K3 No. 5 - Oktober 2021

Dachzeile 18 das kommt | 05 | 2021 Digit l Natives? Schwerpunk Was wir heute mit diesem Begriff anfangen können … Digital Natives revisited Der Begriff „Digital Native“ wird immer wieder bemüht, wenn es darum geht zu beschreiben, dass insbesondere junge Menschen viel Zeit mit digitalen Medien verbringen und scheinbar selbst- verständlich und vor allem kompetent damit umgehen können. on instant gratification and frequent rewards. They prefer games to ‘serious’ work.” (Prensky 2001) Suggestiv beendet er diesen Absatz mit der Frage, ob irgendwas von dieser Aufzählung bekannt vorkomme. Kritik an der Vorstellung der Digital Natives Natürlich erscheinen viele dieser Beschreibungen bekannt. Nur stellt sich die Frage, ob sie zwingend mit den Erfahrungen zu tun haben, die junge Menschen im Umgang mit digitalen Medien gemacht haben. Vielmehr erscheint die Fokussierung auf diese monokausale Erklärung unhaltbar. Prensky beschreibt bekannte Prozesse der menschlichen Informationsverarbeitung, die auch schon vor dem Aufkommen digi- taler Medien erforscht wurden, beispielsweise die Unterschiede der visuell-grafischen und textgebundenen Informationsaufnahme. Zudem wurde kritisiert, dass gerade die Unterscheidung zwischen Digital Natives und Digital Immigrants nahelege, dass die Digital Im- migrants per se kompetenter im Umgang mit digitalen Medien seien. Entgegengehalten wurde, dass die Digital Natives doch oft bezüglich vieler Aspekte eher digital naiv seien – beispielsweise mit Blick auf mögliche negative Konsequenzen eines freizügigen Umgangs mit Daten im Internet. Und noch viel gewichtiger verdeckt der Begriff, dass es nicht auf das Geburtsjahr, sondern auf die sozialen Bedingungen ankommt, in die ein junger Mensch geboren wird. Sie entscheiden, inwieweit die Möglichkeit besteht, sich die beschriebenen virtuosen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien anzueignen. Hier haben nicht zuletzt die DIVSI-Studien offenbart, wie eng sozio-ökonomische Milieus und unterschiedliche Muster der Aneignung digitaler Medien zusammen- hängen (Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet = DIVSI, 2014). Der Begriff „Digital Natives“ ist damit letztlich als diskri- minierend anzusehen, da er offenkundige Benachteiligungsstrukturen verdeckt und zugleich einen Lebensstil zur Norm ernennt. Digital Natives von heute aus betrachtet – ein Vorgriff auf eine post-digitale Lebenswelt Der Begriff Digital Native ist mithin zu problematisch und unscharf, als dass mit ihm sinnvoll gearbeitet werden kann. Zu würdigen ist aber, dass er als eine erste Beschreibung einer post-digitalen Lebenserfah- rung gelten kann. Denn tatsächlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Erfahrungen, die wir alle machen, unsere Wahrnehmung und unser Denken prägen. Hier kommt digitalen Medien ohne Frage eine wichtige Bedeutung zu. So können auf einer Mikroebene tatsächlich Die Zuschreibung „Digital Native“ vernachlässigt soziale Aspekte des Medienhandelns Mitunter schwingt Bewunderung bei der Verwendung des Begriffs mit – Bewunderung für die virtuose Art und Weise, wie junge Menschen TikTok-Videos drehen und veröffentlichen, mit Emoticons Geschichten erzählen oder auch auf beeindruckende Weise Computerspiel-Figuren steuern können. Ist ja auch keine Frage, da sie mit diesen Medien auf- gewachsen sind. Aber stimmt das wirklich? Tatsächlich ist der Begriff äußerst umstritten. 20 Jahre Digital Natives In seinem Artikel „Digital Natives, Digital Immigrants“ aus dem Jahr 2001 führte der US-Amerikaner Marc Prensky diesen Begriff ein, um auf Unterschiede zwischen der Generation der nach 1980 Geborenen im Vergleich zu den früher geborenen Generationen hinzuweisen. Bei den nach 1980 geborenen Schülerinnen* und Schülern*, mit denen Prensky arbeitete, beobachtete er fundamental andere Prozesse des Denkens und der Informationsverarbeitung. Diese brachte er in Verbindung mit ihren Erfahrungen mit digitalen Medien. Ein paar Jahre später sollten John Palfrey und Urs Gasser ähnliche Beschreibungen in ihrem Buch „Generation Internet. Die Digital Natives: Wie sie leben, was sie denken, wie sie arbeiten.“ (Palfrey und Gasser 2008) vorlegen. Was macht Digital Natives aus? Prensky argumentiert, dass die Erfahrungen der mit digitalen Medien aufgewachsenen jungen Menschen auch Einfluss auf die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten haben und daraus neue Ausgangsbedingungen entstehen, auf die insbesondere Bildungsinstitutionen reagieren müssen. So beschreibt er wesentliche Eigenschaften dieser Generation: „Digital Natives are used to receiving information really fast. They like to parallel process and multi-task. They prefer their graphics before their text rather than the opposite. They prefer random access (like hypertext). They function best when networked. They thrive Literaturverzeichnis ■ Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) (Hg.) (2014): DIVSI U25-Studie. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt. Online verfügbar unter www.divsi.de/wp-content/uploads/2014/02/DIV- SI-U25-Studie.pdf, zuletzt geprüft am 29.09.2021. ■ Palfrey, John; Gasser, Urs (2008): Generation Internet. Die Digital Natives: Wie sie leben, was sie denken, wie sie arbei- ten. 1. Aufl. Einheitssachtitel: Born digital (dt.). München: Hanser. ■ Prensky, Marc (2001): Digital Natives, Digital Immigrants. In: On the Horizon 9 (5). Online verfügbar unter https://marcp- rensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives, %20 Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf, zuletzt geprüft am 22.09.2021. Foto: Marvin Meyer, u n splash.com

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