K3 No. 4 - September 2021
12 das kommt | 04 | 2021 das war 75 Jahre KJR aus Sicht der Kommunalpolitik Im Sozialreferat ging es tatsächlich um eine Prioritätensetzung. Zu der Zeit hatten wir viele Kinder und Jugendliche in Obdach- losenunterkünften, Kinderarmut war sehr präsent. Vor diesem Hintergrund mussten wir entscheiden, wo die nötigen Einsparungen gemacht werden. Man hat geschaut, wo es am wenigsten wehtut und entschieden, dass im Bereich der Jugendkulturarbeit solche Einsparungen eher vertretbar sein würden als bei Obdachlo- sen. Mein Denkansatz war, dass Heranwach- sende, die jugendkulturelle Angebote des KJR nutzen, sicher auch in der Familie eine entsprechende Unterstützung erhalten. Also hat man dort einen Teil der Einsparungen vorgenommen. Ich glaube rückblickend, dass es gelungen ist, dass Kinder und Jugendliche im Zuge der Sparmaßnahmen nicht generell benachteiligt wurden. Wenn wir nach vorn blicken, könnte ein ähnliches Szenario nach Corona drohen… Dietl: Ich habe immer wieder betont, dass wir nicht im Sozialbereich sparen dürfen. Wir werden aber nicht umhinkommen, dass vieles angesichts der knappen Kassen auf den Prüfstand kommt. Alle Menschen, die tatsächlich Unterstützung brauchen, sollen diese jedoch bekommen. Das bleibt mein per- sönliches Ziel in der Debatte. Im erwähnten Hearing wurde immer wieder betont, dass es keinesfalls eine Rasenmäher-Politik geben wird und wir im Bildungs- und Sozialbereich besonders sensibel vorgehen. Letztlich ist das auch eine Frage der Höhe der Landes- und Bundesmittel, die es geben wird. Was steht konkret in der Jugendpolitik der Stadt an, in welchen Feldern wird es eine intensivierte Zusammenarbeit mit dem KJR geben? Dietl: In vielen Gespräche mit den Trägern versuchen wir, eine gemeinsame Position zu finden. Wir brauchen unbestritten wirksame Angebote für Kinder und Jugendliche, die nach Corona besondere Beachtung finden sol- len. Wir werden nötige Einsparungen immer konsensorientiert planen, denn wir wollen ein zukunftsfähiges soziales München. Ihr Bl ick zurück auf 75 Jahre KJR: Was kommt Ihnen angesichts dieser langen Zeit in den Sinn? Oder anders gefragt: trägt das System KJR weitere 75 Jahre? Burkert: Die Frage zielt vielleicht auf Bewe gungen w i e „Fridays for Future“. Solche Bewegungen werden meist von ei- ner bestimmten sozi- alen Schicht getragen – es fehlt leider an Breite über alle gesellschaftlichen Milieus hinweg. Für die Zukunft der Stadt ist es aber von ent- scheidender Bedeutung, dass alle mitgenom- men werden, Selbstbewusstsein finden und solidarisch sind. Wo sonst könnte man das bes- ser lernen als in Ju- gendverbänden und den Jugendringen. Jugendarbeit kann verhindern, dass wir in abgeschlossenen „Blasen“ leben, weil sich im Jugendring al le zusammenfin- den. Gemeinschaft erleben ist für die De- mokratieentwicklung notwendiger denn je. Strukturen wie im Jugendring und Ju- gendbewegungen s c h l i e ß e n s i c h nicht gegenseitig aus … Dietl: Jugend wi l l zunächst erst einmal keine Struktur, will vielfältig sein. Diese Selbstbestimmtheit ist notwendig. Und genau das bietet der Jugen- dring: Vernetzung, Austausch, das Erleben von Vielfalt. Insofern hat der Jugendring das, was Kinder und Jugendliche auch künftig suchen werden. Der KJR soll sichtbar machen, was er und die Stadt für Kinder und Jugendliche bieten. Er ist und bleibt die Stimme der Heranwachsen- den und organsiert deren Bedürfnisse. Zwei oder drei Begriffe, die Sie mit dem KJR verbinden? Burkert: Da fällt mir die Arbeit für und mit Mädchen ein – die gezielte Förderung von deren Anliegen. Ich hatte immer betont, dass Mädchen eigene Räume brauchen, auch wenn ältere Kollegen stets erwidert haben, „… ich solle doch nicht so unerbittlich wie der Pfarrer sein“. Aber Mädchen wollen und brauchen eigene Räume zur Entwicklung und zur Mitbestimmung. Das Thema verbinde ich unmittelbar mit dem Wirken des KJR in den letzten Jahrzehnten. Und natürlich die Frage der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Jugendliche. Dietl: Mir fällt vor allem die Vielfalt der Themen ein, für die der Jugendring steht. Der KJR steht auch für die Erkenntnis, dass alle Kinder und Jugendlichen einen Platz in der Stadtgesellschaft finden sollen – und alle können sich umgekehrt in den KJR einbringen. Burkert: Mir fällt das Gespräch mit den fünf Bürgermeisterinnen der Stadt ein, das die Süddeutsche Zeitung vor einiger Zeit geführt hat. Dabei wurde mir klar, dass da keine dabei war, die nicht aus persönlicher Erfahrung gewusst hätte, worüber sie als Bürgermeiste- rin entscheidet. Dies erscheint mir für alle Entscheidungen aber von großer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund steht der KJR für eine Interessenvertretung, die authentisch ist, weil sie die Betroffenen unmittelbar zu Wort kommen lässt. Und das ist doch eine Art Versicherung bzw. ein Versprechen für die Zukunft des Jugendrings. Interview: Marko Junghänel Auch heute sind Ferien die Highlights des Schuljahres: Mit dem Tchaka geht es zum spritzigen Sommervergnügen (fast) vor der Haustür. Die Ferien früher boten willkommene Abwechslung: Mit dem KJR- Bus ging es auf große Fahrt
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