K3 No. 6 - November 2020

12 das kommt | 06 | 2020 das war Vor 75 Jahren wurde der Widerstandskämpfer Johann Georg Elser ermordet Am Abend des 8. November 1939 dauerte Hitlers Rede im Münchner Bürgerbräukeller zum Jahrestag des Putsches 1923 nicht so lang wie sonst. Der Diktator verließ den Saal kurz nach 21 Uhr. Um 21.20 Uhr explodierte per Zeitzünder eine Bombe, direkt hinter dem Rednerpult. Eine halbe Stunde zuvor wurde Georg Elser, bereits auf seiner Flucht in die Schweiz, in Konstanz festgenommen. Eher zufällig, seine Grenzkarte war abgelaufen. Unter dem Rockaufschlag trug er zudem das Abzeichen des kommunistischen Rot- frontkämpferbundes, in seiner Tasche Teile eines Zünders und eine Postkarte des Bür- gerbräukellers. Seine Identifizierung als At- tentäter erfolgte schnell. Aber man glaubte ihm nicht, dass er allein gehandelt hätte. Ein Martyrium der Folter nahm seinen Lauf. Anfang April 1945 erhielt die Kommandan- tur des KZ Dachau die Weisung, Elser während eines alliierten Bombenangriffs unauffällig tödlich „verunglücken“ zu lassen. Am 9. April 1945 wurde Georg Elser kurz vor der Befreiung des KZ von Oberscharführer Theodor Bongartz durch einen Genickschuss ermordet. 1903 geboren und aufgewachsen im Württ- embergischen galt er trotz schwieriger Fa- milienverhältnisse als ein ruhiger, aber le- bensfroher, begabter junger Mann mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Auf seine Ausbildung als Kunstschreiner war er stolz und achtete bei seinen Aufträgen stets auf eine angemessene Entlohnung. Freiheit und Unabhängigkeit prägten sein Verständnis von Politik, so lehnte Elser den Nationalsozialismus von Anfang an radikal ab. Er erkannte schon früh, dass die aggressive NS-Außenpolitik auf einen Krieg abzielte. Im Herbst 1938 entschloss er sich, die nationalsozialistische Führung, Hitler, Goebbels, Göring, zu beseitigen. Von der Mutter seines Sohnes Manfred, Mathilde Niedermann, hatte er sich distanziert um sie im Fall seiner Entdeckung zu schützen. Seit September 1939, der Krieg hatte mit dem deutschen Überfall auf Polen gerade begonnen, lebte Elser in der Münchner Denken an einen, der den Krieg verhindern wollte Georg Elser war einer der konsequentesten Gegner des Nationalsozialismus und zugleich jahrzehntelang vergessen und verschwiegen. Eine Hommage an einen Mann, der kurz vor der Befreiung im KZ Dachau ermordet wurde Foto: Privat, Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand Türkenstraße 94 und versteckte sich Nacht um Nacht unbemerkt im Bürgerbräukeller in Haidhausen, wo er in einer Säule den Sprengsatz platzierte. Jahrzehnte vergingen, ehe Ende der 1980er Jahre die Erinnerung an einen der konse- quentesten Gegner des Nationalsozialismus auch öffentlich einsetzte. Diese teilt Georg Elser mit anderen Vergessenen, deren Mut und Schicksal lange verdrängt und verschwiegen worden waren. Die Bodentafel hinter dem Gasteig, am Ort des ehemaligen Bürgerbräukellers, mutet immer noch etwas verschämt an. Doch inzwi- schen sind Arbeitskreise aktiv, gibt es bun- desweit Gedenkorte und zahlreiche Straßen, Schulen und Plätze, die nach ihm benannt sind. Der höchste Preis für Zivilcourage, der in München ausgelobt wird, trägt seinen Namen. Und nicht zuletzt: Durch die Initi- ative von Dr. Hella Schlumberger erinnert eine Kunstinstallation in der Türkenstraße 94 an Georg Elser. Allabendlich überrascht eine blinkende Zündschnur und symbolische Explosion an der Mauer des Schulgebäudes, und zwar genau um 21.20 Uhr. Sylvia Holhut, Fachstelle Demokratische Jugendbildung, KJR Georg Elser In der Bayerstraße haben zwei Münchner Graffiti-Künstler Georg Elser ein Street­ art-Gemälde gewidmet

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