21 das kommt | 04 | 2022 das war Täglich besuchen viele Kinder und Jugendliche die KJR-Einrichtungen. Was ist eigentlich im Laufe der vielen Jahre aus ihnen geworden? Welche Wirkung hatte der Kontakt mit den Pädagoginnen und Pädagogen in den Einrichtungen, die Teilnahme an einer Ferienfahrt oder einem Bildungsangebot? In dieser Serie berichten ehemalige Besucherinnen und Besucher über ihre Erlebnisse und wie sie auf dem Weg zum selbstbestimmten Leben gut begleitet und individuell unterstützt wurden. Lang ist‘s her – läuft bei mir! Michael (42) besuchte das Spielhaus Sophienstraße von 1986 bis 1992 1986, mit 6 Jahren, war ich zum ersten Mal im Spieli – so nannten wir das Spielhaus Sophienstraße. Meine Familie wohnte in direkter Nachbarschaft zum Spieli. Unsere Freizeit verbrachten wir direkt vor der Haustür auf dem Spielplatz des Alten Botanischen Gartens, in dem auch das Spieli steht. Mit 12 Jahren hieß es für mich Abschied nehmen, denn die Einrichtung ist nur für Kinder von 6 bis 12 Jahren gedacht. Was ist mir in Erinnerung geblieben? Vor allem die Zauberei. Das mache ich heute noch ab und zu. Hermann war im Spieli der männliche Anker für uns Jungs (Fußball, Werken, Faltbootfahren). Mit Jutta haben wir gespielt und gebastelt, eintägige Radtouren ins Alpenvorland gemacht oder auch das Trimini in Kochel am See besucht. Tolle Erinnerungen habe ich auch noch an die Samstags-Ausflüge mit Sport-Bertl, der das Spieli im Bereich Outdoor-Aktivitäten unterstützte. Mit ihm waren wir Schlauchbootfahren auf der Loisach, gingen klettern oder bastelten uns im Wald eine „Tarzan-Bahn“ (der heutige Flying-Fox). Das Spieli war damals eine der ersten Einrichtungen, die an einem Projekt zur digitalen Jugendarbeit teilnahm. In einem Chatraum haben wir uns mit anderen Kindern ausgetauscht und fanden das ganz großartig. Regelmäßig fand eine Hausversammlung statt, bei der u.a. überlegt wurde, welche Spiele angeschafft werden sollen und welche Aktivitäten wir machen wollen. Wir haben auch andere wichtige Aufgaben übernommen, z.B. das Kopieren vom Programm im nahe gelegenen Copy-Shop. Dies war ein guter Grundstein für weitere Selbständigkeit. Unsere Hauptansprechpersonen waren Jutta und Hermann. Generell war das Spieli für mich ein sozialer Anker – auch als meine Eltern sich getrennt haben und meine Mutter nicht mehr da war. Ich wusste, wenn ich will, kann ich alles, was mir auf der Seele liegt, hier loswerden. Als ich mit meiner Familie 1992 in den USA war, lag im Hotel ein Fax von Jutta für uns bereit, in dem sie uns einen schönen Aufenthalt wünschte und uns noch einige Sightseeing-Tipps gab. Inzwischen bin ich verheiratet, habe zwei Töchter (13 und 10 Jahre alt) und bin im Vertrieb eines Autohauses tätig. Ich bin begeisterter Jogger und lief 2019 den Berlin-Marathon mit. Eine große Freundschaft mit einem Mädchen aus der alten Spieli-Zeit hält bis heute an. Wir sehen uns regelmäßig und unsere Kinder sind inzwischen auch befreundet. zu wissen, wohin ich gehen sollte, zog es mich automatisch in unseren Jugendtreff, wo mich Züleyha empfing und gleich auf den ersten Blick wusste, dass etwas nicht stimmte. Als ich ihr von meinem Streit mit meinen Eltern erzählte, schlug sie vor, als Vermittlungsperson zu fungieren. Ich habe noch genau in Erinnerung, mit welcher Ruhe und Gelassenheit Züleyha meinen Eltern erklärte, dass eine schlechte Schulnote kein Untergang wäre. Züleyha verstand es, meinen Eltern plausibel zu erklären, dass das Jugendzentrum eine Ergänzung zur Schule darstellt. Was mir noch positiv in Erinnerung geblieben ist, ist das Amt des Jugendrats. Ich belegte die Position für einige Jahre. Das hatte den Vorteil, dass wir die Schlüssel zur Einrichtung erhielten und das Haus abends und am Wochenende ohne Anwesenheit der Pädagogen öffnen konnten. Ich lernte in dieser Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Eigentlich ist der Jugendtreff nur für Jugendliche bis 18 Jahre gedacht. Da ich aber einen sehr guten Draht zu den Pädagogen hatte, besuchte ich die Einrichtung noch viele Jahre weiter und half bei Veranstaltungen mit. Mittlerweile arbeite ich seit Jahren in der Verwaltung für einen großen Fußballverein und leite dort ein Team von 14 Mitarbeitern. Leider ist der Kontakt zu vielen von damals im Laufe der Zeit abgebrochen. Hin und wieder schreibe ich Züleyha und freue mich, wenn ich sie sehe.
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