K3 No. 6 - Dezember 2021
11 das kommt | 06 | 2021 das war Gedanken an Teo Im Rahmen von „Kein Schlussstrich“, einem bundesweiten Theaterprojekt zum NSU-Komplex, hat Athanassios „Sakis“ Charamis, stellvertretender Leiter des MKJZ Westend, am 7. November in der Trappentreustraße 4 seine „Gedanken an Teo“ vorgetragen. Am 15. Juni 2005 ist sein Freund dort vom NSU ermordet worden „In diesem Viertel …“ heißt ein Lied von Mikis Theodorakis. In diesem Viertel habe ich Theodoros Voulgarides, den Teo, kennen- gelernt, sind wir zusammen aufgewachsen, haben wir unsere Jugend verbracht, haben wir von einer coolen Zukunft geträumt. In diesem Viertel haben wir unsere Freizeit verbracht. Im „Freizeitheim“ – jetziges Mul- tikulturelles Jugendzentrum – haben wir oft auf dem Sportplatz Fußball gespielt, drinnen Kicker oder Tischtennis, haben zusammen ge- feiert bei Disco-Abenden oder größeren Ver- anstaltungen. Hier haben wir alle gemeinsam – ob Griechen, Deutsche, Italiener, Türken, Jugoslawen oder Portugiesen – friedlich und fröhlich zusammengelebt. Das Freizeitheim war praktisch unser zweites Zuhause und alle Besucher*innen unsere zweite Familie. Obwohl einige Zeit vergangen ist – 1985 bis 1990 habe ich in Griechenland studiert – siehe da: „In diesem Viertel“ treffen wir uns wieder. Mittlerweile sind wir ein bisschen älter geworden, trotzdem, in diesem Viertel geht das Leben weiter. Wir treffen uns jetzt im Café an der Bergmann- Ecke Tulbeckstra- ße, jetzt spielen wir nicht Fußball, sondern Karten, trinken unser Bier und reden über die Vergangenheit, wie schön die Zeit da- mals war! Teo wird Vater und kümmert sich liebevoll um seine Familie. Wie es das Leben so will, fange ich ab 1. Januar 1992 an, im Freizeitheim zu arbeiten! Teo kam ab und zu auf einen Kaffee vorbei. Als er nach einiger Zeit selbständig wurde und in diesem Viertel einen Schlüsseldienst eröffnete, gaben wir (unser Team) ihm sei- nen ersten großen Auftrag, er sollte unsere Schließanlage machen. Ich erinnere mich, als sei es gestern gewesen, wie er mit 30 Zylin- dern und 180 Schlüsseln, jeder Zylinder und jeder sechste Schlüssel mit verschiedenen Nummern, bei uns auftauchte. Ich wurde bei Die Gedenktafel für die zehn Opfer des NSU, unter ihnen Teo Voulgarides dem Anblick schon verrückt. „Mach dir keine Sorgen Sakis, das kriegen wir schon hin“, war seine Reaktion – ich völlig in Panik und er sehr gelassen. Von da an kam er jeden dritten Tag, um mir bei meinen Problemen mit der Anlage behilflich zu sein. Eines sonnigen Tages im Juni 2005 spiel- ten ich und mehrere Kinder auf unserem Sportplatz Fußball, auf einmal flogen über uns um die zehn Hubschrauber, da sah ich, wie die Kinder den Hubschraubern winkten. Dieses Bild werde ich nie vergessen, weil ich mich so gewundert habe. Später kam eine Jugendliche und sagte, sie habe gehört, dass jemand ermordet worden sei, der mit Schlüs- seln zu tun hatte oder so, sie war sich aber nicht sicher. Mein Gedanke war sofort bei Teo, aber den habe ich schnell verdrängt. Als ich nach 21 Uhr von der Arbeit nach Hause ging, habe ich von Weitem gesehen, wie sich die Leute in „unserem“ Café verhielten. Da kam der erster Schock (mein Gedanke an Teo), und der zweite Schock kam, als ich erfuhr, dass es tatsächlich Teo war, der umgebracht worden war. Die Stimmung im Café war ange- spannt, alle fragten sich „warum?“ – Warum ist Teo tot? Er hat doch keiner Seele etwas angetan? Ich musste sogar eine zweistündige Befragung bei der Kripo durchstehen, weil ich einen Jugendbeamten gefragt hatte, ob es was Neues über Teo gibt. Teo war ein sehr fröhlicher Typ, wir hat- ten immer viel Spaß mit ihm, er war lustig, freundlich und höflich, hatte nie Streit. Er war stets gut drauf. Er war sehr hilfsbereit, sehr fleißig und immer anständig. Obwohl er nicht politisch aktiv und sonst nie auffällig war, mit nieman- dem „offene Rechnungen“ oder irgendwelche Konflikte hatte, ist er zur Zielscheibe des NSU geworden, vermut- lich, weil er einen fremden Namen oder ein südländisches Aussehen hatte. Σ’ αυτήν την γειτονειά – Τέο αιωνία σου η μνήμη! „In diesem Viertel“ ist das passiert! Sakis Charamis, MKJZ Westend, KJR Foto: Von Cholo 3 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33135042 Sakis Charamis vom MKJZ war mit Teo Voulgarides befreundet Gedenken an die Opfer des NSU
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