| 03 | 2022 29 50 Jahre Olympia – und die Jugend? Schwerpunkt Raum durch seine Bewohner*innen angeeignet werden soll, wenn die Bürgerschaft diese Räume selbst gestalten will und soll, sind gesellschaftliche Aushandlungs- und Aneignungsprozesse unausweichlich. Mehr noch: Kunst und (Jugend-)Kultur sollten raus aus den bis dato etablierten und oft inhaltlich abgegrenzten Kultureinrichtungen. Kultur von und für Kinder sollte demokratisch, sichtbar und gestaltbar werden. Hinter alledem stand nicht mehr und nicht weniger als die Betonung einer ästhetischen und kulturellen Eigenkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Die Spielstraße als Bild und Postulat Die Zeit der Spielstraße(n) begann. Sie sollte die Wahrnehmung des städtischen Raums erweitern, indem sie Wege eben durch diese Stadt bahnt. Die Straße nicht weiter nur als alleiniges Revier des motorisierten Verkehrs und wirtschaftlicher Tätigkeit, sondern als Lebens-, Erfahrungs- und Lernraum zur Herausbildung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen der Jüngsten. Ein Beispiel dafür ist u.a. die Spielstraße in Neuperlach, die 1971 im Zuge des Bauabschnitts an der Plettstraße eröffnet wurde und einen modernen urbanen, sich immer wieder verdichtenden Erfahrungsraum schaffen wollte. Schon damals wurde erkannt, dass „Verdichtungen“ nicht von alleine entstehen. Sie benötigen immer wieder Anlässe, situative Ereignisse und soziale Begründungen. Gewissermaßen war von einer eigenen kuratorischen Aufgabe die Rede. Das wurde dann auch für den Olympiapark konstatiert. Das künstlerische Konzept der „Spielstraße“ 1972 war ausdrücklich kuratiert und umfasste eine Vielzahl einzelner künstlerischer und spielerischer Beiträge. Die „Spielstraße“ verstand sich als kontrastierender Beitrag zu den Olympischen Spielen mit ihren oft eindimensional nutzbaren Flächen und Einrichtungen. Die „Spielstraße“ hingegen stand als Symbol für die Demokratisierung des öffentlichen Raums, die Besitzergreifung von Flächen und die Eröffnung von echter Gemeinschaft durch das Spielen. So entstand eine vielfältig nutzbare temporäre Budenstraße mit offenen Formen der Beteiligung, die Gelegenheit zum Mitmachen und Zuschauen schaffte, je nachdem wofür man sich entscheiden wollte. Auch der Olympiapark selbst war so angelegt: Die Nutzenden sollten sich diese Fläche aneignen, sie verändern und gestalten – im wahrsten Sinne Besitz davon ergreifen. Das Spielen – so die Vorstellung – sollte damit integraler Bestandteil des Alltags werden. Kultur – als ständiger Wandlungsprozess verstanden – sollte damit zum ständigen Motor der Veränderung von Stadtgesellschaft und Stadtarchitektur werden. Gleiches sollte sich dann auch in den Abstands- und Grünflächen des Olympischen Dorfs abbilden. Im Konzept „Spielen im Olympischen Dorf“ sprach sich die „Pädagogische Aktion“, ein Zusammenschluss von Kunsterzieher*innen und Pädagog*innen, ausdrücklich für wahrnehmungsintensive, veränderbare Spielräume aus, die sich mit Raumnutzungen von Erwachsenen verbinden. Gleichzeitig fordern sie ihre pädagogische Begleitung in Form von auch „künstlerischen Setzungen“ und temporärer „Überschreibung“. Was werden muss Und heute – 50 Jahre später? Die Bedeutung von Spiel als Möglichkeits- und Bewältigungsraum ist uns allen klar. Die Räume dafür – vor allem die scheinbar zweckfreien, nicht-kommerzialisierten – sind deutlich knapper geworden in München; Nachverdichtung, Überbauung, Funktionalisierung und eine Vielzahl konsumtiver Angebote schaffen hohe Hürden für temporäre, ergebnisoffene Zwischennutzung. Die „Brache“, seinerzeit offene und gestaltbare Projektionsfläche für vielfältiges Spiel, existiert nicht mehr. Für Spiel, in der beschriebenen Form, bleibt da wenig Platz. Dabei wäre es so bedeutsam, ein differenziertes Wahrnehmen und die Nutzung des städtischen Raums durch alle Bewohner*innen zu ermöglichen – nicht zuletzt im Spiel. Dazu müssen Räume attraktiv und zugänglich sein und es braucht eine Übereinkunft darin, Verzweckung von Stadt-Räumen aufzuheben, wenigstens temporär. Und diese Räume müssen gestaltbar sein durch diejenigen, die sie nutzen. Sie dürfen und müssen in diesen Räumen Spuren der Nutzung hinterlassen dürfen, die eine folgende Generation von Nutzenden vielleicht aufgreift und die Gestaltung kreativ weiterführt – am besten in Gemeinschaft mit anderen. Das schließt einerseits ein, dass es sich bei diesen Räumen nicht um apriori pädagogische Settings handeln muss, betont aber, wie wichtig und notwendig auch immer wieder neue kulturelle und soziale Setzungen, sogen. „Verdichtungen“ sind. Das 50. Jahr nach der Olympiade in München könnte Anlass sein, diese Vorgaben noch einmal kritisch zu prüfen und nach neuen Ideen zu suchen. So sind mit dem Festival des Spiels, des Sport und der Kunst, veranstaltet von der Landeshauptstadt München (unter Federführung des Kulturreferats) zahlreiche Aktionen geplant, die zeigen sollen, wie eine lebenswerte (Spiel-)Stadt sein kann; zum Beispiel bei „Paläste auf dem Wasser“, einer interaktiven Baustelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Anlass zum Spielen gibt es immer und überall – letztlich entscheiden das die (jungen) Menschen selbst. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es immer und überall Gelegenheiten geben muss, diesen Wunsch mit Leben zu füllen. Die olympischen Anlagen von damals sind dafür bis heute eine wunderbare Rahmung. Mehr davon schadet der Landeshauptstadt aber auch nicht … MAR KO JUNGHÄNE L (Nach einem Input von Margit Maschek-Grüneisl, Kultur & Spielraum München, gehalten in der Spielraumkommission der LH München am 18.3.2022) „50 Jahre Olympische Sommerspiele München“ » Ich kenne die Olympischen Spiele. Wir sind öfter bei der Skateboard-Anlage; ich fahre da mit meinem Longboard. Wir sind auch oft beim Schlittschuhlaufen im Winter in der Eishalle. (Mädchen, 14)
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