K3 No. 1 - Februar 2021

7 das kommt | 01 | 2021 das war 75 Jahre Kreisjugendring München-Stadt – arbeiten und leben für mehr Jugendbeteiligung Der Jugendring als Themensetzer? Judith: Es wäre vermessen zu sagen, dass wir alle Themen allein setzen und bearbeiten, denn sie betreffen ja auch andere Bevölke- rungsgruppen. Wir bündeln vor allem die Stimmen von Kindern und Jugendlichen und bringen diese Perspektive in die Debatten ein – ob in der Frage des bezahlbaren Wohnens oder des ÖPNV. Wolfgang: Mitte der 1970er Jahre haben die Verbände beispielsweise die Frage in den Jugendring eingebracht, wie „ausländische Jugendliche“ in die Jugendarbeit einbezogen werden sollen – durch eigene Verbände oder durch Integration in bestehende. Dahinter stand die Frage von Pluralität, die Jugend- arbeit abbilden soll. Hier hat der Jugendring maßgeblich die Fachdebatten angeführt. Wie politisch aktiv war bzw. ist „Jugend“ zu Eurer Zeit? Wolfgang: Damals kamen viele Jugendliche durch den KJR zum ersten Mal mit dem Thema Partizipation in Berührung: erste kleinere Gruppen wurden in den Jugendring aufge- nommen, in den Freizeitheimen entstanden Beiräte, selbstverwaltete Stadteilzentren wurden gefordert. Jenseits der Strukturen des Jugendrings bzw. von Verbänden gab es weniger Engagement. Judith: Auch das ist heute anders. Ich bin selbst ein Beispiel dafür, wie man sich zu- nächst ohne Bindung an einen Verband en- gagiert. Es gibt grundsätzlich ein großes In- teresse von Kindern und Jugendlichen daran, an der Gestaltung des eigenen Umfeldes und der politischen Rahmenbedingungen mitzu- wirken. Die politischen Entscheidungen von heute wirken in die Zukunft von Heranwach- senden. Und der KJR unterstützt sie dabei, ihr Recht auf Partizipation wahrzunehmen. Judith Greil aus Dingolfing Jahrgang: 1989 Studium: Theaterwissenschaft und Geschichte Vorsitzende KJR: seit 2019 Wie hat Euch persönlich die Arbeit im und für den KJR geprägt? Wolfgang: Ich erinnere mich an die Debatte, als es darum ging, ob der Sportverband drei der 40 Freizeitheime des KJR in seine Trä- gerschaft übernehmen soll. Als Jugendring haben wir argumentiert, dass wir alle oder keines führen wollen. Schließlich blieb es bei der bewährten Lösung. Das hat mich geprägt – seinen Standpunkt zu vertreten, standhaft bleiben! Judith: Mich haben die Begegnungen mit Menschen im KJR geprägt, mit denen ich sonst nie zusammengetroffen wäre. Arbeit im Jugendring heißt auch Vorurteile abzubauen. Eine große Bereicherung! Wie wird der Jugendring in den nächsten Jahren aussehen? Wolfgang: Die Praxis von Jugendarbeit wird entscheidend sein. Allein Positionspapiere zur ökologischen Wende zu schreiben, wird nicht genügen. Judith: Schule nimmt immer mehr Zeit im Leben junger Menschen ein. Jugendverbände und Freizeiteinrichtungen wird es weiter geben, weil sie unersetzliche Erfahrungs- und Freiräume bieten. Gleichzeitig wird Engage- ment (noch) vielfältiger – auch außerhalb von Strukturen. Und als KJR wollen wir weiter dazu beitragen, dass junge Menschen und ihre Interessen ernst genommen werden und dass gute Rahmenbedingen für ein selbstbestimm- tes Leben geschaffen werden. Interview: Marko Junghänel Verstehen Jugendliche, dass es zum En- gagement auch Gremienarbeit braucht? Wolfgang: Uns war das „Sitzen“ wichtig – das Diskutieren. Den Jugendlichen heute ist das „Gehen“ – respektive das Tun wichtiger. Sehr verkürzt, aber vielleicht trifft es das. Judith: Man muss auf die Straße gehen, um seine Interessen sichtbar zu machen. Man muss sich aber auch vernetzen, Kontakt in die Politik suchen und – gerade in Zeiten der Pandemie – darauf achten, dass die eigenen Themen nicht verlorengehen. Foto: Kerstin Groh

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