K3 No. 1 - Februar 2021

6 das kommt | 01 | 2021 das war 75 Jahre Kreisjugendring München-Stadt – arbeiten und leben für mehr Jugendbeteiligung Den Anfang machen Dr. Wolfgang Berg, Vor- sitzender des KJR von 1976 bis 1981, und die aktuelle Vorsitzende Judith Greil. Wie seid Ihr zum KJR gekommen? Wolfgang: Ich habe 1968 mein Abitur ge- macht – in München war richtig was los. Damals sprach mich jemand im BDKJ, wo ich ehrenamtlich aktiv war, an, ich solle doch mal zur Vollversammlung des Jugendrings gehen. Ich bin also hin und habe erst ein- mal nichts verstanden. Es ging um einen Millionenhaushalt. Damals war noch Anton Fingerle Vorsitzender. Mich interessierte vor allem die Schülerarbeit: Demokratisierung der Schule war angesagt. Judith: Ich bin 2009 zum Studium nach München gekommen. Auch eine aufregende Zeit, weil damals gerade Universitäten be- setzt wurden. Es gab Studiengebühren, aber keine verfasste studentische Vertretung. Wir haben gegen die Ökonomisierung der Hoch- schule protestiert, einen Verein gegründet, Workshops, Demos und 2013 sogar ein Volks- begehren organisiert. Der Jugendring hat uns pragmatisch und erstaunlich unbürokratisch unterstützt – das fand ich cool. Als 2015 neue Vorstandsmitglieder für den KJR gesucht wurden, habe ich mich beworben. Der KJR bot also eine Struktur für Euer Engagement? Judith: Für mich war das so. Mein Ansatz ist, dass Menschen ihre Interessen und Rechte kennen müssen und Wege brauchen, um sich dafür einsetzen zu können; im Verbund mit anderen. Da ist der KJR als Arbeitsgemein- schaft von 70 ganz unterschiedlichen Mit- gliedsverbänden, die aber ihre solidarische und demokratische Grundhaltung eint, ein tolles Lern- und Aktionsfeld. Judith: Ich kenne das Problem. Bewährt hat sich die Einführung eines geschäftsführen- den Vorstands, der sich eher den tagesaktu- ellen Fragen annimmt. Im Vorstand selbst bleibt dann mehr Zeit für die verbandsüber- greifende politische Arbeit. Besonders gut hat dieses Prinzip beispiels- weise bei der Erarbeitung der jugendpoli- tischen Forderungen zur Kommunalwahl geklappt. Der KJR hat dafür gesorgt, dass die Anliegen aus allen Verbänden zu einem Gesamtforderungskatalog wurden. Wie waren und sind die politischen Rah- menbedingungen Eurer Arbeit? Wolfgang: In meine aktive Zeit als Vorsit- zender fiel zum Beispiel der NATO-Doppelbe- schluss – Friedenspädagogik war also enorm wichtig. Und das Thema Jugendarbeitslosig- keit beschäftigte uns. In der Politik gab es keine Idee, wie man dem begegnen konnte. Nachhaltigkeit hingegen war zu der Zeit ein völlig unbeachtetes Thema – „Das Ende des Wachstums“ (Club of Rome, Anm. d. R.) las kaum jemand. Judith: Das ist heute anders. Die Forderungen nach Lösungsstrategien für einen wirk- samen Klimaschutz kommen von den jungen Menschen selbst und werden in Verbänden und KJR-Einrichtungen thematisiert. Hinzu kommt zum Beispiel die Digitalisierung. Und soziale Themen haben in Zeiten von Corona sogar an Dringlichkeit gewonnen. Die soziale Herkunft entscheidet maßgeblich über die Zukunftschancen eines Kindes und Verteilungs- und Bildungsungerechtigkeit nehmen weiter zu. Das kann und darf sich eine Demokratie nicht leisten. Wolfgang: Ich habe den KJR damals in einer Phase der Selbstfindung erlebt. Zuvor war der Jugendring eine Art Außenstelle des Schulre- ferats. Erst mit Fingerle als Vorsitzenden kam Jugendarbeit zum Sozialreferat und wurde dort als Jugendpolitik verortet. Vom Sitzen und Gehen In der Geschichte des KJR haben unterschiedlichste Menschen Verantwortung für die junge Stadtgesellschaft übernommen und politische Weichen im Sinne von Kindern und Jugendlichen gestellt. Welche Herausforderungen gab es früher, welche sind es heute, wo hat sich Jugendarbeit gewandelt und was ist unverän- dert? Zum 75. KJR-Jubiläum beleuchten wir dies in jeder K3-Ausgabe 2021 mit je einem Doppelinterview. Zu Wort kommen Menschen von damals und heute – jeweils mit dem gleichen Amt bzw. der gleichen Aufgabe Wolfgang Berg aus München Jahrgang: 1949 Studium: Lehramt und Linguistik Vorsitzender KJR: 1976 bis 1981 Wolfgang: Natürlich war es interessant, den KJR als Plattform für Diskussionen zu nutzen. Andererseits war der tatsächliche, direkte Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedsverbänden eher zu vernachlässi- gen. Dass man mich nicht falsch versteht: Jugendverbände sind wunderbare Biotope der Demokratie. Der KJR wollte andererseits nie ein Über-Verband sein, sondern nur Impulse geben – damals zum Beispiel bei den Themen KZ-Gedenkstättenarbeit oder ganz praktisch bei der Forderung nach den günstigeren Preisen von nicht-alkoholischen Getränken in Gaststätten.

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