K3 No. 4 - September 2020

| 04 | 2020 25 Alles anders. Oder? Jugendarbeit in Corona-Zeiten Schwerpunkt Kinderbetreuung unter Corona: KoRi Schneckenstein Normal ist anders Marko Junghänel im Gespräch mit Elke Geweniger, Leiterin der KoRi Schneckenstein Neben den schulischen Bedingungen stellte sich den Fachkräften der Schulsozialarbeit auch immer wieder die Frage, wie es den Schülerinnen und Schülern in der Situation einer Pandemie an sich geht? Zu vermuten war, dass manchen der Verlust an sozialen Kontakten sehr zusetzen würde oder sie den Anschluss in der Gemeinschaft verlieren. So gab es Kinder und Jugendliche, die den Unterricht und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler sehr vermissten. Andere zogen sich zurück, erledigten keine Hausaufgaben und verfielen in eine Art Lethargie. Die Folgen der Pandemie beeinflussen also nicht nur den Bildungsver- lauf, sondern können auch negative Auswirkungen auf die psychische Stabilität haben. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche, die in schwierigen Familienverhältnissen leben. So waren die Heran- wachsenden besonders in der Lockdown-Phase verstärkt auf sich und ihre Familien zurückgeworfen. Konnte die Familie dann keine zufrie- denstellende und sichere Umgebung bieten, bestand die Gefahr, dass aufkommende Probleme nicht bewältigt werden können. Schwierige Situationen und bestehende familiäre Konflikte konnten sich während der Pandemie folglich zuspitzen. Die KoRi Schneckenstein ohne Kinder ist wie Weihnachten ohne Geschenke. Wie ist die KoRi Schneckenstein bisher durch die Corona-Krise gekommen? Elke Geweniger: Bei uns war von Anfang an vieles anders. Die Ein- richtung war nur kurze Zeit vollständig geschlossen. Nach einer Woche komplettem Stillstand kam schon wieder das erste Kind zu uns, weil die Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten und so Anspruch auf eine Notbetreuung hatten. Nach wenigen Tagen hatten wir dann regelmäßig fünf Kinder im Haus. Trotzdem war alles anders als normal … Das in jedem Fall – aber eben anders als es beispielsweise die Frei- zeitstätten erlebt haben. Mit dem Ende der Osterferien wuchs die Zahl der Kinder kontinuierlich. Seit dem 1. Juli ist im Prinzip wieder Normalbetrieb. Es sind zwar nicht alle Kinder da – das ist aber typisch für den Sommer. Im Gegenteil; wir haben in diesem Jahr mehr Kinder als früher, weil viele Eltern nicht in ihre Heimat nach Serbien, in den Irak oder die Türkei fahren können bzw. keinen Urlaub mehr haben. Was hat Euch besonders belastet? Wir wollten auf keinen Fall den Kontakt zu den Eltern abreißen lassen und haben ab Anfang April alle Eltern angerufen, Videokonferenzen mit ihnen gemacht oder Newsletter verschickt. Außerdem wurden kurze Videos produziert und den Eltern damit an jedem Tag ein Angebot ge- schickt, was sie mit den Kindern machen können: was zum Nachmachen, zum Anschauen, was zum Basteln, Tänze oder Experimente. Die Eltern als neue Partner? Wir haben für die Eltern gewissermaßen das übersetzt, was permanent an neuen Regelungen kam. Die Informationslage war ja recht chaotisch. Was an einem Tag galt, wurde einen Tag später schon wieder über den Haufen geworfen. Zum Beispiel gab es ständig neue Ansagen, wie groß » Mein Onkel ist mein einziges Familienmitglied in Deutschland und normalerweise treffe ich ihn jede Woche, aber während der Corona-Zeit ging das nicht. Ich hatte viele Sorgen um meine Familie, weil die nicht bei mir sind, sondern in Grie- chenland auf der Insel Lesbos – Camp Moria. Ich frage mich, warum gibt es kaum Hilfe für die Menschen dort? Naji 15 Jahre Bei der Schulsozialarbeit oder anderen Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe bestand daher immer wieder die Sorge, dass Kindeswohl- gefährdungen nicht gesehen werden, weil der Kontakt zwischen Fami- lien und Schule fehlt. So boten sich deutlich weniger Möglichkeiten, Gefährdungen zu erkennen oder in Einzelgesprächen danach zu fragen. Dennoch haben viele Fachkräfte versucht, zu den Schülerinnen und Schülern, bei denen bereits eine Gefährdung zu vermuten war, Kon- takt zu halten oder haben eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ (ISEF) miteinbezogen, um keine Gefährdung zu übersehen. Nach den Sommerferien soll der Präsenzunterricht in Bayern unter Hygiene-Auflagen wieder nahezu uneingeschränkt stattfinden. Die Schulsozialarbeit muss sich auf diese Bedingungen einstellen und ihre Angebote daran ausrichten. Möglich wären beispielsweise mehr Kleingruppenarbeit, um die Abstandsregeln einzuhalten, oder Klas- senprojekte im Freien sowie Einzelfallgespräche, die ebenfalls mit genügend Abstand stattfinden. Vanessa Gittner, Schulsozialarbeit Toni-Pfülf-Mittelschule, KJR » … also ich find‘s scheiße, dass wir nur als Schüler gesehen werden. Wir haben auch Freizeit. Junge, 14 Jahre Foto: Elke Geweniger

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