K3 No. 5 - Oktober 2021

| 05 | 2021 21 Digital Natives? Schwerpunkt Wie entstehen medienpädagogische Programme? Alena: Wenn Jugendliche medien-affin sind, geben sie uns schon Anre- gungen, welche Projekte man machen könnte. In der Regel entwickeln aber die medienpädagogischen Fachkräfte diese Programme. Wolfgang: Meine Erfahrung ist, dass die Impulse von beiden Seiten kommen. Medien sind grundsätzlich interessant für Kinder und Ju- gendliche, die medienpädagogischen Angebote für sie sind immer ausgebucht, egal, wer sie entwickelt hat. Benutzen wir den Begriff „Digital Natives“: Welche Art von Medi- enpädagogik braucht diese Generation? Wolfgang: Unsere Aufgabe und unser Ziel bleibt es, junge Menschen dabei zu begleiten, selbstbestimmt mit Medien umzugehen. Das wird sich nicht ändern. Dazu kommt, dass wir immer mehr von geschlossenen Mediensysteme umgeben sind. Die Benutzer*innen bleiben dabei außen vor. Das müssen wir thematisieren, problematisieren und erklären. Alena: Wir werde tatsächlich stärker gebraucht als bei früheren Generationen. Heute geht es auch um Nachrichtenkompetenz oder Quellenkritik – es geht um Orientierung. Wolfgang: Im Fach hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan. Aber es ist weiter Luft nach oben. Die Geldgeber für Medienpädagogik haben in weiten Teilen noch immer nicht die weitreichende Bedeutung medienkompetenten Handelns und eines emanzipatorischen Ansatzes unseres Fachs verstanden. In diesem Sinne muss sich Medienpädagogik weiter professionalisieren und mit anderen Disziplinen vernetzen. Gender, Nachhaltigkeit, Integration oder Medienpädagogik – das sind alles Querschnittsaufgaben, die wir nicht weiter singulär betrachten dürfen. Dann hat das Fach das Potenzial, das es tatsächlich verdient. Interview: Marko Junghänel ALENA MAURUS, Jahrgang 1989, Bachelor Wirtschaftspsychologie – Master Medienpädagogik, seit Anfang 2021 im „Gleis 24 – Ernas Jugendkulturcafé“ WOLFGANG HABERL, Jahrgang 1968, Diplom Sozialpädagoge (FH), Offene Kinder- und Jugendarbeit/Berufsorientierung an Schulen, Datenschutzbeauftragter des KJR Medienkompetentes Handeln wird zur Schlüsselaufgabe Medienkompetenz in einer digitalisierten Welt Neue Medien – neue (Entwicklungs-) aufgaben? Der Begriff der „Digital Natives“ impliziert, dass Kinder und Ju- gendliche einerseits in eine Welt geboren werden, die medial und digital durchdrungen ist, und sich andererseits selbstredend dort zurechtfinden. Beides stimmt nicht so ganz. Zum einen ist im Bereich der Digitali- sierung nicht alles so digital wie es scheint, zum anderen bräuchte es (mehr) Kompetenzen, Wissen und Fertigkeiten sowie informationelle Selbstbestimmung, um sicher in dieser Welt navigieren zu können. Der Stand der Digitalisierung in Deutschland ist – und das wissen wir nicht erst seit Corona – miserabel, und von einer digitalen Transforma- tion sind wir als Gesellschaft noch weit entfernt. Im ländlichen Nord­ rhein-Westfalen brachten vor kurzem Pferdeboten die Daten schneller ans Ziel als die örtliche Kupferleitung (Kappest 2020), es mangelt an digitaler Verwaltung, an der technischen Ausstattung und einer curricularen Einbindung sinnvoller Konzepte der Medienkompetenzver- mittlung an Schulen, an nachhaltiger Finanzierung außerschulischer Bildung sowie an einer politischen und gesellschaftlichen Verankerung medienpolitischer und medienpädagogischer Themen. Während immer neue Anwendungen und Formate auf den Markt schwemmen, hinkt die Gesetzgebung ebenso hinterher wie der Datenschutz. Zudem beeinflussen Medien auch Wertvorstellungen und gesell- schaftliche Normen (Moser 2006). Medien und Technologien haben also nicht nur auf der individuellen Ebene die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen (und der Erwachsenen) verändert. Sie haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten vor allem unsere Gesellschaft, unsere Art zu kommunizieren, zu lernen, zu arbeiten und zu leben entschei- dend beeinflusst. Sie spielen eine herausragende Rolle im sozialen Foto: R amanella auf Pixabay.com

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