K3 No. 5 - Oktober 2021

Dachzeile 20 das kommt | 05 | 2021 Digit l Natives? Schwerpunk Medienpädagogische Arbeit mit „Digital Natives“ Ein Fach mit enorm viel Potenzial Technologien und das Mediennutzungsverhalten junger Menschen haben sich während der letzten Jahrzehnte massiv verändert. Ein generationenübergreifender Blick von Alena Maurus (32) und Wolfgang Haberl (53) auf den Wandel des Fachs Medienpädagogik. Wie seid ihr zur Medienpädagogik gekommen? Alena Maurus: Ich habe 2019 meinen Master in Medienpädagogik gemacht und arbeite seit Januar dieses Jahres im „Jugendkulturcafé Gleis 24“. Mit inzwischen 32 Jahren habe ich tatsächlich manchmal Mühe, mit den Kids mitzuhalten, was die Bedienung neuer Medien und Kanäle anbelangt. Aber wir lernen voneinander. Ich selbst komme aus der Gamer-Szene, die diese Spiele in pädago- gischen Kontexten einsetzt. Das war auch Thema meiner Masterarbeit: Der Einfluss von Superhelden auf die Identitätsbildung von Heran- wachsenden. Wolfgang Haberl: Ich habe schon 1996 angefangen, medienpädago- gisch zu arbeiten. Einen Masterstudiengang Medienpädagogik gab es damals noch nicht. Ich bin ein klassisches Computer-Kind der 1980er Jahre, in denen es die ersten Atari-Konsolen gab. Mein Thema während des Studiums war das Zusammenwirken von EDV und Sozialer Arbeit. Über ein Praktikum bin ich schließlich ganz in der Medienpädagogik gelandet und habe beim Kreisjugendring in einer offenen Einrichtung angefangen, medienpädagogische Konzepte zu entwickeln. Hattet oder habt ihr Vorbilder im Fach? Wolfgang: Die Theorien von Dieter Baake und Bernd Schorb sind zu einem Leitmotiv meines medienpädagogischen Handelns geworden. Ich habe mich so für einen emanzipatorischen Ansatz des Fachs entschieden, und damit sind einige Wege und Prozesse vorbestimmt. Alena: Während meines Bachelors in Wirtschaftspsychologie hatte ich Vorlesungen zum Thema Medienpädagogik, die mich geprägt haben. Außerdem habe ich mit großer Begeisterung Jane McConigal gelesen, die mich in meinem Beruf beeinflusst. Welchen Stellenwert hat das Fach heute? Wolfgang: Subjektiv habe ich das Gefühl, dass Medienpädagogik oft nicht mehr aus dem erwähnten emanzipatorischen Ansatz heraus ver- standen wird, sondern es darum geht, im Wirtschaftsalltag mit Medien umgehen zu können. Das zeigen auch Studien: Medienpädagogik kommt zwar häufiger in den öffentlichen Debatten vor, wird im schulischen Umfeld aber meist nur unter Nützlichkeitsaspekten verstanden. Medienpädagogik ist aber mehr als Knöpfchen drücken … Wolfgang: Jugendarbeit und Schule gewichten das Fach anders. In der Schule begreift man Medienpädagogik als (medial gestützten) Kompetenzerwerb. Diese Kompetenzen sollen verhindern, dass man dem Staat später auf der Tasche liegt. In der Jugendarbeit wollen wir Heranwachsenden ein Instrumentarium an die Hand geben, durch das sie mit Medien selbstbestimmt umgehen können. Wenn ich in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit beispielsweise einen Programmierkurs anbiete, will ich erreichen, dass Kinder und Jugendliche verstehen, dass Geräte und Prozesse programmiert werden müssen, um zu funktionieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass andere die Funktionsweise und das Nutzungsverhalten dieser Geräte steuern. Wenn Kinder und Jugendliche das verstehen, können sie autonomer mit Medien umgehen. Alena: Jugendliche haben oft ein gestörtes Selbstbild, das von ma- kellosen Selbstportraits in den sozialen Netzwerken beeinflusst ist. Hier setzt auch Medienpädagogik an, um zu erklären, wie man zu mehr Selbstbewusstsein findet und nicht das gepostete Bild zum Maßstab in seinem Leben macht. Wie weit reicht die Selbstreflexion bei Heranwachsenden hinsicht- lich ihres Medienkonsums? Alena: Um Besitz- und Machtverhältnisse in den Medien kritisch zu reflektieren, braucht es einen pädagogischen Impuls, den wir setzen. Wolfgang: Junge Menschen sind zwar schnell in der Besetzung neuer Trends. Der Prozess der Geschmacksbildung ist aber beliebiger gewor- den und folgt einem Mainstream. Wir müssen als Pädagoginnen* und Pädagogen* diese Prozesse kritisch begleiten. Ist Medienpädagogik deshalb politischer geworden? Alena: Nicht vordergründig politisch. Allerdings – neulich gab es in München die sogenannte „Armutskonferenz“, zu der wir eingeladen wurden. Hier ist mir klar geworden, dass unsere medienpädagogischen Projekte auch den sozialen Status von Kindern und Jugendlichen berühren. Wolfgang: Ich fürchte, dass Medienpädagogik eher unpolitischer ge- worden ist. Die „Generation Volkszählung“ ging damals anders mit den Themen Medien und Digitalisierung um. Sie waren dabei nicht per se digitalisierungsfeindlich. Heute sehe ich keinen Jugendverband, der sich das Politische in der Medienpädagogik – das Netzpolitische – groß auf seine Fahnen geschrieben hätte. Haben sich auch die Adressaten von Medienpädagogik verändert? Alena: Das ist eine Frage der fehlenden Kapazitäten. Man kann seine Zielgruppen leider nicht beliebig ausweiten – auf Eltern, pädagogische Fachkräfte, Politik … Wolfgang: Unsere Zielgruppen haben sich gar nicht so stark verändert. Wir treffen heute auf eine Elterngeneration, die selbst schon mit Computerspielen großgeworden ist. Die argumentieren aber ebenso wie ihre Eltern und wollen die Mediennutzung ihrer Kinder einschrän- ken. Die Breite der Mediennutzung hat eher zugenommen – Computer oder Computerspiele werden längst nicht mehr nur von sogenannten Nerds genutzt. Medienpädagogik will einen selbstbestimmten Umgang mit Medien erreichen Foto: T obias Albers-Heinemann auf Pixabay.com

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