K3 No. 6 - November 2020
13 das kommt | 06 | 2020 das war Die Opfer leiden unter der bruchstückhaften Aufarbeitung „Am allermeisten hätte ich mir gewünscht, dass die neuen Ermittlungen erfolgreich sind, dass die Täter verurteilt werden und im Knast landen, wo diese vielfachen Mörder längst hingehören“. Renate Martinez hat die gewaltige Bombenexplosion des 26. Septem- ber 1980 am Wiesn-Haupteingang überlebt. Ihre Haare waren verbrannt, zahllose Splitter mussten in mehreren Operationen aus Gesicht und Körper entfernt werden, lange hat es gedauert, bis die Schwerverletzte wieder laufen konnte. Fast vier skandalöse Jahrzehnte vergingen, bis das Bombenattentat auf das Oktoberfest offiziell als ein rechtsextremes Verbrechen eingestuft wurde. Bis in Betracht gezogen wurde, dass der Attentäter Gundolf Köhler, der damals selbst ums Leben kam, vielleicht doch nicht allein gehandelt hatte. Bis die Überlebenden und die Angehö- rigen der zwölf Opfer die Auf- merksamkeit, Anerkennung und zumindest teilweise finanzielle Entschädigung für ihr physisches und psychisches Leid erfahren haben. Die zweite Ermittlungspha- se endete 2020 und konnte viele Fragen nicht mehr klären. Asservaten und Akten waren verschwunden, wichtige Daten geschwärzt, es musste mit den Resten einer haarsträubend lückenhaften Ermittlung gear- beitet werden, die 1982 allzu schnell beendet worden war. Dass es überhaupt zu einer Wie- deraufnahme der Ermittlungen kam, ist auch der jahrzehn- telangen Hartnäckigkeit von Journalist Ulrich Chaussy und Rechtsanwalt Werner Dietrich sowie zahlreichen gesellschaft- lichen Initiativen zu verdanken – wie der DGB-Jugend München, die seit 38 Jahren, inzwischen auch mit der Stadt gemeinsam, die jährliche Gedenkstunde am Wiesn-Eingang organisiert und neue Ermittlungen immer wieder eingefordert hatte. Für die teilnehmenden Überle- benden und die Angehörigen der Opfer war es ein äußerst schmerz- voller, aber wichtiger Tag des Gedenkens am 26. September in diesem Jahr. Gemeinsam mit Erinnern für die Zukunft Am 40. Gedenktag des Oktoberfest-Attentats hatten vor allem Überlebende das Wort Bundespräsident Walter Steinmeier, OB Dieter Reiter, Ministerpräsident Markus Söder und zahlreichen Gästen erinnerten sie an diesen furchtbaren Abend 1980 und warnten: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Rechtsextremis- mus unser Zusammenleben ver- giftet und bei jungen Menschen Fuß fassen kann.“ (Dimitrios Lag- kadinos, Überlebender). Mit dem Bundespräsidenten besuchten sie die eindrucks- volle neue Dauerausstellung am Wiesn-Eingang gegenüber dem Mahnmal. Am Abend lud die Fachstelle für Demokratie dazu ein, via Live stream die Diskussion einer hoch- karätigen Runde mit Expertinnen und Experten im Rathaus zur Gefahr rechtsextremer Netzwerke zu verfolgen. Die Fragen und Themen die- ses Gedenktags finden sich ganz konkret wieder in einer Film- produktion der DGB-Jugend – nur unter dem Blickwinkel der jungen Generationen: „Warum Erinnern?“, „Was hat das mit mir heute zu tun?“ Der Film versteht es, auf sensible, eindrucksvolle Weise, die Ereignisse des 26. Sep- tember 1980 in die Gegenwart zu transportieren als Plädoyer für Wachsamkeit und entschie- denen Widerstand gegen Rechts: www.erinnernheisstkaempfen.de Sylvia Holhut, Fachstelle Demo- kratische Jugendbildung, KJR Abstand bei der Filmpremiere „Im Kampf gegen das Vergessen“
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