K3 No. 1 - Februar 2021

| 01 | 2021 13 Freiheits- und Kinderrechte Schwerpunkt Pandemiebekämpfung heißt runter mit sozialen Kontakten. Mit der Beschränkung von Kontakten geht aber eine Einschränkung vieler vom Grundgesetz garantierter Freiheitsrechte einher. So werden Kunst und Kultur völlig untersagt, Einzelhändler dürfen ihren Beruf nicht ausüben, wir alle werden durch Ausgangssperren in unserer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Darf der Staat uns so in unseren Freiheiten limitieren, um das Leben und die Gesundheit anderer zu schützen? Er darf, denn Grundrechte als vom Staat garantierte Freiheitsrechte gelten nicht vorbehaltlos. Sie dürfen eingeschränkt werden, wenn dies ein legitimer Schutzzweck gebietet: Und vorliegend geht es vor allem um die Funktionsfähigkeit des staatlichen Gesundheitswesens. Dass dieses an seine Grenzen stoßen kann, liegt bei derzeit täglich etwa 1.000 Todesfällen aufgrund von COVID-19 und bundesweit etwa 25.000 Infizierten in den Krankenhäusern (davon 5.000 in intensiv- medizinischer Behandlung) auf der Hand. Allerdings müssen Freiheitsrechte beschränkende Maßnahmen verhältnismäßig sein: Das heißt, sie müssen geeignet zur Erreichung des Schutzzweckes sein, dabei jedoch stets das relativ mildeste Mittel darstellen und unter Abwägung weiterer Gesichtspunkte die Einschrän- kung von Grundrechten rechtfertigen. Pandemien lassen sich in erster Linie durch die Beschränkung sozialer Kontakte eindämmen. Daher versuchen Bund und Länder, die entspre- chenden Ge- und Verbote nach Möglichkeit differenziert auszugestalten. Doch je differenzierter man sich der Sache nähert, desto schwerer nachvollziehbar erscheinen manche Ungleichbehandlungen: Warum müssen Kunst, Kultur und Sport trotz sehr detaillierter Hygienekonzepte komplett schließen, während sich viele Menschen unkontrolliert und auf engem Raum im ÖPNV drängen? Warum dürfen sich im Großraumbüro weiterhin täglich viele Kolleginnen und Kollegen begegnen? Erklärung tut not Dieser Umstand offenbart die größte Schwäche der bisherigen Krisen- bewältigung: Die maßgeblichen Entscheidungen wurden in nichtöffent- lichen Runden der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung getroffen. Die Parlamente debattierten über die Maßnahmen kaum und wenn, dann werden sie erst im Nachgang über bereits Beschlossenes informiert. Nicht nur, dass das formelle Gesetz die größtmögliche Legitimation von Grundrechtseingriffen bietet, so ist doch gerade auch der parlamentarische Diskurs eine essentielle Säule unserer Demokratie, die staatliches Handeln nachvollziehbar macht. Wenn alle Macht vom Volke ausgeht, dann muss staatliches Handeln auch dem Volke öffentlich und transparent erklärt werden, um die Akzeptanz der Entscheidungen zu erhöhen. Vergleicht man die Corona-Krise mit den Herausforderungen des Jahres 2015, als sehr viele Menschen auf der Flucht nach Deutschland kamen, fällt auf, dass diejenigen, die 2015 rigoros abschotten wollten, heute diejenigen sind, die von einer Corona-Diktatur sprechen. War damals jeder Geflüchtete einer zu viel, sind heute die COVID-19-Toten kein Grund zur Panik. Das Beispiel zeigt, wie wichtig transparentes Erklären der Krisenbewältigung durch politisch Verantwortliche ist. Derzeit flammt eine weitere Debatte auf: Es geht um die Frage, ob bereits geimpfte Personen von den einschränkenden Maßnahmen nicht mehr so stark betroffen sein sollten wie noch nicht Geimpfte. Freilich kann man das erst klar beantworten, wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass Geimpfte das Virus nicht mehr übertragen können. Sollte dies der Fall sein, wäre es meiner Meinung nach kaum zu rechtfertigen, warum diejenigen, die das Virus nicht mehr weitergeben können, sich sozial ebenso stark einschränken müssen wie diejenigen, die noch nicht geimpft wurden. Jetzt kann man natürlich fordern, dass Lockerungen für Geimpfte erst dann möglich werden sollen, wenn alle Teile der Bevölkerung die Möglichkeit haben, sich auf freiwilliger Basis impfen zu lassen. Da eine provokant formulierte „Gleichbehandlung im Elend“ nicht dem Geist des Grundgesetzes entspricht, sind meines Erachtens aber Lockerungen für Geimpfte geboten. Für Pädagoginnen und Pädagogen in Jugendarbeit, Jugendhilfe und Schule bleibt viel zu tun: Erklärt das alles den jungen Menschen und haltet Kontakt zu ihnen: jeder digitale Kontakt ist besser als gar kein analoger! Markus Schön, Stadtdirektor der Stadt Krefeld, ehemaliger kommissarischer Leiter des Stadtjugendamtes München Die Kinderrechte in der Pandemie Lippenbekenntnis oder garantiertes Recht? Am 20. November 2020 feierte die UN-Kinderrechtskonvention ihren 31. Geburtstag. In 54 Artikeln garantiert sie Kindern seit 1989 weltweit unter anderem das Recht auf Gesundheit, Bildung, Spiel, Freizeit und kulturelle Teilhabe, aber auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Beteiligung. Diese Rechte gelten für alle jungen Menschen von 0 bis 18 Jahren. Kinder haben Rechte – natürlich! Und selbstverständlich auch während einer Pandemie. Anlässlich des 31. Internationalen Tages der Kinderrechte lohnt ein genauer Blick auf die Umsetzung dieser Kinderrechte während der Corona-Krise. Schon Kurt Tucholsky meinte: „Recht kann man nur in bedrohten Lagen erkennen; wenn es da nicht gilt, taugt es nichts.“ Was also taugen die Kinderrechte? Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen? Wo sind diese eingeschränkt (worden)? Und wie ernst ist es den Politikerinnen und Politikern der großen Koalition mit ihrem Vorhaben, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen? Einige der 1989 mit der UN-Kinderrechtskonvention verabschiedeten Kinderrechte wurden in der Krise – scheinbar ganz einfach – außer Kraft gesetzt. Unter anderem sind die unzureichende Umsetzung von Partizipationsrechten sowie die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen stark betroffen. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen vieler Kinder und Jugendlicher, besonders wenn der Infektionsschutz im Widerspruch zum Kindeswohl steht. Foto: Colin Djukic

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