11 das kommt | 04 | 2022 das war RIVA NORD eröffnet „NaturImpulsPfad“ Tobias Maier kniet auf dem Boden, teilt mit der rechten Hand das hohe Gras, beugt sich vor, pirscht sich mit der linken Hand heran, dann hat er sie. Eine prächtige Heuschrecke sitzt auf seinem Zeigefinger. Die Umstehenden zücken Handys und Kameras. „Ein Warzenbeißer“, sagt Maier. Genauer: Ein Warzenbeißer-Weibchen. Grasgrün, eine halbe Fingerlänge groß, lange Fühler, die gebogene Legeröhre zur Eiablage am Körperende. Diese Laubheuschrecke kann kräftig zubeißen, um Insekten zu fangen. Schmerzhafter sind jedoch die ätzenden Verdauungssäfte, die sie ausspuckt. „Früher erhoffte man sich von ihnen Heilung bei Warzen, daher der Name“, erklärt Maier. Die kleine Gruppe, die ihn umringt, steht auf einer Heide im Münchner Norden, die ungastlicher kaum heißen könnte: Panzerwiese. Klingt nach Krieg, nach plattgewalzter Fläche. Tatsächlich war hier bis 1989 ein Übungsplatz der US Army. Flach ist es, Gräser, so weit das Auge reicht, Büsche, ein paar Bäume. An einem Horizont die Allianz-Arena, am anderen Hochhäuser. Nichts Besonderes. „Das täuscht“, protestiert Maier, „der Laie sieht gar nicht, wie wertvoll das hier ist!“ Er habe auf einer Kuhweide mal nachgezählt und sei auf neun Pflanzenarten gekommen. Übers Jahr seien es vielleicht 20. „Aber hier sind es 178 Arten, die Bäume noch nicht mitgezählt. Das ist ein einzigartiges Biotop!“ Die Panzerwiese ist deshalb seit 20 Jahren Naturschutzgebiet und gehört zum Fauna-Flora-Habitat-Gebiet, Maier ist ihr Gebietsbetreuer. Er zeigt auf Gräser wie die Aufrechte Trespe oder das Zittergras mit den herzförmigen Fruchtständen. „Oder hier, der Blaue Natternkopf. Es gibt eine Wildbienen-Art, die sich nur davon ernährt!“ Ein braun-oranger Schmetterling flattert vorbei, „ein Großes Ochsenauge“ , ruf t Ma i er. „Das ist derzeit die häufigste Schmetterling-Art hier. Der findet seine Nahrung im Wald ebenso wie auf der Wiese.“ Anders der schwarz-weiß gemusterte Schachbrettfalter, der kurz darauf geflogen kommt. „Der bevorzugt die Gräser der offenen Wiesenlandschaft.“ Auf Schritt und Tritt warten Entdeckungen: „Seht ihr den Turmfalken im Rüttelflug oben?“ Ein Dutzend Augenpaare schweifen zum Himmel. „Im Winter sitzt er auf einem Ast und wartet, bis ihm was über den Weg läuft. Aber jetzt muss er jagen, er hat Junge, die wollen Eidechsen oder Mäuse.“ Maier ist Biologe und heute auch Optiker: Er öffnet Augen für den Reichtum, den der Kalkmagerrasen hier hervorbringt. Das will auch das RIVA NORD an der Ingolstädter Straße: für diese schützenswerte Heidefläche sensibilisieren, die direkt vor seiner Tür beginnt. Deshalb hat es den „NaturImpulsPfad“ ins Leben gerufen, der hier an diesem Samstag im Juli eröffnet wird. Der Pfad besteht aus bislang acht Holz- skulpturen und einem Graffiti auf der alten Panzermauer. Jede Station greift eine Facette der Heidelandschaft auf. Etwa Leben im Totholz, Metamorphose von Insekten, Geschichte der Panzerwiese oder die Müllproblematik. Für letztere steht ein überdimensionaler zerdrückter Zigarettenstummel. Dazu gibt es keine langen Infotafeln, nur zwei bis drei Sätze geben einen Impuls zum jeweiligen Thema. QR-Codes an den Stationen führen zu vertiefenden Fotos, Text- und künftig auch Audiobeiträgen. „Wir wollen über den sinnlich-ästhetischen Ansatz die Neugier wecken“, erklärt RIVA-Leiter Tom Droste. Wer hier vorbeiradelt oder spaziert, soll kurz innehalten und auf die Vielfalt dieses Naturschutzgebiets Ein einzigartiges Biotop Gräser, Büsche, ein paar Bäume: Die Panzerwiese am nördlichen Stadtrand erscheint auf den ersten Blick als Ödnis. Das RIVA NORD lädt zu einem zweiten und dritten Blick ein. Seine von Kindern und Profis geschnitzten Skulpturen regen zum achtsamen Umgang mit der Natur an und bieten überraschende Erkenntnisse Aus acht Holzskulpturen besteht der NaturImpulsPfad, diese hier heißt „Symbiose“ Mit den Entdecker-Rucksäcken lässt sich der Artenreichtum der Panzerwiese erkunden Gebietsbetreuer Tobias Maier mit einem Warzenbeißer QR-Codes an den Skulpturen bieten Zusatzinformationen
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