K3 No. 6 - Dezember 2021

14 das kommt | 06 | 2021 das war 75 Jahre KJR aus Sicht der Leitungen von Freizeitstätten Wie wird man Leitung einer Freizeit- stätte? Benedikt Kämmerling: Ich bin seit 16 Jahren beim Kreisjugendring und war in verschiedenen Positionen tätig. Angefangen habe ich als Zivildienstleistender und bin heute Leiter einer Einrichtung. Ich habe also meine berufliche Karriere fast vollständig innerhalb des KJR durchlaufen. Ulrike Hämmerle: Der KJR war auch mein er- ster Arbeitgeber – 1981 habe ich angefangen und war zunächst elf Jahre im Kinder- und Jugendtreff Moosach beschäftigt (später in „Mooskito“ umbenannt, Anm.d.Red.). 1991 wurde im Dülfer die Stelle der Leitung ausgeschrieben. Ich habe mich beworben und bin seither im Haus. Damals hätte ich die Stelle beinahe nicht angetreten, weil ich nicht so recht wusste, worauf ich mich da einlasse und ob ich den Anforderungen gerecht werden kann. Es kam dann doch nicht so schlimm … Ulrike: Der Einstieg war nicht einfach. Mir hat sicher geholfen, dass ich meinen Auf- gaben im Dülfer immer höchste Bedeutung beigemessen habe. Ich habe mich absolut mit dem Haus und den Besucherinnen* und Besuchern* identifiziert. Am Ende meiner beruflichen Laufbahn werde ich auf 29 Jahre im Hasenbergl zurückblicken. Das Haus ist für mich, genauso wie für unsere Besucher*innen, meine Heimat – mein Wohn- zimmer geworden. Wenn ich im Dezember in Rente gehe, fällt es mir schwer, von alledem loszulassen. Ich kann mit Stolz sagen, dass sich das Haus, die Atmosphäre und der Um- gangston in den Jahren gravierend verändert haben. Vielleicht liegt das auch an meiner Grundhaltung. Ich habe mit den Kindern und Jugendlichen immer verständlich, klar und direkt gesprochen, wenn nötig Grenzen aufgezeigt und das Verhalten der Heranwach- senden sanktioniert, wenn es gegen den Geist und die Regeln des Hauses gerichtet war. Aber letztlich ist unsere Arbeit immer von Zuwendung zu den Kindern und Jugendlichen geprägt. Welches professionelle Verständnis von eurer Tätigkeit hattet und habt ihr? Ulrike: Ich habe unser Haus nie als Bewahr- oder Verwahranstalt gesehen. Die Kinder werden uns von den Familien anvertraut. Sie sollen hier einen Raum finden, den sie mitge- stalten können. Wir wollen Werte vermitteln, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Eigentlich besteht für mich der Grundgedan- ke unserer Arbeit darin, ein Höchstmaß an Partizipation für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen. Dieser Begriff hat im Stadtvier- tel eigentlich keine große Bedeutung für die Menschen – er kommt in deren Lebensrealität schlicht nicht vor. Ihnen ist jedoch wichtig, dass sich die Kinder wohlfühlen, sicher sind und wir attraktive Angebote machen. Benedikt: Mein Verständnis von der Arbeit in der Einrichtung ist, dass wir authentisch sind und wir Sozialarbeiter*innen uns als Werk- zeug verstehen. Wir sehen uns als Reibungs- fläche für Kinder und Jugendliche, dieses Haus ist eine informelle Bildungsinstitution. Wir bieten etwas an – zwingen aber niemanden, dieses Angebot anzunehmen. In dieser Kombination – Reibungsfläche, Bil- dungsort, pädagogische Angebote – müssen Kinder und Jugendliche selbst herausfinden, was sie tun wollen, was sie zur Gemeinschaft beitragen können und wer sie letztlich sind. Hinter allem steht die Idee von mündigen Bürgerinnen* und Bürgern*. Wel che persönl ichen Eigenschaften braucht es dafür? Ulrike: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kinder und Jugendlichen am meisten von den pädagogischen Fachkräften profitieren, die charakterfest sind, eine eigene Meinung haben, Haltung zeigen und sich auf Konflikte einlassen können. Kinder und Jugendliche akzeptieren diese Persönlichkeiten eher als andere, die keinen eigenen Standpunkt besitzen. Benedikt: Man kann alle Fähigkeiten, die für diesen Beruf erforderlich sind, erlernen. Dennoch ist es nötig empathie- und konflikt- fähig zu sein. Kinder und Jugendliche brauchen beide Seiten – die mitfühlende bzw. helfende und die regelnde bzw. sanktionierende. In der Person der pädagogischen Fachkraft sollte dieses Verständnis angelegt sein. Das be- deutet auch, dass sich diese Eigenschaften lebenslang weiterentwickeln müssen. Wie hat sich die Leitungstätigkeit imLaufe eures Berufslebens verändert? Ulrike: In den 29 Jahren im Dülfer gab es weitreichende Veränderungen. Offensichtlich wird dies nicht zuletzt in der Zahl der Besu- cher*innen; heute kommen weniger Kinder und Jugendliche in die Einrichtung, weil sie durch die Schule stark gebunden sind. Früher gab es allerdings Gruppen, die ein- fach nicht erreicht werden konnten und sich ständig über die Regeln hinweggesetzt haben. Über all die Jahre und Jahrzehnte haben wir es geschafft, den Umgangston zu verbessern, die Aggressivität zurückzufah- ren, es gibt deutlich weniger destruktives Verhalten. Ein Zeichen dafür ist, dass es keine Angst der Jüngeren vor den Älteren mehr gibt. Darüber hinaus erreichen wir heute Realschüler*innen und Gymnasiastinnen* bzw. Gymnasiasten*. Ich finde, dass das im Sinne des Jugendrings eine sehr positive Entwicklung ist, wenn wir neue Zielgruppen ansprechen und erreichen können. Alles bleibt anders Mit Ulrike Hämmerle, Kinder- und Jugendtreff Hasenbergl ‘s Dülfer, und Benedikt Kämmerling, Kinder- und Jugendtreff Zeugnerhof, blicken zwei Einrichtungsleitungen auf Ver- änderungen und Konstanten in der offenen Arbeit. Ulrike Hämmerle Jahrgang 1956, geboren im Allgäu, Studi- um Dipl. Sozialpädagogik, bis November 2021 Leitung Kinder- und Jugendtreff Hasenbergl ‘s Dülfer Katharina Adam Haus

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