K3 No. 5 - Oktober 2021

| 05 | 2021 19 Digital Natives? Schwerpunkt sungsgabe, schnellere Reaktionszeit oder verfeinerte feinmotorische Fähigkeiten, die man sonst nur Gamern zuschreibt, kann man bei den Kindern nicht beobachten. Wir bemerken aber auch, dass die Digitalisierung Gefahren mit sich bringt. Intensiver Medienkonsum führt dazu, dass Kinder weniger so- ziale Kontakte pflegen. Sie treffen sich zwar oft in der digitalen Welt, dies kann aber persönliche Beziehungen nicht ersetzen. Corona und Homeschooling haben diese Thematik noch verschärft. Kürzlich fragte uns eine Mutter um Rat, da ihr Kind kaum noch Interesse an Treffen und Aktivitäten mit Freundinnen* und Freunden* zeigte. Es wolle seine Zeit lieber am Laptop verbringen; dort hätte es ja auch Kontakte. Bei vielen Kindern ist eine deutliche Verschlechterung der Sozialkom- petenz festzustellen, was ebenfalls auf einen erhöhten Medienkonsum zurückzuführen sein kann. Hinzu kommt, dass sich viele Kinder immer weniger bewegen und sportlich aktiv sind, was an schlechter werdenden grobmotorischen Fähigkeiten und mangelnder Kondition deutlich wird. Wir bemerken auch, dass bei älteren Kindern die Nutzung von Apps und das Surfen im Internet viele Fragen und Verunsicherungen hervorbringen. Der einfache Zugang zu Informationen, die inhaltlich (noch) nicht nachvollziehbar oder nicht jugendfrei sind, Fake-News oder verzerrte Darstellungen der Realität durch Bildbearbeitungen können Auslöser hierfür sein. Die Digitalisierung wird auch in Zukunft eine enorme Herausforderung und klarer Bildungsauftrag bleiben. Auf der einen Seite müssen Kinder beim Umgang und der sinnvollen Nutzung moderner Medien begleitet und geschult werden. Auf der anderen Seite sollte man Medienkonsum und Medieneinsatz immer kritisch hinterfragen. Wie immer kommt es dabei auf eine stimmige und kindgerechte Balance an. TOBIAS BÖTTCHER, Jahrgang 1983 aus Berlin, Industriekaufmann, Mediator, BA Soziale Arbeit, Einrichtungsleitung „Kindervilla Drei Eichen“ Medien und Digitalisierung im Kindesalter Medienkinder von Geburt an Digitalisierung ist schon lange kein Thema mehr, das nur in Indus- trie und Wirtschaft von Bedeutung ist. In Fragen der kindlichen Entwicklung und in der Früh-Pädagogik ist der Umgang mit moder- nen Medien ebenfalls zum festen Bestandteil geworden. Dabei wird die zunehmende Digitalisierung oft kritisch gesehen. Im Hinblick auf die kindliche Entwicklung gehen von der Digitalisierung riesige Chancen, aber auch Gefahren aus. Die Kindervilla Drei Eichen hat am Modellversuch „Moderne Medien in Kitas“ des Freistaats Bayern teilgenommen. Dadurch ist der Umgang mit Medien fester Bestandteil unserer Pädagogik geworden. Wir setzen moderne Medien bei unseren Kindergarten- und Hortkindern gezielt im pädagogischen Alltag ein. Unser Leitbild ist dabei „vom Spielzeug zum Werkzeug“. Richtig eingesetzt können wir so dem Bildungsauftrag aus dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan gut nachkommen. In unseren Teamsitzungen setzen wir uns regelmäßig mit dem Thema „Einsatz moderner Medien im Alltag“ auseinander und bestimmen pädagogische Ziele. In der täglichen Praxis und der Projektarbeit profitieren wir vom Einsatz moderner Medien. Wir können sowohl Projektinhalte veran- schaulichen als auch die eine oder andere Frage der Kinder schnell und unkompliziert – durch akustische bzw. optische Darstellung – be- antworten. So konnten wir beispielsweise im Zuge eines Projekts über Afrika die Frage eines Kindes beantworten, welche Geräusche Zebras machen. Mit einem Tablet konnten wir den Kindern vorspielen, wie Zebras kommunizieren. Auf die Balance kommt es an Kinder bringen in der Regel Interesse, Erfahrung und Geschick im Umgang mit technischen Geräten mit. Sie werden in einer Welt groß, in der Digitalisierung, Laptops, Smartphones, Tablets und Internet zum Alltag gehören. Für diese junge Generation sind die Nutzung, der Einsatz und die Verfügbarkeit moderner Medien selbstverständlich. Die Kinder kennen bereits einschlägige Begriffe wie „googeln“ und sind in der Lage, mit spielerischer Selbstverständlichkeit Smartphones zu entsperren, Apps zu öffnen und bestimmte Funktionen, zum Beispiel die Kamera, selbständig zu nutzen. Eine verbesserte kognitive Auffas- Unterschiede in Hirnaktivitäten nachgezeichnet werden zwischen Viel- und Wenignutzenden des Internets. Zu berücksichtigen ist aber auch, wie sich Lebensbedingungen von Menschen im Zuge des digitalen Wandels verändern. Derartige wechselseitigen Verschränkungen von Medien, Gesellschaft und individuellem Handeln verdeckt der Begriff Digitale Native eher, als dass er für deren Analyse hilfreich wäre. Mithin ist der Begriff Digital Native im Lichte heutiger Betrachtung irgendwie doch selbst digital naiv. Dr. NIELS BRÜGGEN, Jahrgang 1976 aus Stuttgart, Studium Kommunikations- und Medienwissenschaften mit Schwerpunkt Medienpädagogik, Informatik und Erziehungswissenschaft, Leitung der Abteilung Forschung am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis Medienkinder von Geburt an – aber nicht unbedingt „Digital Native“ Foto: G iu Vicente, unsplash.com

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