K3 No. 4 - September 2020

Dachzeile 28 das kommt | 04 | 2020 Alles anders. Oder? Jugendarbeit in Corona-Zeiten Schwerpunk Mädchen und junge Frauen, die unter diesen Problemen litten, sind auch im JIZ vorstellig geworden – allerdings nicht in dem Ausmaß, wie befürchtet. Grund hierfür könnte die Tatsache sein, dass die Kommunikationswege gekappt waren und entsprechende Fälle nicht gemeldet werden konnten. Verstärkt wurden diese Notlagen dadurch, dass der Kontakt zu Ämtern und Einrichtungen nahezu unmöglich war, was bei allen Beteiligten ein Gefühl der Hilflosigkeit erzeugte. Oft blieb nur der Ratschlag, sich direkt an die Polizei zu wenden. Unter familiärer Gewalt leiden im Übrigen nicht nur Mädchen und Frauen. Es werden auch Jungs geschlagen und Mütter können Täterinnen sein. Junge Geflüchtete Geflüchtete junge Menschen haben besonders unter der teilweise dramatischen Situation in den Gemeinschaftsunterkünften (GUs) gelitten. Dort wurde das Betreuungspersonal vollständig abgezogen. Lediglich der Sicherheitsdienst war vor Ort und übernahm Aufgaben des eigentlich vorgesehenen Fachpersonals. Die GUs waren praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Niemand wusste, wie mit Krankheitsfällen umzugehen sei. Die in den Einrich- tungen festsitzenden Asylbewerberinnen und -bewerber litten unter der Hitze, die Lage der Kinder schien ausweglos, häufig wurden nicht einmal mehr Lebensmittel geliefert. Viele der Geflüchteten verloren in dieser Phase ihren Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, weil sie nicht mehr aus der GU herauskamen. Sie hatten zudem oft keine Gelegenheit, ihre Arbeitgeber zu informieren, weil nur selten Ansprechpartner in den Firmen oder Institutionen erreichbar waren. Eltern Wir erhielten mehrere Anrufe genervter Mütter, deren Söhne zu so- genannten „Corona-Schlonzen“ mutiert waren. Wenn die Erziehungsbe- rechtigten zuvor schon unter dem Nesthocker-Syndrom des Nachwuchses gelitten hatten, befürchteten die Eltern nun, dass ihr 25-jähriger Sohn endgültig nicht mehr ausziehen würde. Das Thema Ausbildungssuche hatten die Eltern zu diesem Zeitpunkt ohnehin längst abgehakt. Auch in diesen Fällen konnten wir nur bedingt helfen. Praktisch alle jungen Menschen, mit denen wir Kontakt hatten, ma- chen sich wegen der Corona-Krise Sorgen um ihre Zukunft. Wie geht es weiter? Wie lange wird die aktuelle Situation mit den Einschränkungen bestehen bleiben? – Fragen, auf die das JIZ-Team leider auch keine abschließenden Antworten hat … Michael Graber, Jugendinformationszentrum (JIZ), KJR Offene Arbeit im Corona-Korsett: Freizeittreff Freimann Auf Sicht agieren Marko Junghänel im Gespräch mit Michaela Mösl, Leiterin des Freizeittreff Freimann An den Sicherheits- und Hygieneregeln in der Einrichtung führt kein Weg vorbei. Wie läuft im Moment der Betrieb in Eurer Einrichtung? Was ist anders als sonst? Michaela Mösl: Aktuell laufen die Ferienangebote. Während der ersten Zeit nach dem Lockdown hatten wir nur eingeschränkte Besuchsmög- lichkeiten – nur jeweils maximal 15 Besucherinnen und Besucher für je zwei Stunden und dies im permanenten Wechsel während der Öffnungszeiten. Mit den Lockerungen durften dann mehr Personen für längere Zeiträume bleiben. Im Moment kommen zwar noch Kinder zu uns – die Jugendlichen bleiben aber weg. Weswegen? Wir sind nach wie vor eine Art „Hochsicherheitsgebäude“. Kinder kom- men mit dieser Situation besser klar als Jugendliche; die finden das schrecklich: Maske tragen, ständig Händewaschen, Abstand halten. Für Jugendliche ist das extrem unattraktiv. Mein Kollege und ich waren neulich mit dem Rad im Stadtviertel unterwegs. Die Jugendlichen halten sich jetzt dort auf, wo sie keiner kontrollieren kann – beispielsweise auf öffentlichen Sportplätzen. Diese Einschränkungen sind genau das Gegenteil von Offener Jugendarbeit … Offenheit heißt für uns – die Gäste kommen, schauen, wer da ist und was man zusammen machen kann. Jetzt wird man gewissermaßen gescannt, alles muss protokolliert werden. Am schlimmsten ist wohl, dass man beim Sport auf Abstand achten muss. Das geht gar nicht. Foto: Michaela Mösl Bild von Pia, 6 Jahre

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