K3 No. 3 - Juli 2022

| 03 | 2022 31 50 Jahre Olympia – und die Jugend? Schwerpunkt 50 Jahre THE TENT im Kapuzinerhölzl „Der schönste Platz in München!“ THE TENT ist inzwischen weltweit eine Marke – ähnlich wie „Oktoberfest“ oder „Eisbachwelle“. Die Geschichte des „Zeltes“ ist dabei genauso wechselhaft wie einzigartig. Ein Gespräch mit Edit Németh aus dem Leitungsteam einer ganz besonderen Münchner Einrichtung. Wie läuft es gerade? Wir haben am 1. Juni die Saison eröffnet – nach zwei Jahren Corona-Zwangspause, und es läuft schon richtig gut. Vor allem Reisende aus Indien sind heuer stark vertreten. Wie lange bist Du schon hier im Kapuzinerhölzl? Ich habe 1984 angefangen – damals als Saisonmitarbeiterin. Sieben Jahre später wurde ich Mitglied eines Vierer-Leitungsteams, seit 1996 bin ich fest angestellt in einem Zweier-Leitungsteam; eine lange Zeit! Wer kam eigentlich auf die Idee, dieses Zelt aufzustellen? Im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1972 in München hatte die Landeshauptstadt überlegt, wie sie die „Tramper und Hippies“, die damals oft im Englischen Garten wild gecampt haben, aus dem Stadtbild bekommt. München sollte „leuchten“. Man fand ein Gelände in der Schrederbächlstraße ganz im Norden Münchens, um diesen jungen Leuten dort eine günstige Übernachtungsmöglichkeit zu bieten. 1973 wurde das Jugendübernachtungslager ins Kapuzinerhölzl verlegt. Die Stadt hatte erkannt, dass es attraktiv ist, einen Übernachtungsort für internationale Gäste zu schaffen. So entstand aus dem „Provisorium“ eine feste Einrichtung; ein erstes Zelt zum Schlafen und ein kleines Koch-Zelt – Duschen und WC waren in Containern untergebracht. 1976 übernahm der Kreisjugendring München-Stadt die Trägerschaft von THE TENT. Wie hat sich dieser Ort seither verändert? Die Übernachtungs-Kapazität ist fast gleichgeblieben. Es gab damals schon Platz für bis zu 600 Jugendliche, die ausschließlich auf Isomatten schliefen. Heute gibt es Betten; wer will, kann sein eigenes Zelt aufbauen. THE TENT war 1972 tatsächlich nur drei Wochen offen – heute sind es vier Monate von Juni bis September. Und die Gäste – wie haben die sich verändert? Junge Backpacker hatten und haben nur begrenzte Mittel – daran wird sich wohl niemals wirklich etwas ändern. Sie sind neugierig und wollen die Welt und andere Menschen kennenlernen. Heute ist es aber nicht mehr die Mundpropaganda und die Printausgabe des Lonely Planet, durch die sie von uns erfahren, sondern das Internet. Reservierung und Buchungsmöglichkeiten sind viel wichtiger als noch vor 25 Jahren. THE TENT ist heute eine einzigartige Jugendbegegnungsstätte. Es gibt wohl keinen zweiten Platz dieser Art in der Welt, der von einer Stadt ausdrücklich gewollt und in gewissem Umfang auch gefördert wird. München hat verstanden, dass man damit Jugendliche in die Stadt locken kann. Übrigens: lange Zeit waren Backpacker aus den USA unsere größte Gästegruppe. Heute sind es auch viele Jugendliche aus Deutschland. Das hat damit zu tun, dass wir seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt Gruppen wie Schulklassen, Pfadfinder etc. bewerben, da für sie München in vielen Fällen eigentlich unbezahlbar wurde. Womit wirbt THE TENT bei seinen Gästen? Wir sagen, dass unser Lagerfeuer der Nabel der Welt ist. Ein Ort, an dem sich alle treffen. Wir bieten eine günstige Übernachtung, dazu ein Verpflegungsangebot in hochwertiger Qualität. Natürlich kann man eine Waschmaschine nutzen, heiß duschen, einmal pro Woche eine kostenlose Stadtführung machen oder ein Radl ausleihen. Welche Erinnerungen nehmen die Gäste von THE TENT mit? Der nachhaltigste Eindruck unserer Gäste ist auf jeden Fall, dass sie auf diesem Platz sehr viele andere Jugendliche aus aller Welt kennenlernen konnten – in einer sehr schönen Atmosphäre. Das ist gelebte Völkerverständigung! Viele bleiben deshalb auch länger, als sie ursprünglich vorhatten. Das ist auch in den tausenden öffentlichen Kommentaren im Internet nachzulesen. Ein weiterer Punkt ist schlichtweg die schöne Location und das freundliche hilfsbereite Team. Unser Mitarbeiter*innen sind selbst sehr reiseerfahren, und ich bin auch schon gut in der Welt herumgekommen. Die Erwartungshaltung der Gäste hat sich aber durchaus verändert. Man erwartet mehr Komfort. THE TENT in Zahlen … In den letzten 50 Jahren hatten wir jährlich zwischen 8.000 und 36.000 Übernachtungen. 2019 konnten wir die einmillionste Übernachtung verzeichnen. Welche Erinnerungen verbindest Du mit diesem Ort? Ich verbinde mit dem Kapuzinerhölzl keine Erinnerungen, denn Erinnerungen hat man nur an Urlaube, die vorbei sind. THE TENT ist mein Leben. Ich liebe diesen Ort und beschütze diese Einrichtung. Die Landeshauptstadt und die Regierung von Oberbayern stehen fest an unserer Seite; übrigens auch das Polizeipräsidium – für sie ist es wichtig, dass es diesen sicheren Ort für junge Menschen gibt. Werden auch künftig junge Menschen zu Euch kommen? Wir werden vielleicht sogar mehr Gäste haben als je zuvor: München ist und bleibt eine der attraktivsten Städte Deutschlands und hat weltweit einen guten Ruf. Problematisch sind lediglich die steigenden Preise, die mehr und mehr die weniger bemittelten jungen Menschen einfach ausschließen. Interview: MAR KO JUNGHÄNE L Mittlerweile gibt es große und kleine Zeltdächer im Kapuzinerhölzl Foto: KJR „50 Jahre Olympische Sommerspiele München“ » Ich kenne den Olympiapark. Ich hänge im Park gerne ab, mir gefällt dort die Natur, der See und ich fühle mich dort frei. (Junge, 15)

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