K3 No. 6 - November 2020

| 06 | 2020 23 Kooperative Ganztagsbildung Schwerpunkt Ganztagskonzepte an der Grundschule … und was ist mit Engagement und Partizipation von Kindern und Eltern? Mit der Einführung des Kooperativen Ganztags wird in München auf den ab 2025 geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter reagiert. Die Angebote des Kooperativen Ganztags sollen von Trägern der Ju- gendhilfe in enger Zusammenarbeit mit der Schulleitung im schulischen Rahmen und in deren Räumen erbracht werden. Die rechtliche Basis hierzu liefert das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Tagesheim, Hort und Mittagsbetreuungen sollen – sofern sie an der Schule vorhanden sind – im Kooperativen Ganztag aufgehen. Pro Schule nur noch ein Jugendhilfepartner, so die Maxime. Aus unserer Sicht ist es notwendig, im Zuge der Einführung der Kooperativen Ganztagsbildung immer wieder auf die Interessen und Bedarfe der Kinder hinzuweisen, damit diese nicht in der notwendigen Berücksichtigung der Interessen von Eltern, Schulen und Verwaltung auf der Strecke bleiben. Anders als diese Gruppen verfügen Kinder an Grundschulen weder über eine institutionalisierte Vertretung noch über die Erfahrungen oder Möglichkeiten, sich und ihre Interessen im System Schule zu vertreten. Wie ihre Interessenvertretung in dem nun entstehenden Hybrid (verbindliche Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe) organisiert werden kann, ist noch nicht geklärt. Problemstellungen und Herausforderungen Beteiligungsrechte Kinder Bisher bestehen keine verfassten Beteiligungsrechte für Kinder innerhalb der Grundschulzeit. So sieht die Bayerische Schulordnung keine Schülermitverantwortung (SMV) oder vergleichbare Beteiligungs- gremien vor. An Grundschulen existiert zudem kein Schulforum unter Beteiligung der Schüler und Schülerinnen. Die Aufgaben des Schul- forums sind in Grundschulen den Elternvertretungen zugeordnet. Kinder an Grundschulen sind somit im Wesentlichen „zu bildende Objekte“. Im Bereich der Jugendhilfe haben alle jungen Menschen nach § 1 Sozi- algesetzbuch (SGB 8) ein Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Sie sind dabei entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Deshalb ist es unerlässlich, dass im Kooperativen Ganztag die Beteili- gung von Kindern Beachtung findet. Dies gilt nicht nur für die Bereiche der Kooperativen Ganztagsbildung, die in den Freizeitbereich fallen. Es muss auch für den schulischen „Hoheitsbereich“ gelten, wenn der Begriff kooperativ nicht nur Kosmetik sein soll. Beteiligungsrechte Eltern Bisher von Eltern selbst gestaltete und verantwortete Betreuungsan- gebote (z.B. Mittagsbetreuungen) gehen beim Kooperativen Ganztag in die Steuerung des Trägers des Kooperativen Ganztags über. Damit gehen allerdings auch die Einflussmöglichkeiten der Eltern auf die Gestaltung der Angebote verloren. Nur wenige große Mittagsbetreu- ungen werden in der Lage sein, die Kooperative Ganztagsbildung einer ganzen Schule zu übernehmen. Die Bayerische Schulordnung sieht die Beteiligung der Elternvertre- tung nur in Einzelbereichen des schulischen Lebens vor. Weiterreichend sind die Beteiligungsrechte nur in Modusschulen (spezielle ausgewählte Modellschulen). Grundsätzlich ist jedoch das Thema Beteiligungsrechte von Eltern an Schulen der Kooperativen Ganztagsbildung noch nicht geregelt. So ist nicht geklärt, ob der Kooperative Ganztag tatsächlich ein neues System darstellt oder nur ein schon bekanntes Nebeneinan- der der Systeme Schule und Jugendhilfe bedeutet. Bisher weist vieles auf Letzteres hin. Damit können sich Eltern in zwei Teilsystemen mit unterschiedlichen Möglichkeiten beteiligen. Eine qualitative Verbes- serung ist dadurch nicht zu erwarten. Wunsch und Wahlrecht bei Schulsprengel-System Eltern haben in der Jugendhilfe das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hin- sichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Diese Wahlmöglichkeit besteht bei den Angeboten der KoGa nicht. Die Zuweisung erfolgt durch das Schulsprengel-System. Eine weltanschauliche Auswahl und Entscheidungsmöglichkeit besteht daher für die Eltern nicht, einzige Ausnahme können Gastschulanträge sein. Dies widerspricht erheblich dem Grundgedanken der Subsidiarität und Trägerpluraliät des Kinder- und Jugendhilferechts, der aufgrund der Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus Einzug in die Gesetzgebung gefunden hatte. Ganztagsbetreuung und Zugang zu außerschulischem Engagement Engagement muss gelernt und als positiv erfahren werden. Kinder im Grundschulalter finden über ihre Freizeitaktivitäten Zugang zu in- dividuellen Formen eines Engagements. Der Zugang zum vielfältigen, selbstgewählten und freiwilligen Engagement muss für Kinder in der Kooperativen Ganztagsbildung möglich sein. Wie das in der verbleibenden freien Zeit gelingen soll, ist völlig unklar. Für Engagement bleibt oft nur noch das Zeitfenster zwischen Betreuungsende und Nachtruhe. Noch sind einige grundsätzliche Fragen offen: ist die KoGa mehr Schule oder mehr außerschulische Angebote? Foto: Marko Junghänel

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjk2NDUy