnis ■ Feierabend, Sabine; Rathgeb, Thomas; Kheredmand, Hediye; Glöckler, Stephan (2020): JIM 2020. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Hg. v. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. ■ Gaupp, Nora (2017): Diversitätsorientierte Jugendforschung – Überlegungen zu einer Forschungsagenda. In: Soziale Passagen 9 (2), S. 423–439. DOI: 10.1007/s12592-017-0269-y. ■ Tillmann, Vera (2015): Teilhabe am Verkehrssystem. Einfluss selbständiger Mobilität auf die Freizeitgestaltung junger Menschen mit geistiger Behinderung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden (Gesundheitsförderung - Rehabilitation - Teilhabe). Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-08126-3. Inklusion im Zeugnerhof Wir sehen Inklusion als informellen Bildungsauftrag! Eine gesamtgesellschaftliche Teilhabe junger Menschen unter Wahrung ihrer Identität, ohne Barrieren, Vorurteile und diskriminierende Erfahrungen bleibt oberstes Ziel. Im Zeugnerhof versuchen wir, individuelle Zugänge zu Coping-Strategien herzustellen: Auf der Seite der Opfer fragen wir danach, wie man mit diskriminierenden Erfahrungen in ihren intersektionellen Dimensionen umgehen kann. Aus der Perspektive der Täter*innen interessiert uns, wie man sich aus den eigenen erlernten Vorurteilen und Ängsten vor Andersartigkeit lösen kann. Diese Ängste und Vorurteile sind oft der Ursprung für Diskriminierungen. In der Praxis versuchen wir, diesem hohen Anspruch in verschiedener Weise gerecht zu werden – vor allem durch Partizipation (Kinder- und Jugendversammlungen), durch Informieren und Diskutieren über Themen, die Inklusion betreffen (LGBTIQ, Barrierefreiheit, Umgang mit Rassismus etc.) und durch Sensibilisierung für die Wahrung der eigenen sowie der Grenzen anderer. Das geschieht manchmal in Aktionen – vorwiegend durch Beziehungsarbeit mit den Kindern und Jugendlichen an der Theke, im Spiel oder in der Beratung. Hier wird der größte Beitrag für Inklusion geleistet. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Einführung neuer Kinder und Jugendlicher in bereits bestehende Gruppen. Wir erleben häufig, dass dieser Prozess begleitet werden muss, damit sich alle wohlfühlen. Wir erklären unseren Stammbesucher*innen, dass neue Besucher*innen eine Chance darstellen. Umgekehrt besprechen wir mit den „Neuen“, dass sie ihren Platz im bestehenden Setting finden müssen, ohne andere zu verdrängen. Dies erfordert ein hohes Maß an Empathie und Reflexion innerhalb des pädagogischen Teams und hat dann beste Erfolgschance, wenn Unterschiede anerkannt und respektiert werden. Mehr geht immer Unsere Erfahrungen aus dem Offenen Ganztag machen uns dabei mitunter ratlos. Oft wollen Eltern berechtigterweise alle Möglichkeiten für ihre Kinder ausschöpfen, die eine Freizeitstätte bietet, und übersehen dabei, dass diese Maximalforderungen weder der Inklusion dienen noch praxisgerecht sind. Alle sollen und müssen ihre Möglichkeiten bekommen – auch um den Preis, dass andere in der Gruppe ihre Ansprüche reduzieren. Baulicherseits ist es im Zeugnerhof, wie in anderen Freizeitstätten auch, für Menschen mit körperlichen Einschränkungen derzeit eher schwierig, einen Platz zu finden. Ein gewisser Grad an Barrierefreiheit ist zwar gegeben, es besteht aber definitiv weiteres Ausbaupotenzial. Viele Einrichtungen des KJR wurden in einer Zeit gebaut, als ein Zugang für Menschen mit Gehbehinderung bei der Planung keine Rolle spielte. Die Einrichtungen versuchen dennoch, dort, wo es möglich ist, weitreichende Teilhabechancen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Handicap zu eröffnen. Grundsätzlich sehen wir Inklusion als eine Querschnittaufgabe, die durch viele Aktionen und Schwerpunktangebote abgedeckt und gefördert wird. B E N E D I K T KÄMME R L I NG, Jahrgang 1983, geboren in Berchtesgaden, Studium Sozial Arbeit B.A., Leitung offene und schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit – Berg am Laim, KJT Zeugnerhof, KJR Foto: Tim Mossholder, unsplash Das könnte über jeder Einrichtung des KJR stehen …

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